laut.de-Kritik

Mit Blockflöte auf gefährlicher Mission.

Review von

Die stille Nacht naht, mit ihr kommt die alljährliche Veröffentlichungsflaute und "Last Christmas" zurück in die Charts (Platz 10 aktuell). Frei.Wild verschonen uns zum Glück mit einem Weihnachtsalbum, nutzen die besinnliche Zeit lieber für ihre zweite Akustikplatte. Auch damit funktioniert eben eine adventliche Konzertreise, und man kann immerhin so tun, als würde man sich dem Kommerz verweigern. Dass die Südtiroler sich statt mit Glühwein ins "Winter Wonderland" lieber mit Bier ins "Sommerland" träumen, ändert aber nichts daran, dass "Still II – Leise, stürmisch, herzergreifend" mindestens so weh tut wie Robbie Williams als Helene Fischers Sockenstopfer.

Mit dem Intro "Ein Zweiter Stiller Gruß" gaukeln Frei.Wild zunächst anderthalb Minuten lang vor, mit dem Akustiksetup käme filigrane Kunstfertigkeit. Slide-Gitarre, Kastagnettenklappern und Streicher sollen die Hörer beeindrucken. Doch bloß weil viele ungewohnte Instrumente durch den Mix spuken, wird eine Komposition nicht weniger eindimensional. Das ist vielmehr Effekthascherei par excellence.

Beim ersten richtigen Song "Im Auftrag Der Welt" ist dann alles wieder beim Alten: Philipp Burger suhlt sich in der Opferrolle, singt vom "eigenen Krieg", findet doof, dass "so viele Wichser die Welt regieren", stilisiert sich zum Ehrenretter der Wahrheit und Anführer einer Revolution. Na na na, wer wird denn da gleicht an die Rhetorik einer gewissen 'alternativen' Partei denken? Immerhin: Frei.Wild sichern sich ab. Neben Merkel, Hofreiter, Clinton und Trump flimmert auch Björn Höcke durch den Videoclip zu "Blinde Völker Wie Armeen", als einer derjenigen, die "Fakten kochen und schön verrühren".

"Blinde Völker Wie Armeen" ist eine von fünf Neukompositionen auf "Still II". Den Rest der Platte bestreiten Frei.Wild mit umarrangierten Nummern von "Opposition" und "Rivalen & Rebellen" sowie einem Track des Jubiläumsalbums "15 Jahre Deutschrock & SKAndale" ("Yeah, Yeah, Yeah"). Philipp Burger scheint oft gar nicht zu kümmern, dass Lautstärke und Distortion fehlen. Er röhrt einfach weiterhin, als hätte er Verstärkerwände hinter sich. Und wenn er doch einen Gang runterschaltet, dann nur in tiefem Sprechgesang, der er sich hart an den Akustikgitarren reibt und die Grenzen seines Singstimmumfangs unangenehm deutlich offenbart (z.B. "Unvergessen, Unvergänglich, Lebenslänglich").

Instrumental ändert sich im Vergleich zum Original jeweils zwar recht viel; die Band heuert Gastmusiker an Percussion, Streich-, Holz- und Blechblasinstrumenten an. Über basischen Klischeeeinsatz, zugeschnitten auf Schlagerpublikum, das sich beim Klang einer Fidel schon im tiefsten Irland wähnt, kommt aber keiner von ihnen hinaus. Durch "Wo Nur Die Besten Thronen" dudelt Alibi-mäßig ein Saxophon, die sogenannte Deutschrock-Armee aus "Eine Freundschaft, Eine Liebe, Eine Familie" wird von einer schiefen Blockflöte vor dramatischer Western-Soundtrack-Kulisse zu Grabe getragen. Der Männerchor im Refrain klingt eher wie eine betrunkene Schunkelgruppe in der Dorfkneipe als eine "Deutschrock-Religion auf gefährlicher Mission" und macht die Selbstkarikatur perfekt.

Die überzeugendste Komposition gelingt mit "Keine Lüge Reicht Je Bis Zur Wahrheit", wo dynamischer Songaufbau den Ohrwurm-Refrain schön in Szene setzt. Burgers emotionsloser Vortrag seines "Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen"-Text inklusive stumpfster Reime verhagelt aber auch diese Nummer. "Ich habe nur die Lebenszeit / Und so kämpfe ich für Freiheit / Lieber aufrecht und echt als ein Knecht" Herr Specht.

