laut.de-Kritik

Von David Lynch zu "My Sharona".

Review von

Helmut Geier alias DJ Hell gehört zu den dienstältesten DJs auf der großen Techno-Bühne. Das hätte er sich in seiner bayerischen Heimat Altenmarkt, wo er mittlerweile Sponsor des lokalen Fußballvereins ist, auch nicht träumen lassen.

Dort, auf dem Land, hat er sich inzwischen wieder ein Haus gekauft, mit "Clockwork Orange"-Penisstatue und Jagdgewehr lässt er sich dort ablichten. Zudem fährt er einen Ford Mustang und, habe die Ehre, BMW. Man bekommt den Eindruck, Helmut Geier sei ein straighter Typ mit Haltung. Einer, der weiß, was er will. Keine Kompromisse, full throttle. Den Nachfolger von "Teufelswerk" nennt er nun, fast gar nicht megalomanisch, "Zukunftsmusik".

Von der kündete zunächst "I Want U" inklusive einem Video, das eine Hommage an den schwulen Zeichner Tom Of Finland darstellt: Muskel-Posterboys in schnellen Schnitten, dazu der harte "Berghain Stomper" mit Vocoderstimme und Aggro-Synthie. Track und Video gingen eine seltsame Symbiose ein, irgendwann war das eine nicht mehr ohne das andere vorstellbar. Wer glaubte, diese Single gebe eine Marschrichtung für das restliche Album vor, wird enttäuscht.

Bereits die zweite Nummer "Car Car Car" geht zwar natürlich ebenfalls im weitesten Sinne als elektronische Musik durch, verortet sich aber eben eher zwischen Kraftwerk und Cosmic: nicer Sound. Auch der Text, der über die Bedeutung des Auto als solches referiert, wäre im Kraftwerk-Texter-Workshop gut angekommen. Den hohen Ansprüchen, die Hell an alles von Artwork bis Visuals stets betont, anzulegen, will er trotzdem nicht so ganz gerecht werden.

Apropos Visual: In einem Interview mit dem BR ließ der Vintage-Brillen-Liebhaber einst verlautbaren, es sei doch lächerlich plakativ, wenn Visual-Artists bei seinen Sets im Club Bilder von Feuer verwendeten, wegen DJ Hell, und so. Da bringe er doch lieber vorgefertigtes eigenes Material mit, damit das dann auch passt.

Mit dieser Einstellung dann aber einen eigenen Track "Inferno" nennen, mutet doch ein wenig inkonsequent an. Davon losgelöst, bietet das Stück, genau wie "Wir Reiten Durch Die Nacht", deepe Programmmusik mit analogen Synths und John Carpenter-Stimmung. Beide transportieren, nicht nur in ihrem warmen Sound, authentisches 80er Jahre-Feeling "und reißen die Menschen aus dem Schlaf".

"K House" gefällt ebenfalls mit Oldschool-Gefühl und einem Vibe, der wiederum zwischen David Lynch und "My Sharona" changiert. Die Instrumentierung erscheint wirklich gelungen, vor allem die synthetische Orgel und der dramatische Spannungsaufbau fesseln. "Mit Dir" schlägt in eine ähnliche, märchenhaft filmmusikartige Kerbe.

DJ Hell legt insgesamt ein solides Album vor, das sich auch stilistisch Einiges traut. Der Titel wirkt trotz alledem ein wenig zu hoch gegriffen.

Trackliste

  1. 1. Anywhere Anytime
  2. 2. Car Car Car
  3. 3. I Want My Future Back
  4. 4. Army Of Strangers
  5. 5. Wir Reiten Durch Die Nacht
  6. 6. Inferno Part 1
  7. 7. High Priestess Of Hell
  8. 8. Guede
  9. 9. 2 Die 2 Sleep
  10. 10. I Want You
  11. 11. K-House
  12. 12. Inferno Part 2
  13. 13. Wild At Art
  14. 14. Mantra
  15. 15. Mit Dir

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LAUT.DE-PORTRÄT DJ Hell

Er ist eine Institution in der deutschen DJ-Szene. Neben Sven Väth und Monika Kruse wird er jährlich immer wieder in die deutschen DJ-Top-Drei gewählt.

2 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    Zukunftsmusik soll auch die Zukunft der Musik aus dem Blickwinkel elektronischer Musik der 70er/80er usw. betrachten vong Konzept her. Hab aber auch berechtigte Bedenken, dass das hinter dem eigenen Anspruch musikalisch dann doch eher zurückhinkt. Nach dem sehr guten Teufelswerk will ich nun mal keine Enttäuschung erleben. Ein zweites N.Y. Muscle erwarte ich da sicherlich nicht.

  • Vor 7 Jahren

    Bin doch sehr angetan. Die Platte hat sicherlich keine offensichtlichen Banger (bis auf "I Want U"), aber so eine Fülle an Interessenten Sounds und Motiven, dass es mich auch nicht kalt lässt. Ich weiß zwar noch nicht, inwieweit der Spannungsbogen hier aufgeht und ob die einzelnen Tracks sich zu Growern entwickeln, aber andererseits hat uns Hell eine Platte vorgelegt, die den Hörer nicht gleich sofort anspringt und mit der man sich sicherlich eine ganze Weile ziemlich beschäftigen kann.