laut.de-Kritik
Energetischer Hardcore mit Mike Patton in Angriffslaune.
Review von Toni HennigQuerkopf Mike Patton meldet sich mit Dead Cross mit einer neuen All-Star-Truppe zurück. Mit an Bord befindet sich sein Fantômas-Bandkollege Dave Lombardo, Ex-Drummer von Slayer. Gemeinsam mit dem Retox-Gitarristen Michael Crain und ihrem Vokalisten Justin Pearson, der sich hier, genau wie bei The Locust, als Bassist betätigt, legen sie auf ihrem selbstbetitelten Debüt ihre Hardcore-Punk-Wurzeln offen. Dabei stieß der Sänger von Faith No More, Tomahawk und zahlreicher anderer Bands einst nur durch Zufall zu den Südkaliforniern.
Im Opener "Seizure And Desist" soll es nach einem kurzen Fiepen mit der Ruhe auch schon vorbei sein. Danach prügelt Dave Lombardo die Nummer gnadenlos nach vorne, während Mike Patton, beinahe im Sekundentakt wechselnd zwischen Shouting, Gekeife und undefinierbaren Geräuschen, seine enorme Variationsfähigkeit am Mikro fulminant unter Beweis stellt. Sein hymnischer Klargesang sorgt zudem dafür, dass sich dieser Track aller Gnadenlosigkeit zum Trotz im Ohr festbeißt. Nach weniger als drei Minuten setzen droneartige, verstörende Sounds dem Spuk ein Ende.
In den folgenden Songs geht es kaum gezähmter oder gemäßigter zur Sache. Der 49-jährige Stimmakrobat zeigt keinerlei Ermüdungserscheinungen. Erst zum Abschluss von "Obedience School" dringt er mit seinem Gesang in die etwas melodischeren Gefilde von Faith No More vor. In "Idiopathic" hält er zuvor mühelos mit dem Hochgeschwindigkeitsgeknüppel des Schlagzeugers mit. Bei den sägenden Gitarrenriffs von Michael Crain denkt man unweigerlich an die Thrash Metal-Götter von Slayer.
Dennoch leben ausnahmslos alle Nummern von Pattons chaotischer Performance, die sich besonders in "Grave Slave" als äußerst fulminant herausstellt. Seine Inspiration für diese Platte bezieht er aus den Hardcore der mittleren 80er-Jahre. Dank des erdigen Klangbilds von Slipknot-Produzent Ross Robinson fangen Dead Cross die Kompromisslosigkeit dieser Zeit gelungen ein, ohne vorgestrig zu klingen. Vor den Aufnahmen hörte der Tausendsassa überwiegend Bands wie The Accüsed und Siege, erzählte er kürzlich in einem Interview dem Rolling Stone.
Für die Mikrofonfolter war ursrpünglich Gabe Serbian vorgesehen. Mit dem Ex-Drummer von Retox spielten Dead Cross die Platte vor über einem Jahr vollständig ein. Er stieg jedoch aus der Band aus, um sich mehr um seine Tochter kümmern zu können. Seine Musiker blieben, ohnehin mit seiner Leistung unzufrieden, mit dem fertigen Material alleine zurück. Dave Lombardo kontaktierte in der Folge seinem Fantômas-Kollegen Mike Patton, der im Winter 2016 das Line-Up von Dead Cross komplettierte.
Für die Scheibe nahm er nicht nur separat neue Vocals auf, sondern schrieb darüber hinaus noch sämtliche Texte. Lyrisch rechnet er mit Verfehlungen in Politik und Medien ab. Die rohe Aggression des Hardcore steht im Vordergrund und bietet für den Sänger das passende klangliche Fundament, um sich von seiner angriffslustigen Seite zu präsentieren. Doch bei aller Geradlinigkeit durchzieht eine zum Teil recht finstere Atmosphäre das Album.
In der Mitte hört man gar eine Neueinspielung von "Bela Lugosi's Dead". Sie versprüht, wie das Original von Bauhaus aus dem Jahre 1979, wegen der tiefen Intonation von Mike Patton einem unnachahmlichen morbiden Vibe, obwohl sich an der straighten Herangehensweise von Dead Cross musikalisch so gut wie überhaupt nichts ändert. Man fühlt sich dadurch wahrscheinlich eher an Beastmilk statt an klassischen Post-Punk und Deathrock erinnert: eine Seite, die zu dem Vokalakrobaten erstaunlich gut passt.
Seine psychotische Seite offenbart der 49-jährige in dem dynamischen Schlusstrack "Church Of The Motherfuckers". Hier wütet, brüllt, kreischt, schreit und singt er so durchgeknallt wie 2002 auf The Dillinger Escape Plans "Irony Is A Dead Scene"-EP. Das Wechselspiel verschiedener Emotionen beherrscht der Kalifornier also nach wie vor aus dem Stegreif. Immer noch lebt seine Stimme von einer beängstigenden Intensität, die durch Mark und Bein fährt.
