laut.de-Kritik
Auf der Reise um die Welt, auf der Reise zu sich selbst.
Review von Dominik Lippe"Ich war noch nie in einem fremden Land", bekennt Pimf im "Intro" seiner EP "Windy City". Mit den musikalisch positiven Vibes eines neuen Morgens begibt er sich auf einen Trip, der sich ebenso als Reise um die Welt wie als Reise zu sich selbst erweist. Die eine führt ihn nach Chicago, der titelgebenden Windy City, die andere zu reflektierten Betrachtungen über die ambivalenten Begleiterscheinungen einer Hip Hop-Karriere ("Ich hab' so viel erlebt und verkackt mit Musik.").
"Kein Ziel vor Augen, aber ja, ich dreh' mich gern' im Kreis." Ähnlich wie ERRdeKa auf "Solo" legt Pimf am Fallbeispiel seiner selbst die brüchigen Lebensmodelle der Millennials dar. Bei der Auswahl zwischen Traumjob und Versklavung legt sich der ehemalige VBT-Teilnehmer fest: "Lieber in den Gullydeckel fallen, als ein Leben lang im Entengang." Doch unabhängig davon, welchen Weg er einschlägt, erweisen sich die blüm'schen Sicherheiten der alten Bundesrepublik als völlig illusorisch: "Keine Ahnung, wer mir später meine Rente bezahlt."
Naturgemäß leidet dadurch das außerhalb seiner Reichweite liegende und hierzulande so bedeutende Sicherheitsgefühl. An dessen Stelle treten Zukunftsängste, die sich wegen des unsteten Musiker-Daseins potenzieren: "Die meiste Zeit von Ängsten geplagt. Und Timo zahlt die Miete vom Nebenjob im Getränkemarkt. Ich wohn' noch zuhause, damit das geht. Zwei Freunde angetrieben, von dem Traum, der uns trägt." Dem Vorwurf der ignoranten Traumtänzerei entgeht Pimf durch seine dauerpräsenten Selbstzweifel: "Manche geben mir Respekt. Die meisten Leute halten mich für 'n Depp. Sie sagen 'Such dir mal ein' Job', und vielleicht haben sie Recht."
"Mein Leben ist ein Beat und es läuft im Loop." Das Motiv der sich stetig wiederholenden westworldschen Handlungsschleifen charakterisiert ebenso den Alltag wie die handelsübliche Hip Hop-Produktion. Während "Wicker Park" den Hörer mit jazzigem Boom Bap und Sprachsamples zwischen Dilated Peoples und A Tribe Called Quest begrüßt, dreht Pimf mit seinem einzigen Gast Jephza "völlig auf entspannt" seine Runden "Im Loop". Die gemächliche Piano-Sequenz von "Windy City" korrespondiert unterdessen mit seinem im Plauderton gehaltenen Vortrag, den er beim ziellosen Umherstreifen durch die Häuserschluchten der Chicagoer Großstadt zum Besten zu geben scheint.
Ein weiterer Kreislauf schließt sich in "Weiß Auf Schwarz", wenn ihn seine weite Reise wieder zu seinem Ausgangspunkt führt: "Und jetzt war ich in Philadelphia, ich war in Windy City, Shit, ich lief den Jakobsweg und kehrte dann zurück dahin, wo klar ist, was gerade geht." Zwischen Frei.Wild-Anhängern, AfD-Wählern und "Kreisklassenfußballer", die sich wie "Superstars" fühlen, beschreibt er das unglamouröse Kleinstadtleben mit all seinen Entbehrungen. "Abwechslung ist rar gesät", stellt Pimf betrübt fest und unterlegt dies mit einem adäquat spannungsarmen Instrumental.
Anstelle eines Ausblicks nutzt der Lagunenstyles-Rapper das abschließende "Outro" zum nostalgischen Rückblick. Pimf könnte seine Unwissenheit darüber, wohin die Reise geht, kaum besser verdeutlichen. Wenn sich die hiesigen Rap-Aficionados dieser Tage auf Neuveröffentlichung à la Schwesta Ewas "Aywa" freuen, mag das zwar durchaus legitim erscheinen, mit der Lebensrealität der Standard-Hörerschaft überschneiden sich die Geschichten aus der Parallelgesellschaft jedoch herzlich wenig. Solange Pimf also echtes Identifikationspotential liefert, soll er ruhig weiter seine Kreisbewegungen vollführen.
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