laut.de-Kritik

Der Punchline-Schlumpf hat Angst vor der Gegenwart.

Review von

"Entweder mein bestes oder letztes Album", eröffnet Farid Bang großspurig. Wir begrüßen also im Rahmen von "Asphalt Massaka 4" recht herzlich zur Karriere-Ende-Rückschau: Farid Bang, was hat der nun eigentlich zur Szene beigetragen?

Mit etwas Distanz: eigentlich gar nicht so viel. Er war oft zur rechten Zeit am rechten Ort und hat relevanteren Artists als künstlerisch unbedrohlicher Junior-Partner mit Assi-Credibility ausgeholfen. Seinen Charme und Humor spielte er meistens für Social Media, manchmal für Kollaborationen und selten für Solo-Musik aus. So wurde er statt zu einem vielschichtigen Typen, der etwas zu erzählen hat, zu einem Punchline-Schlumpf, der seit nun mehr über einem Jahrzehnt der beachtlich nutzlosen Aufgabe hinterherrennt, Rap wieder hart zu machen.

Ebenfalls läuft er seiner eigenen Form hinterher. Sein neues Tape "Asphalt Massaka 4" hat nichts mehr von dem, das ihn irgendwann einmal interessant gemacht hat. Es ist nicht klug, nicht charmant, es ist nicht einmal schockierend oder asozial. Es ist ein holpriges, musikalisch nichtssagendes Stück "Alter Mann schreit Wolke an". 

Dabei sagt er ja selbst im opulent überzüchteten Chor-Intro, ein Track vor dem opulent überzüchteten Chor aus dem zweitem Track (nicht zu verwechseln mit dem opulent überzüchteten Synth im dritten Track), dass es ihm darum geht, mal wieder alle zu dissen, und es ist ja, wie immer, ein guter Zeitpunkt, um den Leuten in der Deutschrap-Nation links und rechts auf den Deckel zu geben. Gründe gäbe es ausreichend.

Leider klingen Farids Fronts wie gewürfelt. Nicht nur, weil sie unkreativ sind, sondern weil es sich auch zutiefst wahllos anfühlt, gegen wen er da schießt. Shindy oder 187, das hat ja immerhin ein bisschen Basis, aber sonst? Das klingt wirklich, als würde er das Deutschrap-Wiki auf "zufällige Seite" neu laden und aufs Beste hoffen. Was hat er denn zu kacken mit T-Low, Art oder Nina Chuba? Warte, ich will auch: Mein Zufalls-Algorithmus sagt, als nächstes disst er ... klick: Ahzumjot! Klick: Nico Santos! Klick: Gentleman! ... oh? Tut er? Mehrmals?! Warum?

Wer weiß. Aber wenn ihm schon kein Gegner zu abgedroschen oder random erscheint, hat er doch sicher als alter Battle-Rapper absolutes Feuer für all diese Leute, oder? Hören wir uns ein paar Lines an! "Meine Gun unterm Gürtel wie Han Solo / Hallelujah, lebe Marokko, ficke Alligatoah und Carlo Cro." "Shindy, ich trag' Uhren, die mehr als dein Auto kosten." "Gentleman der Nutten, seine Pop-Gesänge / Sind nur Fotzen-Texte wie Kochrezepte." "Ich begrüß' Ahzumjot mit 'nem Schlag zum Kopf." Weil's so schön war, gleich nochmal die letzten beiden: "Ficke die Mutter von Gentleman und man findet ihre Lеiche im Park, ah / Und weil ich Bock hab', ficke ich danach noch diе Mutter der Kinder von Ahzumjot."

Mein Gott. Wenn er sich dann logischerweise am Ende über Cancel Culture beschwert, muss man entgegenhalten: Digger, das hier ist viel zu langweilig, um es canceln zu wollen. Besonders Shindy lebt gerade mietfrei in seinem Kopf, logisch, immerhin hat der Kerl ihm und Kollegah mit "Free Spirit" in ihrer eigenen Punchline-Disziplin ziemlich peinlich aufs Maul gegeben. Quasi auf jedem Song gibt es deswegen eine Shindy-Line. Jede einzelne ist schlecht. Er hätte daraus auch einen Disstrack machen und ihn "100 Fillerbars" nennen können. 

