laut.de-Kritik
Pink Floyd-Fans finden hier, was auf "Endless River" zu kurz kam.
Review von Markus BrandstetterEs ist viel passiert, seit David Gilmour vor gut neun Jahren sein letztes Solo-Album "On An Island" veröffentlichte. Zum Beispiel, dass Pink Floyd mit "The Endless River" das wohl letzte und natürlich viel diskutierte Kapitel ihrer kolossalen Bandgeschichte abgeschlossen haben. Finito, sagt Gilmour, vorbei ist es und weiter gehts - und legt mit seinem neuen Werk "Rattle That Lock" jene Floyd-Elemente vor, die für viele auf dem Finalwerk der Band (das sich in erster Linie aus Überbleibsel aus "The Division Bell" speiste) zu kurz gekommen waren.
Alles beginnt mit einer Morgenmeditation. "5 A.M." baut sich auf sphärischen Fanfarenklängen auf, gleitet sanft und sinfonisch in den neuen, vor uns liegenden Tag. Wenige Sekunden rein ins Geschehen, und da ist sie schon, Gilmours melodiöse, melancholisch mäandernde (Solo)-Gitarre, minimal verzerrt, dazu begleitet er sich auf der Akustischen. Drei Minuten und fünf Sekunden dauert das Instrumentalstück.
Und dann fährt der Zug ab, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes - denn was "Rattle That Lock", den ersten Song des Albums und gleichzeitig die erste Singleauskoppelung einleitet, sind die Signaltöne der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF. Dieses Signal gefiel Gilmour so gut, dass er es an einer Haltestelle mit dem Smartphone aufnahm und dann in den Song einbaute. Was diesen vier Tönen folgt, ist nichts anderes als ein fulminanter und üppiger Gilmour-Track, der beinahe mit allen Gilmour/Floyd-Trademark-Assen im Ärmel daherkommt und im Dub-Galopp vorantreibt.
"Rattle that lock, and you'll lose those chains", singt Gilmour, es geht ums Ketten aufbrechen, da passt auch das durchaus kitschige Cover ganz gut, auf dem Vögel aus einem offenen Käfig in die Freiheit entlassen werden, der Horizont ist noch finster, weiße Löcher im schwarzen Himmel deuten aber unverkennbar darauf hin, dass sich das demnächst ändern sollte. Das Ausbrechen, aus der (eigenen Vergangenheit) etwa? Wohl weniger, denn dafür klingt "Rattle That Lock" - und das im besten Sinne - zu wohlvertraut. Viel mehr geht es ums Reisen an sich, so Gilmours Frau, Schriftstellerin Polly Samson, die für einen Großteil der Lyrics verantwortlich war. Als Inspiration diente Miltons Gedichtepos "Paradise Lost".
"Faces Of Stone" ist baut auf einer Orgelfläche und wenigen verhallten Klaviertönen auf, lässt sich - wie Gilmours Stücke das eben gerne tun - genügend Zeit, wird mit der Zeit zu einer Moll-Ballade im Dreivierteltakt, geht über weite Strecken beinahe als Chanson durch, schwelgt in der Erinnerung, in vergangenen Liebschaften, in zurückgelassenen Ortschaften. Kurz betont etwas, das wie ein Akkordeon klingt, die Einsen im 3/4-Takt, da taucht auch schon wieder Gilmours unverkennbare Solo-Gitarre als kurzes Intermezzo auf. Schöner Track.
Ebenso klavierlastig beginnt "A Boat Lies Waiting", eine dezente Slide-Gitarre kommt dazu, es geht um Atmosphäre, Stimmung, alles lässt sich Zeit, könnte auch ein Instrumental sein, aber nach zweieinhalb Minuten kommen dann ganze Klangschichten von Gilmours Stimme rein, eine melancholische Klangmalerei als Zwischenstück, eine langatmige Introspektion, die dann ins nächste Stück "Dancing Right In Front Of Me" mündet, ein durchwachsenes Stück, das sich mit dem Elternsein beschäftigt.
