laut.de-Kritik
Amazorn und Starfucks - finde den Fehler!
Review von Yan VogelDritte Wahl spielen Deutschpunk, allerdings mit Anspruch in Sachen Arrangement und Texte. Musikalisch bleibt das Quartett aus Rostock nicht bei der schnöden Wiederholung der immergleichen drei Akkorde stehen.
Vielmehr flechten Gunnar Schröder und Co. naheliegende Querverweise aus Metal und Hardrock mit ein wie auf "Fabelhafte Voraussetzung" und "Alles Nur Chemie". Die Tex-Mex-Gitarre und Zirkus-Einlage in "Ikarus", die New Wave-Eletronic in "Elektro Merten" oder das Glockenspiel-Intro zu "Was Zur Hölle" bilden die außergewöhnlichen Schlenker ab.
Das reichlich Meeresluft versprühende "Zur See" markiert das Highlight. Die Aufbruchstimmung, die der Track beschreibt, illustriert der Tonartwechsel im Refrain. Mit Blick auf die Melodien kann man gar von Pop sprechen. Natürlich gibt es auch die Live-Granaten, bei denen Musikologen vergeblich nach Tiefgang suchen wie "Ohne Dich" oder "Zusammen".
Der Unterschied zu den Böhsen Hosen und Co. besteht darin, dass die Band nicht krampfhaft versucht, einen auf Kunst zu machen. Vielmehr bleibt die Grundsubstanz aus schnoddriger Haltung erhalten. Die durch den gleichförmigen Sound auf Klangebene bisweilen entstehende Langatmigkeit kontert die Hanse-Kogge mit tollen Texten, die vor Bildern, Wortspielen und sozio-politischen Anspielungen nur so strotzen.
Der Humor reicht von "Nerv nicht, geh in die Wüste Staubsaugen" bis zum "Witz, der beim Lachen im Halse stecken bleibt". Mal Comedy, mal Kabarett, selten plakativ, meist pointiert sitzend. Der Ernst von Ton Steine Scherben tanzt mit der galanten Gossenlyrik von Muff Potter und den Blödel-Barden von Die Ärzte um die Wette.
In "Schöne Frau Mit Geld" dreht Schröder das Klischee von der Frau, die sich durchfüttern lässt um und mimt den Ich-Erzähler, der lange schläft und auf Kosten der hart arbeitenden Gattin auf Kreditkarte shoppen geht. "Elektro Merten" gemahnt an das Lädensterben im Einzelhandel, ein Seitenhieb auf Amazorn und Ketten wie Starfucks. Bei "Wenn Ich Gross Bin" muckt der Dreikäsehoch auf und tanzt durch die Butze.
Nach dem härteren Jubiläums-Brett "10" und dem bewusst mit Skurrilitäten spielenden "Geblitzdingst", melden sich Dritte Wahl in "3D" zurück. Wer aufgrund der raren Live-Aktivitäten in den letzten Monaten wieder auf Tuchfühlung mit Dreck und Schweiß gehen möchte, kann dies mit dem neuen Rundling der Ostseerocker tun. Die der CD beiliegende 3D-Brille hebt das Wesentliche hervor.
6 Kommentare
Kann mir fast nicht vorstellen, dass das wirklich gut sein soll. Kenne sie aber auch nur vom Schlachtrufe BRD Sampler aus peinlichen Pseudowohlstandspunkteenietagen
Dritte Wahl und Anspruch an Texte ist auch so'n richtiger Schenkelklopfer. Musik für 17-jährige Iropunks, die nach 9 Monaten wieder raus sind aus der szene oder 50-jährige, die nicht glauben wollen, dass 77 lange vorbei ist.
Dritte Wahl balancieren Mal wieder herrlich zwischen bekannten Sounds, kleinen Experimenten, Zeitgeistthemen und der richtigen Prise Humor. Die Konzerte sind immer ein bisschen wie "nach Hause kommen". 3D ist mal wieder eine tolle Platte geworden, die sich durch hören lässt ohne dass man die Skip-Taste braucht!
hmm, wird auch beim 2. Hören nicht besser
Schönes Deutschpunk-Album. "Elektro Merten" & "Brennt alles nieder" ragen für mich besonders heraus, den Song "Zusammen" hätte man sich sparen können.
Solides Album. Ist kein Dauerbrenner, aber durchlaufen lassen ohne Skippen geht.