Es bleibt überaus fraglich, ob Leute immer noch wie 2013 dasitzen und mit infantiler Freude aufzählen, wen Farid Bang alles gedisst hat. Die Punches sind nicht nur wahllos, sie sind beschissen. Wir alle wissen, dass solche Musik, wenn sonst schon nichts, normalerweise eigentlich unterhaltsam sein kann. Aber die aktuelle Kreativität Farids ist damit erschöpft, dass er statt Müttern ab und an auch eine Oma fickt. Gähn!

Es gab eine Textstelle, die ich halbwegs lustig fand. Das war die, in der er mit Knarre reinstürmt, während Ufo361 zusammen mit Rammstein und Echsenmenschen gerade den Teufel anbetet. Ich würde gern mit mehr Gewissheit sagen, dass er das auch witzig gemeint hat, aber immerhin war das so etwas wie eine Szene, die er da gezeichnet hat. Ansonsten hat dieses Album nichts zu bieten außer Farid, wie er dasteht und man ihm beim Denken zuhören kann, welche Rapper es nochmal gab. Er disst Leute, gegen die er nichts in der Hand hat, nicht einmal glaubwürdige Wut. Er ist nicht nur nicht in Form, er ist verkrampft, zur Selbst-Parodie verkommen, eindimensional und schmerzhaft out of touch. 

Würde man dieses Album also nur für die Musik hören? Herrgott, nein. Wenn Farid Bang auf eine Legacy zurückgucken kann, dann nur auf die, dass er zusammen mit Kollegah den Goldstandard für qualvoll ungroovende Anti-Musik gesetzt hat, die leider immer noch vielerorts vorrangig mit Deutschrap assoziiert wird. Es ist dieser pseudo-epische Action-Film-Musik-Nonsens, der denkt, er gehöre zu "Rocky" oder "Creed", aber offensichtlich besser zu einem 2000er-Direct to DVD-CGI-Monstrum passt, in dem Aliens die USA angreifen.

Das einzige Ziel dieser Musik ist es, laut und aggro genug zu klingen, dass es im Gym einen Nerv trifft. Aber Musik mit diesem Ziel gibt es so oft und in so viel besser. Es schmerzt mich, das zu sagen, aber rein musikalisch wäre selbst Kontra K hier eine Alternative, die gegen dieses Gestümper geradezu feinsinnig erscheint.

Farids Flow klingt ebenfalls nicht gut: Die Reimketten machen ihn hölzern, der Delivery fehlt Lockerheit, schon im Intro stolpert er ein paar mal schmerzhaft. An jeder musikalischen Ecke zeichnet sich ein Bild davon, dass Rap einfach inzwischen weiter als das hier ist. Nostalgie ist fehl am Platz. 

Aber genau die ist der eine Hoffnungsschimmer für Farid: Es gibt nämlich genug Pappnasen da draußen, die ebenfalls in tiefer Angst vor Veränderung leben, die "JBG2" am Peak ihrer leicht zu beeindruckenden Teenie-Zeit getroffen hat und die dann 2013 bis 2014 ein bisschen öfter ins McFit gegangen sind. Denen rechnet Farid jetzt vor, dass Rap heute beschissen und verweichlicht sei, moniert, dass Rapper heute Nagellack tragen und sogar Frauen sich erdreisten würden, zu rappen.

Irgendwann muss man diesem Mann einfach die Ironie-Ebene aberkennen. Zumindest jetzt, wo er immer weiter in das künstlerische Äquivalent zu einem RapUpdate-Kommentar dissoziiert. Da ist nichts Kreatives, nichts Witziges, nichts Charmantes. Da ist der alternde, überholte Onkel Farid, der Angst vor der Gegenwart hat. Dieses Album ist nichts anderes als ein Typ, der in der "Call of Duty"-Lobby, dreimal am Stück Kopfschuss kassiert hat und jetzt anfängt, sehr viel "****" in den Chat zu tippen. "Bestes oder letztes Album"? Man kann nur hoffen.

Trackliste

  1. 1. Allein Gegen Alle
  2. 2. Brutalität
  3. 3. Massaka
  4. 4. Ohne Rücken
  5. 5. Punisher
  6. 6. Kuzzis
  7. 7. Elektroschock
  8. 8. Glock
  9. 9. Godfather
  10. 10. Jemand
  11. 11. Gangster Hin Gansterrap Her
  12. 12. Hands Up
  13. 13. Anabolika
  14. 14. Many Men
  15. 15. Asphalt Massaka 4

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