laut.de-Kritik
Harmonisch und in feinster Hitzfeld-Diktion kompakt.
Review von Michael SchuhAuf ihrem aktuellen Tourneeposter sieht man die Fotos-Mitglieder Tom, Beppo, Frieder und Deniz im Kabelsalat des Proberaums an ihren Gerätschaften stehen. Sie wirken konzentriert, aber nicht angestrengt. Viel eher wie von einer Art lockerem Hochgefühl beseelt, das einen manchmal befällt, wenn man eine Sache zur eigenen Zufriedenheit zu Ende gebracht hat.
Endlich die neuen Songs einfach nur spielen und genießen dürfen. Endlich raus aus dem Aufnahmestudio mit seinen festgefügten Regeln und dem selbst auferlegten Leistungsdruck. So könnte man das sympathische Foto einer äußerst sympathischen Band interpretieren, deren scharfkantige Post Punk-Riffs den Autor dieser Zeilen vor zwei Jahren unsanft aus seinem Morrissey-Dornröschenschlaf hochschrecken ließen.
Zwar sind die ersten Worte, die Sänger Heßler auf dem neuen Album in den Mund nimmt, ausgerechnet "Was für ein Krampf" - als Einblick in seine private Schreibstube nach dem Erfolg des Fotos-Debüts dürfte diese Zeile aber weniger taugen. "Nach Dem Goldrausch" klingt flüssig, harmonisch und in feinster Hitzfeld-Diktion kompakt; schwer vorstellbar daher, dass der Vierer von Schreibblockaden heimgesucht wurde und wochenlang ergebnislos an einem Mittelteil herum schraubte. Wenngleich die akribische Arbeit an Akkordfolgen erfreulicherweise auch heute wieder hörbar ist. So soll es auch sein.
Gewiss, das kleine Fünkchen Wahnsinn des Debütalbums ist - wie bei allen ordentlichen Bands - einer prüfenden Selbstreflexion gewichen, die Fragen aufwirft wie "Was können wir?", "wo wollen wir hin?" und "welche Fehler gilt es zukünftig zu vermeiden?". Das Ergebnis präsentiert sich angenehm unaufdringlich und entsprechend selbstbewusst. Man zeige mir bitte das deutschsprachige Rock-Album, auf dem der Titelsong bzw. die Single noch mal in einer zweiten Version in der Tracklist auftaucht, die mit der ersten aber allenfalls noch den Text gemeinsam hat.
So geschehen mit dem Abschluss-Song "Kalifornien", einer mehr als würdigen Balladen-Antipode zum Upbeat-Ohrwurm "Nach Dem Goldrausch". Einmal mehr präsentiert uns Gitarrist Deniz hier ein Gitarrensolo, das in seiner minimalistischen, rein effektbezogenen Funktionalität zahlreiche Schrammelrock-Kollegen zurück ins Kinder-Kettcar verfrachtet.
Sänger Heßler hingegen tut erneut alles, um dem Etikett gefühlsduselig zu entgehen, bringt gewohnt skizzenhafte, mitunter wieder arg simpel erscheinende Zeilen zu Papier ("Ich liege neben dir und rieche an deinem Haar", "Essen, schlafen, warten und spielen", "Ich häng an dir und du hängst an mir"), die aber stets von der Musik aufgefangen werden. So entwickelt sich der Song "Ich Häng An Dir Und Du Hängst An Mir" bald zu einer Art Refrain-Mantra, das man unbewusst vor sich hinsummt und das gar keine anderen Worte mehr gelten ließe.
"Serenaden", eines meiner Album-Highlights, zeigt Heßler dann in seinem Element: Im lockeren Eingangs-Zweizeiler seziert er das Drama einer eingeschlafenen Beziehung: "Ein neuer Morgen singt das alte Lied / leblos leiert unser Frühstücksbeat." Kurz darauf befinden sich die armen Protagonisten "im Seifenoperreigen", was die Band nicht daran hindert, der traurigen Thematik ein mitreißendes Rhythmusfundament angedeihen zu lassen.
Nach Ausfällen sucht man vergeblich: Einzig das forschere "Das Ist Nicht Was Ich Will" stagniert und könnte als übrig gebliebener Song von 2006 durchgehen. Stattdessen legt die Platte deutlicher als bisher das Talent der Gruppe frei, Melodien zu schichten, zu verschieben und sie in unerwarteten Momenten gegeneinander prallen zu lassen.
Gerade den Leerstellen im Sound wurde hohe Aufmerksamkeit geschenkt, was Songs wie "Ein Freak Und Ein Spinner" eine Losgelöstheit verleiht, die beinahe schon entmaterialisierende Wirkung erzielt. Und die Band hat so Recht, denn nichts ist widerwärtiger als mit überflüssigen Soli vollgestopfte Songs. Weiß man ja spätestens seit John Frusciante. Schon wieder dieser Name - keine Ahnung, ob dessen Gitarrenspiel ein Einfluss ist, wundern würde es mich auch heute nicht.
"Wir sind nur vier von vielen", heißt es auf dem neuen Fotos-Album an einer Stelle. Mag sein, aber sie sind nach wie vor ziemlich weit vorne dabei. Hierzu bitte auch das Daft Punk-Cover "Around The World" goutieren. Zu finden allerdings nur auf der "Goldrausch"-Maxi.
6 Kommentare
"Man zeige mir bitte das deutschsprachige Rock-Album, auf dem der Titelsong bzw. die Single noch mal in einer zweiten Version in der Tracklist auftaucht, die mit der ersten aber allenfalls noch den Text gemeinsam hat."
ja, das zeige ich dir!!!
Heinz Rudolf Kunze - das Original (2005)
"Immer für dich da" <-> "immer für dich da 2"
musikalisch völlig ungleich, nur der text ist identisch.
habe mir das neue album noch nicht gekauft, habe aber auf dem konzert am samstag einige neue songs hören können.
die meisten knüpfen fast nahtlos an den erstling "fotos" an, besonders "explodieren" hat mir gefallen. hat meiner meinung nach mehr potential als die erste single "nach dem goldrausch". die finde ich nach dem konzert noch am schwächsten.
@manuel. (« "Man zeige mir bitte das deutschsprachige Rock-Album, auf dem der Titelsong bzw. die Single noch mal in einer zweiten Version in der Tracklist auftaucht, die mit der ersten aber allenfalls noch den Text gemeinsam hat."
ja, das zeige ich dir!!!
Heinz Rudolf Kunze - das Original (2005)
"Immer für dich da" <-> "immer für dich da 2"
musikalisch völlig ungleich, nur der text ist identisch. »):
ich korrigiere: "man zeige mir bitte ein ernst zu nehmendes deutschsprachiges rockalbum ..."
trotzdem danke
Durch die Rezension auf laut.de bin ich zum Fotos-Debüt gekommen. Ich war "Blitzfan". Hab jetzt auch die Zweite und müsste eigentlich nur sagen, dass ich schon Karten fürs Konzert in Hannover hab. Die Platte ist absolut geil. Ich liebe den Song "Serenaden". Bei diesen gequitschten, langgezogenen Serenaden/Tagen/nagen kribbelt mir der Bauch vor Freude...
ziemlich untergegangen zwischen den anderen veröffentlichungen dieses jahres, leider.
sehr unterschätzt.
word.