laut.de-Kritik

Einen Rapper, so hart von der Stange, hat es selten gegeben.

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Im atomisierten Deutschrap von 2025 kannst du Superstars haben, die musikalisch quasi niemand wahrnimmt. Rein numerisch gehört ein gewisser Dardan zu den größten Rappern des Landes. In Online-Spaces, in denen man herkömmlicherweise über Rap sprechen würde, passiert der Junge aber quasi gar nicht.

Sein letztes Album "Dardania" sowie sein Neuling "Catch Me If You Can" zeigen: Das ist ihm ganz recht, das will er auch gar nicht. Dardan zielt auf eine oldschooligere Facette von Fame. Er ist einer der jüngsten populären Artists, die auf den Begriff 'Promi' zielen. Er ist mehr oder weniger der einzige Artist auf der Modus Mio-Playlist, für den sich PromiFlash interessieren würde. Deshalb macht er genau die Musik, die er eben machen muss. "Catch Me If You Can" ist musikalisch so okay, wie es langweilig ist. Knapp vor Spielfilmlänge pflichtarbeitet er sich durch alle mainstreamtauglichen Sounds und singrappt sich solide durch einen Playlist-optimierten Beat-Teppich. So wenig er damit auch falsch macht, fragt man sich nach der erschlagenden Spielzeit fachmännischer Kompetenz: Sollten auch solche Alben nicht ein bisschen träumen dürfen?

Der eine musikalische Clue, den Dardan sehr radikal verfolgt, hat er sich wohl von Luciano abgeguckt. Um die nicht sehr glamouröse Deutschrap-Assoziation ein bisschen zu mindern schifft er sich im Dutzend internationale Rapper auf das Tape. Dardan hat alles Recht, in sich einen archetypischen Eurorapper statt eines Deutschrappers zu sehen. Immerhin verbuchte er schon in seinem Herkunftsland Albanien solide kommerzielle Erfolge - und er könnte durchaus zu einer jungen Garde europäischer Artists gehören, deren Einflussbereich nicht nur fürs eigene Herkunftsland gilt.

Wäre ich Labelboss statt Kritiker hätte ich über diese Idee Sterne in den Augen. Es liest sich ja auch erstmal krass: Morad aus Katalanien, Dystinct aus Belgien, der türkische Lvbel C5, Albaniens Ghetto Geasy (mit Gregor weder verwandt noch verschwägert), der Niederländer DJEZJA, der Franzose Zkr: Da tummelt sich gefühlt ein ganzer ESC auf dieser Tracklist. Aber wer den Deutschrapzirkus ein bisschen kennt, der kennt diese Flexy-'man respektiert mich auch im Ausland'-Manöver leider zu Genüge. Auf jedes "Bamba" kriegt man diese Parts, die Lil Baby einem Ufo schicken würde: Desinteressierte, vertragserfüllende Pflichtarbeiten.

Was, leider Gottes, auch ein bisschen auf unseren Protagonisten zutrifft. Dardan hat seine luziden Momente, insbesondere dann, wenn die Beats ein bisschen schroffer und tektonischer werden. "Arigato" kommt mit den Stakkato-808s cool, gerade der Minimalismus schmeichelt seinem Flow. Es klingt hier zum ersten Mal, als würde er wirklich beeindrucken wollen. Auch die Präsenz der sehr stark aufgelegten Jungen Arbeiter auf der Heimatstadthymne "992 Interlude" lässt ihn ein bisschen aufs Gaspedal drücken. Wenn er im Finale back to back mit Xatar geht, merkt man auch, dass ihn das ein bisschen mehr einlocken lässt.

Aber es ist nicht so, als würde "Catch Me If You Can" große Rap-Ansprüche an Dardan stellen. Großflächig ist er im absoluten Popstar-Modus. Das Ding ist: Ein guter Popstar ist, genau wie ein guter Rapstar ein Student of the Game. Er namedroppt in Bezug auf Letzteres immerhin einmal Tupacs "Killuminati"-Album. In Sachen Pop ringt es ihm nicht mal so einen Allerweltsverweis ab. So viele deutsche Atzen schreiben zwei-drei eingängige Melodien und werden zu Pop-Masterminds hochgeschrieben.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn Dardan in den Pop-Modus geht (und der füllt große Teile dieses Albums), dann macht er per Trial and Error, was ihm als geil gefeedbackt wurde. Aber merklich fühlt er das selbst nicht so doll. In den besten Fällen ("Tutto Bene") geht der Beat dabei so hart, dass Dardan nicht viel Verantwortung zufällt. In vielen Fällen steht er als Performer blass und blutleer über absoluten Kirmesproduktionen.

Warum das Album dann irrsinnige 26 Tracks auf die Waage bringt, versteht wohl niemand. "Catch Me If You Can" unterschreitet einen bestimmten Qualitätsmindestwert nie. Aber es ist wahrlich auch kein inspirierendes Album. Dardan als MC und Sänger bietet keine Quirks, keine Eigenarten. Er referenziert immer genau die Dinge, die man erwartet. Seine Beziehungssongs gehen genau die Schritte und Probleme ab, an die man sich lange gewöhnt hat. Einen Rapper, so hart von der Stange, hat es wohl selten gegeben. Es sind fast 80 Minuten reiner Branding-Exercise, expertenhaft designt für Leute, die ein bisschen Rap hören. Der Begriff 'mid' wurde hierfür quasi erfunden.

Trackliste

  1. 1. Visionen
  2. 2. Unipark Interlude
  3. 3. Famous
  4. 4. Issey Miyake
  5. 5. Tutto Bene (feat. Morad)
  6. 6. Wind
  7. 7. Schmerz
  8. 8. Zizou (feat. Dystinct)
  9. 9. Drama
  10. 10. Ghettobébé (feat. Lvbel C5)
  11. 11. Psycho (feat. Hava)
  12. 12. Arigato
  13. 13. 19 Uhr (feat. Ghetto Easy)
  14. 14. Simpel
  15. 15. Mi Amor 2.0 (feat. Il Ghost & LJK)
  16. 16. Luje
  17. 17. Akrapovic (feat. DJEZJA)
  18. 18. Do Not Disturb
  19. 19. Top Shelf (feat. Zkr & Avie)
  20. 20. Highlight (feat. Jamin)
  21. 21. Tonight (feat. Billa Joe & Faroon)
  22. 22. Shabba (feat. Saliou)
  23. 23. Wer Macht So Wie Dardy
  24. 24. 992 Interlude (feat. Junge Arbeiter)
  25. 25. Das Mit Uns Macht Kein Sinn Mehr!
  26. 26. Money & Power (feat. Jamin & Xatar)

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