Immer wieder steht natürlich Gilmours Gitarrengröße im Mittelpunkt, beim Instrumentalstück "Beauty" beispielsweise. Bei "The Girl In Te Yellow Dress", einen Song später, hat Gilmour dann Lust auf Jazz, das Schlagzeug gibt den Swing mit dem Besen und the man himself beweist seine Crooner-Qualitäten, sogar ein gehauchtes Saxophon darf mitspielen, Gilmour singt Sachen wie "This girl gets right down in the groove". Eine kurze, Spaß machende Exkursion, denn schon ein Stück darauf wummern die Synth-Flächen wieder, ein Chor ertönt, fast schon sakral, kurz darauf groovt der Synth als wären es die 1980er.
Und dann? "And Then ...", das zehnte Stück, beschließt das Album. Wieder Gilmours-Sologitarre, wieder episch, wieder melancholisch, wieder symphonisch, wieder dramatisch, wieder Instrumental. Wieder spielt Gilmour seine Asse ganz locker aus, aus dem Handgelenk. Nachdem die E-Gitarre in punkto Solo alles gesagt hat, darf auch die Akustikgitarre noch einmal ran. Die Musik faded aus, es bleibt ein Flackern, ein Knarren, ein Knarzen.
Auf "Rattle That Lock" besinnt sich Gilmour seiner Stärken, führt uns auf bewährte Art durch Klanglandschaften und glänzt mit seiner Vorstellung von Sound und seinem grandiosen Gitarrenspiel um ein Stück mehr als mit Songwriting, an dem es allerdings auch nichts auszusetzen gibt.
9 Kommentare mit 6 Antworten
Wer David Gilmour's Platten bisher mochte, kann hier bedenkenlos zugreifen.
5 Sterne allein wegen dem Sound seiner Stratocaster! Wenn ich den Klang so hinbekommen würde... Der Rest ist Atmosphärisch und, an manchen Stellen, durchaus überraschend. Den Jazz vom "Girl In The Yellow Dress" hätte ich so von Gilmour nicht erwartet! Auch das das Piano relativ häufig zum Einsatz kommt, ist ungewöhnlich. Alles andere ist, wie man es von David Gilmour gewöhnt ist: Am beeindruckendsten ist natürlich seine Arbeit an der Gitarre, wobei man natürlich auch diesmal kein schnelles Gefrickel erwarten darf. Um 16tel macht der Meister einen Bogen Was auch gut ist! Mike Orlando, z.B., möchte ich immer zurufen, dass Geschwindigkeit nicht alles ist!
dass das, natürlich! Ich würde hier gerne editieren können!
und ich würde gerne nach belieben feuer speien können !
Wegen des Sounds seiner Stratocaster...
Im Prinzip eh egal, da der seit gefühlten 300 Jahren absolut gleich klingt. Öde Musik für Leute, die wissen, dass das Beste längst vorbei ist.
Schön, dass Du weißt was ich weiß! Beeindruckend!
Nett, aber nicht mehr. 3/5
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Nächstes Jahr wird David 70 und es ist immer gut seine Gitarre zu hören, nächstes Jahr wäre Freddie ebenfalls 70 geworden und es ist überhaupt nicht gut seine Stimme nicht mehr zu hören. Beide könnten "Alle meine Entchen..." spielen es wäre mir egal und ich wäre froh was von ihnen zu hören. Das ist etwa die Relation .....
Musik vom Hausboot....Gähn....warum besorgt der sich nicht eine Band und spielt Gitarre und hilft die Songs zu veredeln, und singt wie bei Floyd ab und zu...! Gilmour ist Ausnahme-Gitarrist und weder ein guter Lead-Sänger noch ein herausragender Songschreiber! Deshalb hat das ja auch Waters gemacht bei Floyd. Selbst den wesentlichen Gesang. Die Gitarre ist natürlich genial, aber der rest ist nichts, was ich tagelang hören will...3/5 sonst nix...schade...
Kann ich unterstreichen. Das Album hätte entweder einen anderen Sänger/Texter haben sollen oder wäre besser komplett instrumental geblieben.
Bitte nicht.