laut.de-Kritik
Tech-House für die Altraver-Afterhour.
Review von Maximilian FritzIm Dritten Raum entstehen für gewöhnlich spannende Sachen, das physische Individuum trifft auf weitere Agent*innen, eine virtuelle, mittel- und unmittelbare Begegnungsebene manifestiert sich. Der Mensch als soziales Wesen, so war es immer, so wird es immer bleiben – glaubt man der Theorie Homi K. Bhabhas. Ein Gemingle im großen Stil, für Jung und Alt.
Es liegt extrem nahe, diese Theorie als Techno-Producer als Pseudonym zu nutzen. Andreas Krüger fährt damit seit Dekaden gut und bringt seinen minimalen, mittelgeschwindigen Techno auf Tonträgern und als Live-Act zusammen mit Ralf Uhrlandt unters Volk. Das Berlin-Brandenburger Festival Nation of Gondwana riefen dessen Gründer ins Leben, weil ihnen zu einem Dritte-Raum-Gig im legendären Eimer der Eintritt verwehrt wurde.
Für Folklore und Glaubwürdigkeit, für einen Wust an Referenzen ist also gesorgt, nicht zuletzt dank des monströsen Werkkörpers, den der Göttinger Krüger in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat. Der neueste Streich, "KOMMIT", dauert satte 90 Minuten und macht alles relativ ähnlich wie bisher.
Festival-Techno mit zarten Melodiebögen ist angesagt, ein Spannungsaufbau nach dem nächsten, hin und wieder mischen sich ätherische Samples wie auf dem Titeltrack in die Stücke. Das klingt nicht neu, dafür aber, das muss man zugeben, gefällig ausproduziert. Und sympathisch anachronistisch, ohne pompöse Stadiongesten wie etwa vom Bremer Stephan Bodzin.
Allerdings kommt man beim Hören der vollen 90 Minuten nicht so recht umhin, sich zu fragen, was wohl auf dem imaginierten zweiten Floor so läuft, die Turnbeutel-Fraktion shufflet vor dem geistigen Auge manisch, schmieriges Speed sickert aus den Hosentaschen. Ein gutes Beispiel für die Tech-House-Fatigue, die dem Album innewohnt, ist "Candy Blue" an dritter Stelle, das so unbedarft und selbstgefällig vor sich hindümpelt, dass es die Hälfte der Spielzeit auch getan hätte.
Klar, im besten Fall münden die ausgedehnten Tracks auf "KOMMIT" beim Vorglühen, besonders aber auf der Afterhour von Altraver*innen, die sich an einem letzten Joint gütlich tun, in einer besserwisserischen Trance, weil alles gefällig düdelt und irgendwie doch schiebt. Leider sind die 2000er aber längst vorbei, das Gras war mal grüner und das Schwelgen in vergangenen Zeiten lässt die Rechnungen im Briefkasten nicht verschwinden.
Solange die Mixtur aus zeitweise ziemlich konkreten Trance-Anleihen, geradeaus programmierten Schunkel-Beats und voraussehbaren Breaks wie auf dem Leadtrack "Gummihammer" aber fürs Stammpublikum funktioniert, sei Dem Dritten Raum der Erfolg vergönnt. Wer beim Ausgehen allerdings das geringste Distinktionsbedürfnis verspürt oder auf Abwechslung steht, zieht sich schleunigst aus der Affäre – niemand hat schließlich gesagt, dass sich das einende Element elektronischer Musik aus stilistischer Nivellierung speist.
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Maximilian Fritz hat sich so viel Mühe mit seiner Rezension gemacht... Hätte er gar nicht müssen! Platte an, Kopfhörer auf und abtauchen in eine andere Welt. Andreas: alles richtig gemacht - deine Mucke geht gut ab.
Andy bester Mann. Die meisten Tracks grooven wie Sau. Anders als zu Wellenbad Zeiten, aber kein bisschen schlechter. Gibt ganz wenige Produzenten die einen so detaillierten Sound, zudem perfekt abgemischt, abliefern.