"Still II" ist künstlerisch so wertvoll wie ein Heimatfilm im Ersten. Wer das Schema mag, wird sich sofort wohl fühlen und immer wieder reinschalten. Und wären der Gesang nicht, könnte man "Still II" einfach als völlig belanglose Hintergrundmusik abstempeln. Doch dank Burgers penetrantem Vortrag brennen sich die motzigen Lyrics, in denen die Band mittlerweile zwischen den Zeilen nicht einmal mehr gewisses Grauzonen-Kalkül abstreitet ("Man schwärzte uns irgendwann mit Asche und hat uns so mit Gold gekürt – Danke!"), unweigerlich durch die Gehörtgänge. Abschalten unmöglich. Da lob ich mir doch die wenigstens melodische Nichtbedeutung von Robbielene.

Trackliste

  1. 1. Ein Zweiter Stiller Gruß
  2. 2. Im Auftrag Der Welt
  3. 3. Sommerland
  4. 4. Nicht Zuviel Denken Und Einfach Machen
  5. 5. Zusammen Und Vereint
  6. 6. Wo Nur Die Besten Thronen
  7. 7. Keine Lüge Reicht Je Bis Zur Wahrheit
  8. 8. Der Teufel Trägt Geweih
  9. 9. Und Ich War Wieder Da
  10. 10. Yea, Yeah, Yeah
  11. 11. Blinde Völker Wie Armeen
  12. 12. Eine Freundschaft, Eine Liebe, Eine Familie
  13. 13. Hab Keine Angst
  14. 14. Allein, Ohne Dich, Bei Dir
  15. 15. It's Good Day For A Good Day
  16. 16. Unvergessen, Unvergänglich, Lebenslänglich

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12 Kommentare mit 86 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 4 Jahren

    Wer Frei.Wild mit rechts assoziiert, hält FSF auch für links.

    • Vor 4 Jahren

      Mit was soll man diese völkisch-nationalen Spacken denn sonst assoziieren?

    • Vor 4 Jahren

      Wer über politische Ausrichtungen mit Richtungsangaben relativ zur eigenen Blickrichtung berichtet, blickt vieles nicht richtig.

    • Vor 4 Jahren

      Texte, die zur Verbrüderung aufrufen und nicht Hass propagieren, wie zum Beispiel diverse linke Bands. Ein gesundes Gemeinschafts- und Nationalgefühl, ohne ausgrenzend zu sein. Rückbesinnung auf ehrliche Werte, auf Zeiten, die so viel anders waren, als die Gegenwart. Dein Vorwurf des Völkischen läuft ja mal völlig ins Leere.

    • Vor 4 Jahren

      Nicht Hass propagieren, zur Verbrüderung aufrufen, ohne ausgrenzend zu sein, ehrliche Werte

      Vs.

