laut.de-Kritik
Es gibt nur einen Gott - Belafarinrod
Review von Michael SchuhVor 11 Jahren lösten sich Die Ärzte auf dem Höhepunkt ihrer Karriere auf, veröffentlichten eine
3-LP-Livescheibe und prophezeiten der pubertären Gefolgschaft für die anschliessenden Ärzte-losen Jahre die Sintflut. Heute sind Die Ärzte noch berühmter (dank "Männer sind Schweine"), noch besser (dank Endlos-Tourneen), noch schöner (dank Rod) und noch reicher (dank allem zusammen). Zeit für ein Status Quo.
"Wir wollen nur deine Seele" ist wieder ein Mammutprojekt geworden: 45 Songs, knapp 150 Minuten Musik, ein fettes Fotobooklet und - in alter Tradition - eine Bonus-CD mit 40 Minuten Ärzte-üblicher, unter der Gürtellinie angesiedelter Konzertansagen. Da der Tonträger nur 20 Minuten Platz bot, wurde schelmisch die Monotechnik angewendet: zuerst kommt der Quatsch aus der linken Box, danach das Ganze nochmal von rechts. Lustige Ärzte und "value for money".
Alte Lorbeeren lassen sie im Schrank: nur zwölf Songs aus der Prä-Rodrigo-Phase erinnern an alte Funpunk-Zeiten. Die zweite Ärzte-Ära soll hier abgefeiert werden, getreu dem Motto: "Es gibt nur einen Gott - Belafarinrod". Das Material stammt aus verschiedenen Gottesdiensten zwischen 1994 und 1998. Und obwohl es für Die Ärzte spricht, Überschneidungen zur "Sintflut"-Platte zu umgehen, beschleicht einen schon nach wenigen Songs die Gewissheit, nicht mehr mitreden zu können. Ja, man ertappt sich sogar dabei, sehnsüchtig an "Sie kratzt" oder andere Oldies zu denken. Wofür Die Ärzte nichts können.
Neuere Stücke heissen "Meine Freunde" oder "Vermissen Baby" und rocken unerhört, wobei ihnen die sehr gute Aufnahmequalität entgegenkommt. Bela überzeugt in "Der Graf" als Profi-Headphone-Sänger, während der Grund für Rods Gesangserlaubnis ("1/2 Lovesong", "Lady") weiter im Dunkeln schlummert. Beim "Lustigen Astronaut" dirigiert Farin ein ihn vergötterndes Publikum, beim Buttocks-Punkhammer "BGS" wird es plattgewalzt. Ziemlich witzig ist die alte "Elke"-Story geraten, die mit textlichem Neuanstrich 11 Jahre nach der Geburt auch als Single erhältlich ist. Beim Nummer-Eins-Hit "Männer sind Schweine" darf natürlich das Publikum die Strophen gröhlen und die Busters die Bläserparts übernehmen.
Und doch freue ich mich ungeniert der Jugendperlen wie "Kopfhaut" oder "Ich bin reich", deren Haltbarkeit niemals ablaufen wird. Die Ärzte sind immer noch symphatische Jungs, gerade aufgrund ihrer unverhohlenen Selbstironie. Nur gehöre ich nicht zu ihren Jüngern, an die sich dieses Spektakel offensichtlich richtet.
2 Kommentare
Eine Platte, die ich mir seit etwa 10 Jahren immer und immer und immer wieder anhören kann.
uff jeden