Im Grunde genommen kann man sich das selbstbetitelte Debüt von Dead Cross ohne Mike Patton schwer vorstellen. Mit Dave Lombardo und Musikern von Retox braut er gemeinsam ein hochexplosives Hardcore-Punk-Gemisch zusammen, das in seiner Direktheit frühe Vorbilder wie Siege und The Accüsed kaum verleugnet. Jedoch fällt die Musik der südkalifornischen Band wegen der einprägsamen Melodieführung und dem hohen Wiedererkennungswert des Gesanges um Einiges zugänglicher aus. Die Scheibe eignet sich demnach als ein hervorragender Einstieg ins Genre.
2 Kommentare mit 15 Antworten
schönes brett! kurios, wenn man solch derben stoff im vergleich zu moonchild schon als "recht eingängig" bezeichnen muss.
"Die Scheibe eignet sich demnach als ein hervorragender Einstieg ins Genre."
welches genre?
Hardcore-Punk. Wollte es nur rein vom Formellen und Stilistischen her nicht doppelt in einem Absatz schreiben.
Patton hat da ja durchaus seine Wurzeln im Hardcore-Punk und er betont in Interviews ja oft, dass er von Black Flag, Discharge und diesen ganzen Bands halt schon sehr früh beeinflusst wurde. Dead Cross ist sozusagen halt seine Version dieser Musik. Vielleicht führt er dadurch auch die Leute an das Genre heran, die damit noch nicht so vertraut sind.
" Dead Cross ist sozusagen halt seine Version dieser Musik"
da stimme ich dir zu, für typischen hc-punk ists aber teilweise fast schon zu progressiv, dafür sitzt das teil einfach zwischen zu vielen stühlen.
eignet sich also somit imo eher weniger als einstieg ins genre.
4 zähler ist mir auch bissi zuviel, sind 3-4 brauchbare songs drauf, wovon einer dann auch noch ein cover ist.
weiterhin ist das zwar alles schön laut und schnell, aber mir fehlt da die grundaggression, auch wenn sich das jetzt komisch anhört. es kommt halt einfach nicht dieses typische "alles kaputtschlagen" feeling in mir auf
Verstehe ich gut, da durch die Stimme etwas Schrägheit mit rein kommt. Gehe ich auch vielleicht mit, dass das musikalisch gegenüber konventionellen Hardcore-Punk schon eine Nummer progressiver gespielt ist. Trotzdem ist so eine gewisse rotzige Komponente durchaus drin, finde ich.
4 Punkte finde ich angemessen, da es für Patton-Verhältnisse das ordentlichste Material seit Langem ist. Finde aber andere Sachen wie das Moonchild Trio jedoch um Einiges interessanter und kompromissloser.
das es seit langem der brauchbarste patton-output ist mag ja sein, nur rechtfertigt diese tatsache für mich keine 4 punkte, zumal ich auch net wirklich ein großer bewunderer seines künstlerischen schaffens bin. (fnm mal außen vor gelassen, aber da gabs ja auch noch ein paar andere ganz brauchbare musiker, wenn ich mich da recht erinnere )
Moonchild Trio gefällt mir ganz gut bisher, konnte aber kaum Uploads finden? Muss ich da nach was anderem suchen?
Ansonsten, haut Mal ein paar Tipps in die Richtung raus (prog oder nicht sei erstmal egal). Was hört zum Beispiel ein HvW, um nach dem siebten Korn in die "alles kaputtschlagen"-Stimmung zu kommen?
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Sind glaube ich alle unter John Zorns eigenem Namen erschienen.
Zum Kaputtschlagen auch japanischer HC wie S.O.B. super.
dazu brauch ich keine 7 korn, der morgendliche blick aufs weltgeschehen ist da meistens schon zielführend
Deswegen finde ich schon bald keine Kaffeetassen mehr im Schrank.
aber ansosnten halt sowas :
https://www.youtube.com/watch?v=voSHK1bAIN4
https://www.youtube.com/watch?v=8RJ5Cf4Xv8U
https://www.youtube.com/watch?v=Kt1gYAMICpc
https://www.youtube.com/watch?v=telCXBTsj80
https://www.youtube.com/watch?v=x8kkwJQvK4g
https://www.youtube.com/watch?v=KqG_k2CO5Vc
https://www.youtube.com/watch?v=g1bEcgmC3xg
https://www.youtube.com/watch?v=2yToHQ_1h_M
https://www.youtube.com/watch?v=oBz9IkCyznc
https://www.youtube.com/watch?v=DGVACyOYoWA
https://www.youtube.com/watch?v=8RJ5Cf4Xv8U
und, und ,und
Hätteste dir trotz 8. Korn wenigstens noch die Mühe gemacht, die Namen dazu zu schreiben, dann müsste ich mich jetzt nicht durchklicken um zu sehen, was als Ergänzung taugt
solch serviceleistungen nur bis zum fünften korn
Danke für die Links, ein paar habe ich mir schon angehört.