laut.de-Kritik
Grandios gestartet - derbe auf dem Bauch gelandet.
Review von Andreas DittmannEines muss man Fiddler's Green wirklich zu Gute halten. Sie gehören seit mehr als 20 Jahren zur Speerspitze der deutschen Irishfolk-Rock-Bands. Und wenn der Titeltrack zur neuen Scheibe aus den Boxen schmettert, möchte man sagen: Völlig zu Recht! Der Song macht Hoffnung auf ein großartiges Album.
Aus dem Morgennebel rollen Trommeln an, düster und nervös streicht der Bogen über die Geige, E-Gitarre zerfetzt die Schwaden und macht Platz für den Gesang. Der raunt erst verstohlen hinter der Ecke hervor, holt dann gemeinsam mit den Instrumenten tief Luft, um die Widder vom Cover auf den Hörer loszulassen. Bäm! Was für ein Folkbrett. Die Fiddle rastet komplett aus, spielt sich um Kopf und Kragen, die E-Gitarre bratzt.
"P Stands For Paddy" ist zwar schneller Folkrock-Standard, macht aber gut Laune. Die Biergläser schwappen über, so langsam aber sicher springen alle auf die Tische, tanzen im Off-Beat und im Punk-Rhythmus. Bei "Country Of Plenty" gehts feucht-fröhlich nach dem gleichen Schema weiter. Spätestens ab "Fields Of Green / Nie Zu Spät" macht sich aber Ernüchterung breit. Geht das jetzt immer so weiter?
Der vorläufige Tiefpunkt ist erreicht. Für die Textzeile "Mal sind wir down, mal sind wir top, you'll never make us stop" gehört der Band definitiv ins Guinness gepisst. Englisch und deutsch innerhalb eines Songs, und vor allem eines Satzes zu mischen, gehört verboten und mit Mikrofonentzug bestraft! Wenn es wenigstens nicht so vorhersehbar gereimt wäre. "Mal sind wir top, mal sind wir Flop." Ganz klar Letzteres.
Mit "Irish Rover" und "Dirty Old Town" sind zu allem Überfluss auch noch zwei Traditionals dabei. Mal im Ernst Jungs, war das wirklich notwendig? Ich weiß, ihr macht das gerne, und die Songs sind ja auch klasse - im Original. Aber sie wurden genau so schon von jeder Irishfolk-Rock-Band gespielt: E-Gitarre angeschlossen, Punk-Schlagzeug und derbe die Geschwindigkeit anziehen. Ein Verse dann nur mit Drums und Bass, kurz vor Ende langsam werden, nur um dann wieder loszuballern. Fertig. Gähn. Live spaßig, aber auf Platte? Braucht kein Mensch.
Der Rest der "Wall Of Folk" sind entweder ruhige Balladen (schön, weil tolle Melodien) oder schnelle Folkpunk-Knaller. Von unspektakulär und langweilig ("Scolding Wife" oder "Greens And Fellows") bis unterhaltsam ("Victor And His Demons"). "Tamlin" ist im Grunde wieder nur ein instrumentelles Traditional auf Rock gebürstet. Aber immerhin gut gemacht.
Ihr lange Geschichte und die Vorreiterrolle für deutsche Bands in allen Ehren, aber "Wall Of Folk" reist über Boxen zu wenig. Wie kreativer und spannender Folkrock mit Punkattitüde funktioniert, haben Flogging Molly mit "Speed Of Darkness" oder mit "Float" bewiesen.
Die Fiddlers liefern ein stellenweise recht spaßiges Album ab, dass live wie Sau zünden wird. Auf Platte bleiben die Stücke aber zu unspektakulär, vorhersehbar und zu ähnlich.
1 Kommentar
Stimme zu 100% mit der Rezension überein!
Bei "Drive Me Mad" hat es noch Spaß gemacht weil es neu war, bei "Sports Day at..." war es schon nichts neues mehr und jetzt ist es komplett breit getreten...
Wenn man die Dropkick Murphys Version von Irish Rover mit der von den Fiddler's vergleicht ist der Gesang der einzige Unterschied, und der kommt bei den Murphys definitiv rotziger und damit besser rüber...
Schade, aber ich hoffe live sind sie immernoch so gut wie zu den "Drive Me Mad"-Zeiten...