      "Es gibt nur ihre Meinung und sie denken nur schwarz-weiß
      Sie bestimmen was gut, was böse ist, sie sind das, worauf ich scheiß
      Sie richten über Menschen, ganze Völker sollen sich hassen
      Nur um Geschichte, die noch Kohle bringt, ja nicht ruhen zu lassen
      Nach außen Saubermänner, können sie jeden Fehler sehen
      Sind selber die größten Kokser, die zu Kinderstrichern gehen
      Ob aus Kirche, Staat, will gar nicht wissen, wie ihr heißt
      Denn wer selbst durch das Land der Sünden reist, nicht mit Steinen um sich schmeißt
      Ich scheiß auf Gutmenschen, Moralapostel
      Selbsternannt, political correct
      Der die Schwachen in die Ecke stellt
      Und dem Rest die Ärsche leckt
      Ich scheiße auf Gutmenschen, Moralapostel
      Selbsternannt, sie haben immer Recht
      Die Übermenschen des Jahrtausends
      Ich hasse sie wie die Pest
      Journalisten, Priester, die einfach immer alles wissen
      Die nur schreiben, die nur richten, und die Wahrheit finden sie beschissen
      Sie sind Propheten, glaub ihnen blind, ihr müsst sie lieben
      Zweifler, Hinterfrager sollen jetzt Peitschenhiebe kriegen
      Ihre Basis ist ihr Aussehen, ist ihr Glaube, ihre Position
      Ermahnen, Ruf beschmutzen ist ihr Job, das ist ihr Lohn
      Reines Wasser fließt für sie nur ganz allein
      Und in die Scheiße, die nach Scheiße stinkt, schmeißen sie dich rein
      Ihr predigt Liebe, doch ihr selber schürt nur Hass
      Ihr predigt Menschlichkeit, doch Menschenhass, er macht euch Spaß
      Das Licht, in dem ihr euch so gerne selber sehr
      Habt ihr nur für euch erschaffen, damit ihr selber besser dasteht
      All die Verbrecher, all der Schmerz auf dieser Welt
      Wurde euch so oft zuteil, ihr seid arm und meidet Geld
      Komisch, dass es euch so gut geht, dass ihr selbst in Reichtum schwebt
      Merkt euch: Ehrliches besteht und Verlogenes vergeht
      Ich, du, wir, die ganze Welt, sie hasst euch wie die Pest
      Ich scheiß auf Gutmenschen, Moralapostel
      Selbsternannt, political correct
      Der die Schwachen in die Ecke stellt
      Und dem Rest die Ärsche leckt
      Ich scheiße auf Gutmenschen, Moralapostel
      Selbsternannt, sie haben immer Recht
      Die Übermenschen des Jahrtausends
      Ich hasse sie wie die Pest"

    • Vor 4 Jahren

      "Rückbesinnung [...] auf Zeiten, die so viel anders waren, als die Gegenwart"

      '33-'45?

    • Vor 4 Jahren

      Ok capsi aber jetzt ab ins Bett hmmm?
      Das du morgen wieder ganz viel Kraft hast um diesen komischen Leuten auf dieser Musikseite im Internet Vernunft, Wissen und Moral einzubläuen!
      Schlaf schön!

    • Vor 4 Jahren

      Die Musik der Band ist scheiße, alles andere ist primär.

    • Vor 4 Jahren

      Danke Karsten, ich habe sehr gut geschlafen. So viel Kraft brauche ich dafür übrigens gar nicht, wenn es mir nicht leicht fiele, würde ich es nicht machen.

    • Vor 4 Jahren

      Woher kommt eigtl der "Karsten" für unseren Busfahrer? :D

    • Vor 4 Jahren

      "Rückbesinnung auf ehrliche Werte, auf Zeiten, die so viel anders waren, als die Gegenwart."

      Wann, verflucht, soll das denn gewesen sein?
      Zeiten, in denen man noch "N****" sagen konnte, ohne dafür schief angeguckt zu werden?
      Als die Frau den Mann noch um Erlaubnis bitten musste, um eine Arbeit aufzunehmen?
      Als der Mann seine Frau noch straffrei in der Ehe vergewaltigen durfte?
      Oder als das Leben von Heranwachsenden in Jugendorganisationen des Staates "optimiert" wurde?

    • Vor 4 Jahren

      Früher war halt alles besser :)

    • Vor 4 Jahren

      Para sieht das alles so negativ.

    • Vor 4 Jahren

      Er sollte sich mal nen ordentlichen Schluck aus der Frauengold-Pulle gönnen.

    • Vor 4 Jahren

      Para hat schon vor Wut ein paar Verknüpfungen in den Papierkorb verschoben und wenn er richtig ausrastet klickt er auch noch endgültig löschen :D

    • Vor 4 Jahren

      Para sieht das alles vollkommen richtig.

    • Vor 4 Jahren

      Was ist denn bitte ein "gesundes Gemeinschafts- und Nationalgefühl"? Sowas gibt es nicht, da Nationalismus immer ausgrenzend ist.
      Der Text von "Wahre Werte" liefert außerdem eine ziemlich akkurate Definition von völkischem Nationalismus, als dass man da noch viel herbeireden oder reininterpretieren müsste.

  • Vor 4 Jahren

    Musik für halbstarke Proleten und Möchtegern-Gaulands und Hobby-Höckes mit Bierpulle in der Hand. Ungehört 1/5