laut.de-Kritik

Sie brennen seit Tag eins.

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Nachdem die äußerst umfangreiche Promophase zu Vegas Soloalbum "Kaos" überstanden war, das dem Frankfurter den Charteinstieg in der Pole Position bescherte, verkündeten die Freunde Von Niemand im Februar überraschend und ohne viel Tamtam den dritten Streich ihrer "Willkommen Im Niemandsland"-Reihe. Neben bereits erwähntem Labelboss, Bizzy Montana, Timeless, Johnny Pepp und Bosca präsentiert sich Neuling Face mit seinem Solotrack "180" der Hörerschaft.

Aber gerade weil der Frankfurter dort überschwänglich und mit Selbstbewusstsein einen Hang zum Größenwahn an den Tag legt, will sich der Posse-Track nicht so recht in die Reihe der überwiegend drückenden Songs der Kollegen einfügen. Nicht, dass man bei denen keine Leidenschaft spürt: Die Jungs, das glaubt man ihnen aufs Wort, hustlen und brennen seit Tag eins für ihre Musik. Loyalität größer Statussymbole, Gang größer Ego, meine Stadt größer deine Stadt. Die Freunde Von Niemand, wie man sie liebt oder hasst eben. Daran hat sich auch anno 2015 nichts geändert:

"Da, wo du eigentlich für viele schon gescheitert bist, und du an jedem Morgen wieder in die Scheiße trittst / sind wir zuhause, auch wenn niemals einer fliegen kann, Straßenbahn, Endstation, nächster Halt Niemandsland."
(Bizzy Montana & Bosca – "Nächster Halt Niemandsland").

Nachdem der Fokus der Aufmerksamkeit lange Zeit auf Vega lag, nimmt dieser sich hier zurück und überlässt Schützling Timeless den Vortritt. Ein purer Freundschaftsdienst? Nicht unbedingt, denn wie man bereits im Vorfeld der Veröffentlichung erfahren konnte, steht dessen zweites Album als nächstes in der Pipeline.

Auch wenn seine nur vom Klavier begleitete Ballade "Tränen Des Teufels" einen eher ungünstigen Abschluss bildet, beweist der Kölner sein Händchen für stilsicheres Storytelling. Besser wirds noch, wenn er mit "Zwei Stimmen" in die Rolle von Engelchen und Teufelchen schlüpft, die ihn mit den bestmöglichen Argumenten davon überzeugen wollen, seichten Mainstreampop respektive erbarmungslosen Rap zu produzieren.

Was den Sound angeht, könnte es stellenweise jedefalls etwas weniger seicht zugehen: Von wenigen Ausnahmen abgesehen - etwa Bizzys einfach zu interpretierender Aufforderung "Tassen Hoch" - dominieren Klavier und Streicher die Instrumentalisierung. Hin und wieder driftet die dadurch erzeugte Melancholie gefährlich nahe Richtung Langeweile ab. Wie gut, dass jeder der Künstler über Alleinstellungsmerkmale verfügt und sie in diversen Kombinationen oder eben solo unter Beweis stellt.

"Ich ging für Rap in den Tod, ich bin ein Märtyrer" proklamiert etwa Vega feierlich auf "Ich Geh", das dem Thema nach ebenso gut auf sein Soloalbum gepasst hätte. Den Höhepunkt in Sachen Beklemmung liefert Kumpel Bosca mit "Was Ich Niemals Wollte". Dem Gewitter im Intro folgt ein pathos befreiter und gnadenlos offener Ausflug in die pessimistische Innenwelt des Wiesbadeners, für die ihn seine Fans so schätzen: "Und ich steh' wieder alleine da, meine Beine starr, bin leichenblass / Ehre ist, wovon sie alle reden, aber keiner machts." Setzt man den Track neben Johnny Pepps Ausflug in die Hölle und zurück, fallen dessen vorhersehbare Reimstrukturen und der nicht immer ganz nachvollziehbare Erzählstil eher negativ auf.

Trotzdem hat der Hausproduzent der Niemandsfreunde auch raptechnisch seine Glanzmomente: Wenn "das Label mit der Schnapsfahne" geballt dazu auffordert "Roll Mit Uns", sticht der Holländer mit eigenwillig vorgetragener Hook hervor, die einem fast zwangsläufig ein Grinsen entlockt. Ganz im Gegenteil zum Refrain von "Diese Gang", für die Timeless verantwortlich zeichnet und bei dem sich mir persönlich die Fußnägel hochrollen. Nicht nur gelesen klingt das mehr nach Culcha Candela:

"Alle andern Crews hier im Land schieben Abturn, es macht nur noch Boom wenn die Pisser den Bass hör'n / Sieh zu, wie wir auf Tour live jegliche Stadt burn', und alle schreien: Woah diese Gang, woah diese Gang killt euch!"

Hätte er in dem Fall mal besser auf das Teufelchen gehört. Insgesamt lassen sich auf Labelsampler Nummer drei nur wenige wirkliche Schwachpunkte ausmachen. Größtenteils handelt es sich bei dem guten Dutzend Tracks um Freunde von Niemand-Hausmannskost. Ebenso rar gesät sind diesmal aber auch die Ausschläge nach oben, die sich auf dem Vorgänger so zahlreich tummelten. Treue Freunde der Freunde Von Niemand werden mit diesem Release zufrieden gestellt. Allen anderen sei zum Einstieg aber "Willkommen im Niemandsland 2" ans Herz gelegt.

Trackliste

  1. 1. Wie Es Geht - Timeless
  2. 2. Nächster Halt Niemandsland - Bizzy Montana & Bosca
  3. 3. Roll Mit Uns - Freunde von Niemand
  4. 4. