laut.de-Kritik
Techno als zeitloses Versprechen.
Review von Maximilian FritzFür sein Debütalbum hat sich Zak Khutoretsky extrem viel Zeit gelassen. Das liegt wohl zuvorderst daran, dass er sich mehr als DJ denn als Producer begreift und sein Kerngeschäft seit diversen Jahren derart erfolgreich ausübt, dass eigene Tracks als Kickstarter der Karriere und künstlerische Visitenkarte nicht mehr notwendig sind.
Klar, da gab es die EPs auf Ben Klocks Klockworks – mit dabei der Hit "Black Russian" –, Derrick Mays Transmat oder dem eigenen Imprint HUSH, die ab 2009 als Sprungbrett dienten. Die reichten aber mit Leichtigkeit, um sich als DVS1 (merke: "Devious One") im internationalen DJ-Zirkus zu etablieren und sich eine Residency im Berghain zu erspielen.
Die Tracks auf "Beta Sensory Motor Rhythm", das sich auf den ersten Blick wie ein sperriges Konzeptalbum lesen lässt, fügen sich nahtlos in Khutoretskys DJing-Vision ein. Sie sind funktional, stark Loop-orientiert, dennoch vielseitig und gieren nicht nach kurzlebiger Aufmerksamkeit. Sie klingen auf eine bemerkenswerte Art steril, strahlen eine kristalline Kühle ab und wirken mit chirurgischer Präzision orchestriert.
Stilistisch bewegt sich DVS1 dabei zwischen den üblichen Polen Techno und House, wobei Detroit als Bezugsgröße deutlicher in Erscheinung tritt, als das doch weit entfernte Chicago. Khutoretsky selbst wuchs als Sohn russischer Einwanderer im Mittleren Westen der USA in Minneapolis auf, wo er Raves in den Kathedralen amerikanischer Technokultur, leerstehenden Warehouses, organisierte.
Auch dieses Moment lässt sich in "Beta Sensory Motor Rhythm" detektieren. Treibend klingt das Album. Egal ob man den Opener "Alpha-Theta", der nach kurzem Intro mit simuliertem Herzklopfen relativ schnell zur Geradlinigkeit findet, oder das widerborstige "Delta Wave" mit seinen weich tropfenden Hi-Hats als Beweis heranzieht. Danach folgt das grandiose "Inertia", gemixt von Mike Bierbach alias Rødhåd, das eigentlich nichts weiter leistet, als Techno in seiner hypnotischen Urform zu zelebrieren. Kick folgt auf Kick, dazwischen zittern zurückhaltende Hi-Hats, hin und wieder klicken 909-Rimshots. Auf allem macht sich ein Vierklang aus verstimmten Synthesizer-Anschlägen breit.
Dabei begeistert vor allem der saubere Klang der einzelnen Tracks, die sich dem Ohr nicht unbedingt aufdrängen, doch mit stetem Loop den Stein höhlen. Bestes Beispiel dafür – noch vor "Inertia": "Transient Response", erneut gemixt von Rødhåd, fällt keinen Moden anheim, sondern begreift Techno abermals als zeitloses Versprechen. Dieses Album ist nicht nur die erwartete Liebeserklärung an das Genre, sondern ein bedingungsloser Vertrauensbeweis gleichermaßen.
Das gilt natürlich auch für die restlichen Tracks, deren Sezierung sich ebenso lohnt: "Drifting" denkt den Sonnenaufgang mit und hievt sich von Pad zu Pad, "Hypnagogia (It's All In My Mind)" und "The Five Aggregates" arbeiten mit ihren Vocals mehr in Richtung Rausch, ehe mit "Solfäge's Framework" der housigste Track das Album mit positiven Restgefühlen beschließt.
"Beta Sensory Motor Rhythm", das übrigens auf Jeff Mills' Axis Records erscheint, entspringt direkt aus der Ursuppe der elektronischen Clubmusik. Besonders in Zeiten geschlossener Tanzlokalitäten wirkt es damit wie ein trotziges und zugleich wunderschönes Zeichen, das auf bessere Zeiten hoffen lässt.
1 Kommentar mit einer Antwort
Kein Vinyl, keine CD, kein Spotify. Nur aiff oder mp3 finde ich schon ein wenig bescheiden.
Verstehe es auch net. Extreme Nischen-Artists bringen ihre Alben auf CD, LP und MC heraus und wesentlich bekanntere Künstler bringen es nur online raus.