laut.de-Kritik
Der Erfinder der Growls in Bestform.
Review von Ulf Kubanke"No more searching for the way now / I'll be here; waiting for you! ruft Carl McCoy den euphorisierten Massen zu. Sein ungebrochen hypnotischer Blick - mal Raubtier, dann wieder Schamane - scheint den Moment einzufrieren. Na endlich! Mr Nephilim kehrt zurück, im richtigen Rahmen und voller "Sumerland"-Magie.
Als ich die Band 1988 im Bremen erstmals live sah, traten sie noch in der auf ewig verehrten Originalbesetzung auf. Wenn ein Vierteljahrhundert später dann lediglich der Frontmann überbleibt, ist Skepsis geboten. Umso beeindruckender, wie dezent modernisiert McCoy mittels Sound und Optik ein nahezu identisches Charisma zelebriert.
Die Titelwahl "Ceremonies" ist beileibe keine Übertreibung. Atmosphärisch passend musste es für diese Aufzeichnung eine Halle sein. Die Festivalgigs im vergangenen Jahr waren lediglich ein gut gemeintes Placebo. Doch die echte Fields-Aura mag sich im Freien nie so recht einstellen. Da stellt das noble Londoner Shepherds Bush Empire natürlich ein ganz anderes Gothenpflaster dar: Zwei komplette Shows präsentiert der eigenwillige Brite auf insgesamt drei Scheiben, davon eine DVD.
Ab der ersten Sekunde ("Shroud") versprühen FON ein dramaturgisch perfekt gezirkeltes Spektakel zwischen Spaghettiwestern und Absinth trunkenem Zombieprediger. Besonders beeindruckend: die ausgeklügelte Lightshow. Eine sinnliche Visualisierung der Nebelkrähen ist alles andere als einfach in dieser konstanten Trockeneisorgie.
Wer dieses Element auf den CDs zu Recht vermisst, darf sich dort mit exklusiven Songs wie "Harmonica Man" oder "Preacher Man" trösten. Das ineinander verzahnte Doppelpack ist seit den ganz frühen Tagen ein unverzichtbar dynamischer Moment fast jeder Fields-Show.
Mit psychedelisch rockendem Spannungsbogen spielt er die beiden Seiten seiner ein wenig gemartert wirkenden Seele aus - souverän wie ein Nephil eben: ein Bastard, gezeugt zwischen Sterblichen und Engeln. Lässig integriert er dabei den Wechsel zwischen Sphäre und Uptempo. Wie ein Puppenspieler dirigiert der Mann aus Lambeth jedes einzelne Lied in zeitlupenhafter Gestik durch den Gig.
Wie immer stilsicher zeigt sich der Erfinder der Growls bei den selbigen: Kein musikalisch überfordertes Schweinestallgegrunze. Vielmehr eine songdienliche Dramaturgie, die McCoy zwischen Schönheit und Bestie auspendelt. Jenseits aller Hall- und Echoeffekte habe ich noch nie einen in seiner Art ebenbürtigen Sänger gehört, dessen Phrasierung und Koloratur gar während eines einzelnen Wortes makellos changiert.
Wem es nach den Hits gelüstet, erfreut sich sicherlich an der messianischen Inszenierung vom guten alten "Moonchild". Besonders bemerkenswert bleibt das leider eher selten gespielte "And There Will Your Heart Be Also". Mit dem aktuellen, nur minimal veränderten, Arrangement erklimmt er den Zenith der gewohnt phantastischen Atmosphäre von Lovecraft bis Poe.
Wer diesem Gefühlsstrudel entfliehen kann, dem wird wohl nicht mehr viel helfen auf dem Weg zum Autisten. Mit dem erdenden "Celebrate" erhält der Abend dann seinen verdient sedierenden Ausklang. From this maelstrom free are you ...
10 Kommentare
Da ich ja bisher jedes einzelne FOTN-Release abgefeiert habe (Ja, auch "Fallen", meine Damen und Herren) wird es hier wohl nicht anders sein. Obwohl die Amazon-Kritiken, was die "Realness" der ganzen Live-Geschichte betrifft, recht ernüchternd sind, hab ich's mir gerade trotzdem bestellt.
Die Rechnung geht natürlich an Herrn Kubanke, der hat mich angestiftet.
jetzt, wo ich weiß, du hast kenntnis, kann ich endlich wieder schlafen....nach 7 tagen....ich danke dir....
Rechnungsadresse brauch ich noch
Sagt mal, kann doch nicht sein, dass das hier keiner hört bis auf den dba und meinereiner... elende Schweißerbrillen-Generation...
Doch ich, falls es Euch beruhigt.
Doch, ich auch noch...