laut.de-Kritik
Festhalten, es geht abwärts!
Review von Dominik Lippe"Wir geben Schub, es dröhnt aus beiden Düsen. Schon ziehen die Häuser vorbei, noch ein Kuss und wir heben ab." Die Schlagerpiloten stehen auf der Startbahn. Nach dem Ausstieg von Frank Cordes blicken die verbliebenen Kapitäne auf die bisherigen, überaus erfolgreichen fünf Jahre ihrer Gruppenhistorie zurück. "Das Beste" bewegt sich mit ihrem Sound von der Rummel-Resterampe auf Augenhöhe mit den Amigos. Nur steckt noch eine Spur mehr Leben in ihnen - und jede Menge Irrwitz, wie sie sich zum Einstieg selbst eingestehen: "Wir waren dem Wahnsinn noch nie so nah."
Bereits das Cover versprüht formvollendeten Kolonialherren-Charme. Die Ursprungsformation salutiert linksseitig in ihren weißen Uniformen, während Stefan Peters und Kevin Marx mutmaßlich vor einem pazifischen Inselparadies posieren. "Die Welt liegt uns zu Füßen. Nichts ist daran verkehrt", formulieren sie ihre Ansprüche in "Lass Uns Fliegen" oder "Sei Doch Meine Stewardess": "Ob Bali, Rom, New York, Hawaii - ein Platz für uns ist immer frei." Die Flieger von den "Heartbreak Airlines" machen sich die Welt untertan. "Wir landen, wo wir wollen", denn "Schlagerpiloten ist nichts verboten".
Ihre Reise beginnt in Ostafrika. "Ein geheimnisvolles Land, 1.000 Farben bis zum Horizont", singen sie im Angesicht des "Kilimandscharo". Im tansanischen Liebesrausch schleichen sich auch mal Bongos in den Bums-Schlager. Vor dem inneren Auge erscheint eine betagte Reisegruppe, die gen Äquator fliegt und zum abendlichen Sundowner Die Schlagerpiloten durch die Savanne schallen lässt. Jedes Gericht der Welt würde den einheimischen Reiseleiter freisprechen, der die Touristen sich selbst überlassen hätte, als sich die Löwen in Erwartung eines weidwunden Beutetiers näherten.
Spektakulär fällt "Kilimandscharo" vor allem in Kombination mit dem Musikvideo aus. Zu Stockaufnahmen von Zebras, Giraffen und Elefanten im afrikanischen Grasland tänzeln die verbliebenen Piloten vor dem Green Screen. Die unkompliziert eingebauten Clips lassen sich beliebig durch den Walk of Fame ("California Dream") oder Italien-Impressionen ("Bella Donna") ersetzen. In ihren Videos zu "Aloha", "Blue Hawaii" oder "Sommer-Sonnen-Feeling" frönen sie wiederum der Tradition, zum eiligst gebastelten Kirmes-Beat eine Gitarre zu betatschen, als handele es sich um handgemachte Musik.
"Träumst du dich, genau wie ich, um die ganze Welt? Weit weg von allen Sorgen, dort wo nur die Liebe zählt?", schauen sie in "California Dream" mit neidvollem Blick auf die Krisengebiete des Planeten. Von der US-Westküste ziehen sie weiter für Partyschlager nach Südfrankreich ("Ich Schick Dir Einen Ballon", "Mit Dem Flieger An Die Côte D'Azur"), klimpern Abgeschmacktes in Indonesien ("Die Goldenen Sterne Von Bali") und der Dominikanischen Republik ("Die Sterne Von Santo Domingo") und landen zum Vor- und beim Alpenglühen in der bergischen Hütte ("Ein Riesenherz (Après Ski Mix)").
Die Schlagerpiloten münzen ihr Konzept ganz auf den deutschen Pauschaltouristen, der völlig klischeeerfüllend immer ein paar Fetzen italienisch zur Hand hat. Was Rammstein in "Ausländer" noch pointiert veralberten, setzen die beiden Flugzeugführer mit vollem Ernst in "La Dolce Vita", "Piano Italiano" und "Musik Aus Italia" um. "Zwei Herzen Ein Sirtaki" lässt einen doch noch mal über die Kritik an kultureller Aneignung sinnieren. Und "Nimm Meine Hand Mein Freund" befeuert ungeahnte Verbotsgelüste, wenn sie ihre Jugend besingen, in der sie Winnetou und Old Shatterhand spielten.
"Das kann man so weit ausschlachten das Thema", gaben die Piloten bei Radio Schlagerparadies verräterisch zu Protokoll. Ob sie die Orte wenigstens besucht haben, die sie besingen? "Wir haben das, wenn wir mal in Rente gehen, vor nachzuholen", lachen sie. Bis dahin bleibt ihnen die Fiktion. "Hoch über den Wolken, grenzenlos und gedankenfrei. Der Sonne entgegen - himmelwärts", heißt es in "Lass Uns Fliegen". Dabei entgeht ihnen, dass der Griff nach dem Musikolymp ihre Tonkunst-Triebwerke bei Weitem überfordert. Die Bruchlandung ist unvermeidlich. Also festhalten, es geht abwärts!
9 Kommentare mit 10 Antworten
Sind zwar keine Piloten, tragen aber Uniform, daher unfickbar.
Novelty/Gimmick-Sellout-Schlager! Die Amigos keepen es realer!
Lieder mit Bumsbeat und Geknatter an exotischen Orten als Thema waren früher mal die Kernkompetenz der Flippers.
In Zeiten des Klimawandels natürlich mindestens stark diskussionswürdig.
Ich glaube das Publikum von denen gibt eher keinen Fick auf den Klimawandel.
Wenn nichtmal die Schlagerpiloten selber an den von ihnen besungenen exotischen Orten waren, wird das für das Publikum erst recht gelten.
Für das Geknatter wird ähnliches gelten.
@Dudebro: könnte daran liegen, dass es bisher nichtmal eindeutig bewiesen ist, ob es sowas wie einen "klimawandel" überhaupt gibt
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Ach, das AfD-Institut. Jetzt hast du dich engültig als Überbringer brauner Propaganda entlarvt. Meldung und hoffentlich baldige Löschung.
pfff. habe mit afd nix, aber auch gar nix am hut. bin eher dem sozialdemokratischen lager zugeneigt. schon traurig, dass dir inhaltlich so gar nix weiter dazu einfällt ausser cancel cancel
https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4i…
Bestes deutschsprachiges Rap Album seit Mann Beißt Hund.
Kilimandscharo, Am Airport der Liebe und der Apres Ski Mix von Ein Riesenherz slappen am meisten.
5/5
Gutes Cover. Schlag er die Piloten.
Kilimandscharo? Die Zielgruppe kennt das noch als Kaiser Wilhelm Spitze.
Super Kommentar xD