laut.de-Kritik
Die Selbstsuche offenbart nur die eigenen Privilegien.
Review von Dominik LippeElmäx steht für gehaltvollen Rap, der das Verdickungsmittel für die wässrige Pampe liefert, die Deutschrap oftmals darstellt. Als Teil des Duos Der Plot beleuchtete er zuletzt mit dem gelungenen "Biedermann & Brandstifter" aktuelle Debatten und politische Strömungen. Auf seinem ersten Soloalbum verfolgt der Rapper nun einen persönlicheren, durchaus gereiften Ansatz. Wenn er in "Kugelmensch" laut über das Wesen der Liebe grübelt oder in "Fender Gitarre" in der Melancholie eines endenden Sommertags schwelgt, ähnelt "NAÏVE" aber zugleich auch einem Coming-of-Age-Film.
Mit Funk-Einschlag und einem sympathischen Gruß aus dem Fenster zum Hof steigt Elmäx in "Kleiner Fischi" sowohl mit einer Selbstbeschreibung als auch –verortung ein. Gestartet als großgewachsener kräftiger Mann, der in der Jugend sportlichen Respekt erwarb, findet er sich nun in der brotlosen Kunst wieder – mit dem Rücken zur Wand und zum Erfolg verdammt: "Für mich gibt es keine Alternative." Das macht die chronische Erfolglosigkeit des klein gebliebenen Künstlers ein gutes Stück bedrohlicher: "Stand mit CDs auf der Straße, bis sie zu mir sagten: 'Ey, geh' mal bitte von hier runter'."
Besonders schmerzhaft fühlt es sich an, "immer noch kein Standing" zu haben, wenn sich der Rapper in "Sugarman" mit den ungleich größeren Namen der Kunst vergleicht. "Schon mit elf Jahren schrieb Bob Dylan seinen zweiten Text, und ich lieg' immer noch bis drei in meinem Bett", erzählt Elmäx in fatalistischer Ruhe zur Gitarrenbegleitung. Da bleibt ihm nur übrig, sich daran zu trösten, dass Goethe den "Faust" erst mit knapp 60 Jahren zu Papier gebracht hat. Und auch Charles Bukowski hat unter Startschwierigkeiten gelitten: "Durch ihn konnt' ich das Losertum romantisieren."
Schwärmerisch gestalten sich auch seine Selbstfindungstrips in der Ferne, etwa in "Barcelona". Während sich Elmäx "spazieren ohne Ziel" auf die Fahne schreibt, schlendert das Instrumental von Cop Dickie gedankenversunken neben ihm an der Mittelmeerküste entlang. "Barcelona ist toll. Ich war schon viermal da. Da gibt es Sonne, Strand, Kultur und ganz viele Bars", referiert er mit nüchterner Betonung, anstatt Weltbürgertum zu heucheln: "Wir sind ein Klischee, aber fühlt sich ganz gut an." Pimf, der andere Reisende aus der "Windy City", schaut in "Geh Noch Nicht" vorbei.
Noch weiter in die Fremde zieht es ihn in "Plankton": "Komm' mir vor als wär' ich nackt, trage nur den deutschen Pass und die Seiten voller Stempel." Elmäx lässt sich fast bis zur Selbstauflösung treiben, während Halleffekte seine Isolation betonen. "Was soll nur aus ihm werden? Wär' er doch mal Anwalt wie sein Vater geworden", erklärt er die Erwartungshaltung seines Umfelds spiegelnd, von der er auf seiner Reise Abstand nimmt, um innere Ruhe zu finden: "Hab' keine überreizten Nerven mehr, kein Auge, das mehr zuckt."
Wenn Elmäx in "Eisscholle" aber noch immer umhertreibt, kippt die unendliche Leichtigkeit des Seins in Richtung eines unanständigen Elitenprojekts: "Keine Ahnung, was ich gerade kompensiere. Doch ich treib' auf einer Scholle Richtung Nichts – what a feeling." Die uferlose Selbstsuche muss sich der Künstler ebenso leisten können wie die romantische Überhöhung des Musikerlebens in "Fender Gitarre": "Die besten Jahre unseres Lebens ziehen so an uns vorbei, als wären sie gar nicht da gewesen. Die einzige Konstante, die mir in den Jahren blieb – große Überraschung – ist die Musik."
Der Pressetext bringt es auf den Punkt, wenn er für "NAÏVE" eine "Mischung aus kindlicher Naivität und tiefen Gedankenmeeren" verspricht. Mit demonstrativer Ziellosigkeit trägt der Rapper seine privilegierte Haltung bis zum Schluss vor sich her. "Ich weiß ja auch nicht weiter. Wir sind tausend Mal gescheitert." Spätestens wenn er seine Heldenreise mit diesen Worten in "Yo Darkness" zum Abschluss bringt, wächst der Wunsch nach der zupackenden Art der pragmatischen Straßenrapper, denen für Elmäx' Umstandskrämerei ebenso das Verständnis fehlt wie Geld und Geduld.
5 Kommentare mit 2 Antworten
Und morgens Aronal.
(Ich bitte vielmals um Entschuldigung das ich manchmal nicht anders kann)
Und falls es wieder erwarten doch Musik sein sollte selbstverständlich: ungerhört weil unhörbar 0/5
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Irgendwie erscheint er mir u.a. ziemlich von Banjo inspiriert zu sein, Betonung etc. Fügt dem aber nix Eigenes hinzu, was mich catchen würde. Beats sind leider auch zu öde. Ist mir aber grundlos sympathisch, machste nix.
Finde es echt schade, dass ich mit den Solo-Projekten von den Plot-Jungs bisher nie sonderlich viel anfangen konnte. Die gemeinsamen Alben sind großartig, aber alles andere catcht mich einfach nicht so.
Banale Texte und Langweilige Produktionen. Trotzdem um Welten besser als die "zupackenden und pragmatischen Straßenrapper" , die Lippe in seiner privilegierten Musikkritikerhaltung verfehlt wahrzunehmen versucht.
Zusammen solo sind die beiden irgendwie ein kompletter Anti-Deutschrap-Rapper. Der eine woke und wortgewandt, der andere traurig und true. Als Plot liefern sie dann wieder Kunstwerke am Puls der Zeit. Muss man nicht mögen, aber kann man immer mal wieder hören.