laut.de-Kritik

Kalendersprüche für den Sohnemann.

Review von

Ein Release von Eko Fresh ist seit jeher ein ambivalentes Ereignis. Man glaubt irgendwie schon zu wissen, was einen erwartet, doch Eko überrascht die Hörenden trotzdem immer wieder – positiv wie negativ. Hatte der Vorgänger "Ekscalibur" seine kleinen Highlights, schlägt die neue Platte "Elijah" deutlich in die andere Richtung aus. Der seinem Sohn gewidmete Titel lässt es schon erahnen – uns erwartet Pathos, wirklich viel Pathos. Von der ersten Sekunde unternimmt das Album den Versuch, endlich einen eigenen Pop-Hit zu kreieren, scheitert am Ende aber kläglich an Ekrems eigener ungelenker Art, Melodien zu schreiben.

Die Songs klingen alle nach Resteverwertung der letzten Writing-Sessions für Deutschlands Pop-Welt. Wäre ja auch schade um die ganze Arbeit, dann müssen die von den Sängerinnen und Sängern verschmähten Texte eben für die eigenen Tracks herhalten. Eko wird selten konkret, sondern verliert sich in Kalendersprüchen. Er blickt nicht ausschließlich positiv auf seine Vergangenheit und verschließt "Alte Bänder" lieber im Schrank.

Trotzdem bleibt er natürlich im Herzen der Gleiche und blickt in "Wildnis" auf seine Prime mit den Jungs zurück, als kalte Pizza vom Vortag noch der Standard war, aber nicht gestört hat. Dieser floskelhafte Text hätte 1:1 auch auf einer Mark-Forster-Platte landen können. Dazu ein völlig seelenloser Plastikbeat, und schon ist der möchtegern-deepe Pop-Rap fertig, mit dem sich von Kiel bis Konstanz möglichst jeder Otto irgendwie identifizieren können soll.

Teilweise übernahm Eko gleich ein paar Hooks aus erwähnten Writing-Sessions mit der dritten Reihe der Deutschpop-Ersatzbank. Praktisch, wenn man so gut vernetzt ist, dass dabei noch eigene Songs abfallen. Tim Bendzko und Juli-Frontfrau Eva Briegel kennt er schon aus der gemeinsamen Zeit bei "Sing meinen Song", dazu kommen Tracks mit "Mädchen auf dem Pferd"-Sänger Octavian und wer auch immer Nico Gomez ist. Die obligatorische Kölner Lokalhymne mit Brings und Die Grüngürtelrosen, sowie das Feature mit Langzeit-Homie G-Style dürfen natürlich ebenfalls nicht fehlen. Der Rest kommt mit Ekos schiefen Refrains aus. So sieht pragmatisches Musik-machen aus. Immerhin kann Eko die gesparte (Studio-)Zeit in ein wenig Quality Time mit seinem Sohn investieren. Rap-Features sucht man übrigens vergebens, wirklich ausnahmslos alle Anspielstationen sind auf Kommerz getrimmt und das auf dem 13. Album im 20. Karriere-Jahr.

Auf klassischen Rap mit Competition-Charakter verzichtet Ekrem ebenfalls komplett – vielleicht empfindet er das nicht als passenden Umgang für den achtjährigen Nachwuchs. Dabei hätte der Papa dem Sohnemann so viel zu erzählen und beizubringen von der Kultur, die er ja eigentlich so liebt. So wird der Kölner zum Sido des kleinen Mannes: Er besitzt Promi-Status über die Hip Hop-Szene hinaus, aber nicht in der A-Liga. Er ist eigentlich tief in der Hip Hop-Kultur verwurzelt, hat aber eine Vorliebe für Pop-Melodien. Und er ist bestens vernetzt, wenn es ums Songwriting geht, aber ihm fehlt das Gespür für die eigenen Charthits.

Ein wenig kann Eko einem schon leid tun. Er konnte sich noch nie so richtig zwischen Mainstream und Real Rap entscheiden, weshalb er sich zwar eine langlebige Karriere aufgebaut hat, ihm aber nie der ganz große Wurf gelungen ist. Es gibt wenig Künstler, denen so viel verschenktes Talent innewohnt. Guckt man sich seine meistgeklickten Songs auf Spotify an, ist kaum nachvollziehbar, wieso er sich nicht auf seine offensichtlichen Stärken konzentriert, anstatt krampfhaft zu versuchen, einen klassischen Mainstream-Hit zu landen.

Gleichzeitig wirkt er wie ein grundsympathischer Kerl, der in seinem Karriere-Herbst noch mal einen zweiten Frühling erleben möchte, wie es Ex-Kumpel Kool Savas vorgemacht hat. Dafür fehlt ihm jedoch die Lockerheit, er sollte lieber den Fokus auf seine dritte große Liebe Hip Hop legen und weniger auf möglichst umfangreiches Radio-Airplay.

Trackliste

  1. 1. Neues Blatt Papier
  2. 2. Alte Bänder feat. Nico Gomez
  3. 3. Wildnis
  4. 4. DNA feat. G-Style
  5. 5. Nation
  6. 6. Kerzenlicht
  7. 7. Bunte Brücke feat. Brings & Die Grüngürtelrosen
  8. 8. Lieb mich auch
  9. 9. Aquarium feat. Octavian
  10. 10. Elijah
  11. 11. 1000 Träume feat. Tim Bendzko
  12. 12. Puzzleteil feat. equal

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11 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 2 Monaten

    Das ein Eko Fresh, der mit Von der Skyline zum Bordstein zurück Geschichte geschrieben hat, sich so etwas bieten lassen muss :(

  • Vor 2 Monaten

    „Ein wenig kann Eko einem schon leid tun. Er konnte sich noch nie so richtig zwischen Mainstream und Real Rap entscheiden, weshalb er sich zwar eine langlebige Karriere aufgebaut hat, ihm aber nie der ganz große Wurf gelungen ist.“

    Nachdem ich diesen „Sing meinen Song“-Sampler gehört habe, würde ich sagen, dass er sich auf den Mainstream konzentrieren sollte. Singen kann er ganz passabel und die Rap-Kollabos mit Bushido und Konsorten aus den späten Nullern wirken heute ziemlich cringe.
    EKO ist halt einfach mehr so der grundsympathische Typ mit Haltung, also kann er auch Giesinger/Bendzko/Oerding-Musik mit Message machen.