laut.de-Kritik
Als Sänger zweitklassig, als Rapper souverän.
Review von Philipp GässleinDer Trend steht fest: Während Bad Boys mit Berettas langsam in Berliner Hinterhöfen verbluten, übernimmt der White Trash das Ruder im Deutschrap - unbewaffnet, von einer spitzen Zunge und einer Wagenladung Antidepressiva mal abgesehen. Kein Grund für Fav also, irgendetwas an seinem Style zu ändern. Im Rennen um den Titel des deutschen Eminem ist er derzeit sicherlich der aussichtsreichste Anwärter.
Und so scheißt der Junge auch nach der Metamorphose vom "Harlekin" zum "Anarcho" weiterhin brav auf alles und jeden, als sei sein Schließmuskel am Arsch. Allerdings kennt er die Schmerzgrenze seiner Hörer und überschreitet sie nur sporadisch und pointiert. Er schießt seine Punchlines dorthin, wo es weh tut - und die, bei denen sich diese Bereiche nur unterhalb der Gürtellinie befinden, verarscht er konsequent wegen geringer Penisgröße.
Mir ist es offen gestanden schleierhaft, wie man 20 Tracks lang rappen und dabei so dermaßen wenig erzählen kann wie Favorite. Aber er tut es auf wahnsitzige Weise - stets on point, stets vollkommen locker und in puncto Punchlines definitiv nicht im Schatten seines Labelhomies Kollegah. Während dem jedoch manch einer Monotonie vorwirft, ist Favorites Style eine einzige Variation.
Dies wird - ein klarer Fortschritt zum Erstling - durch Vielseitigkeit bei den Instrumentals deutlich unterstrichen. "Selfmade G" und "Was Willst Du" lassen Kollegahs Zuhältertape-Feeling neu aufleben, und auch dass Fave auf einen gimmickfreien Soulbeat wie "Auszeit" so gut funktioniert, hätte ich noch vor einem Monat nicht vorbehaltlos unterschrieben. Trotzdem stechen ansonsten nur die Singles "Anarcho Rap" und "Ich Vermiss Euch" prägnant hervor - aus einem Gesamtfundus, der aufgrund der enormen Synthielastigkeit erneut schwer verdaulich ist.
So gern ich dem Selfmade-Rapper auch zuhöre, "Anarcho" ist eine Stufe zu viel: Zu viele Tracks, die sich nichtssagend und lückenfüllend besser auf einem Mixtape gemacht hätten. Des weiteren zu viele Featuregäste, zumal Savas sich lediglich unmotiviert selbst verherrlicht und ich mich bei Hollywood Hanks Zeile "und euch gottverdammten Schwulen vergeht das boshafte Getue" schon frage, ob der Schuss nicht gegen Favs Kollegahs gerichtet ist.
Und, zu guter Letzt: Zu viel Gesang. Nein, was sage ich: Viel zu viel Gesang. Wieso meint eigentlich jedes deutsche Raptalent, es müsse Fiddy-Style mit Popsingsang vermählen, obwohl schon dessen Gesang stellenweise unerträglich nervt? Nichts gegen das oft zitierte Instrument Stimme, aber es muss eben auch passen - andernfalls hat man zwar bald "30 Nutten am Sack", aber keine Rapheads mehr vor der Bühne. Kaum zu glauben, welches Talent da verloren ginge.
Denn Fav - obgleich ein zweitklassiger Sänger - hat sich vom Rookie zum souveränen Rapper gemausert, und auch wenn "Anarcho" keine hohe Halbwertszeit hat, so unterstreicht das Album diesen neuen Status doch mit dickem Marker. Das Gesamtprodukt Selfmade funktioniert offensichtlich: Die deutsche Rapszene 2008 ist ohne das kleine Indielabel nicht mehr denkbar.
74 Kommentare
Release Date: 02.05
snippet hier: http://www.selfmade-records.de/snippet/fav…
tönt ganz nett
danke, ist bestimmt geil, gleich mal lauschen
Das Album gefällt mir durchaus. So habe ich mich mal wieder zu einer Review hinreißen lassen, die Sie hier (http://herrmerkt.blogspot.com/2008/05/favo…) lesen können.
Hab ich gerade entdeckt:
http://www.youtube.com/watch?v=R75vyjg4BSs
(Kannte ich noch nicht...)
alter ich find das ding einfach nur saugeil, bin nur leider jetzt erst zum anhören gekommen bestes deutsch-rap-album seit langem!
boah, langsam kotzt es mich an. in letzter zeit entdeck ich immer und immer öfter deutschrap für mich zurück. was mich früher mit haus und boot so geflasht hat, hat mich kurz darauf nicht mehr begeistert und ich hab jahrelang nur metal gehört (nich lachen! ). zum album: geil, aber überhört. sicherlich eine der am meistgehörten platten 08.