laut.de-Kritik
Funktioniert trotz der altbekannten Sounds - oder gerade deswegen.
Review von Stefan JohannesbergFredos erste selbstgekaufte CD war 50 Cents "Get Rich Or Die Tryin", er eröffnet sein viertes Studioalbum aber wie einst The Game mit seinen hunderttausend Bars. Neun Minuten lang erzählt der britische Rapper aus West-London hart und reflektiert "My Story", spielt dabei clever mit Worten, die jedoch grundsätzlich in für jeden verständlichen Punchlines enden - ohne Hook versteht sich. Fredo braucht nur zwei Zeilen, um mehr zu sagen als andere Rapper mit ganzen Alben. "I know consistency is key / But it's hard to stay consistent when you're in the mix and consistently a G". Du kriegst den Jungen aus dem Ghetto, aber das Ghetto verfolgt dich, lebt in dir und um dich herum. Egal, wie viel Fans du hast oder wie viele Streams du ziehst oder wie viele Klamotten du verkaufst, die Hater halten ihre Messer bereit. "I walk around town with enough jewels to change a nigga's life / So I gotta keep a pipe that'll take a nigga's life".
Da denkt man, wenigstens das reiche Leben in Dubai lässt dich den Struggle und den Stress vergessen, jetzt, wo die Drogen gegen die Musik und das Business getauscht hast. "And all them races on my bike, police chases from the racist in the night / Now, I'm with my niggas racing in Dubai All I ever done was trap, then I changed it to the mic'". Aber weit gefehlt: "How I'm grown, and I still gotta go with my knife / Even when I fucking go to Dubai, I only get peace when I'm closin' my eyes."
Fredo lässt wirklich kein Thema unberührt und erzeugt stets in kurzen Passagen ausdrucksstarke Bilder, die immer wieder den Gegensatz aus Ghetto und Erfolg, Druglife und Gartenzaun spiegeln. Egal, ob es seine Erfahrungen als Business Man - " Sixty-year-old businessman, tryna fist bump me, instead of comin' shake my hand / Like I ain't the same as man, they judge me in the meetings before I even get to say my plan" - oder seine Zeit im Knast ist: "All them years in jail must made them guys forget how hard it gets when life isn't workin' / No sex, but you're dreamin' to get inside of a German / Went to jail for a stabbin', came home and done another one, like my knife wasn't learnin'".
So spannend wie die verbale, adlib-lose Vorführung ist, so seltsam bieder sind Beats. Das zitierte "My Story" fiedelt dramatisch mit Synthies über tiefen Basslines, tickenden High-Hats und gepitches Chor-Samples, als wären die 2000er noch taufrisch. Das folgende "Woo" clappt lässig die Snare und klimpert das Klavier in Moll.
Das melancholische "Scoreboard" entzündet mit dem Dancehall-Hook Filmusik-Vibes. "Need This Album" hatte Swizz Beatz schon 2001 auf der Festplatte, "Girls" überrascht mit G-Funk, bei "Everybody Knows" sieht man Puffy im Studio viben, und "Dave Flow" diggt mit "Universal Mind" von The Mystic Moods Orchestra ausgerechnet dasselbe Sample wie "The Foundation" von Xzibit.
Tja, und dann fiel es wie Schuppen von den Haaren: Fredo erzählt aus seinem Leben und nutzt dafür Sounds aus seinem Leben. Denn das Verrückte ist: Das Album funktioniert trotz der altbekannten Sounds - oder gerade deswegen. Die Produktion pumpt heftig und kristallklar aus dem Boxen, alles konzentriert sich nur auf die Bars - und die sind voll wie am Wochenende. Keine Line hat keine Aussage, kein Wort ist überflüssig. So braucht er zum Beispiel selbst im souligen Liebeslied "Quarter Past IV" nicht viel, um sich innerhalb einer für alle nachvollziehbaren Szenerie cool und verletzlich zu zeigen: "Yo, them times I had just bought a half key / Put it down and went to KFC a quarter past three / That's when I saw you there, walkin' past me / Had to stop you there / Been waitin' a whilе, I could watch and stare / I got guns, but when it comes to lovе, I'm not prepared (Not prepared)."
Die Geburt der Tochter und der Verlust zweier Freunde Ende letzten bzw. Anfang dieses Jahres haben Fredo nachdenklich werden lassen. Er steht an der Schwelle zwischen Ghetto und Chefetage, kennt aber auch die gute alte Popa Wu-Regel: "When you forget where you come from, then you never make it where you goin' cause' you've lost the reality of yourself."
1 Kommentar
"Wie Schuppen von den Haaren"... Danke, Herr Waalkes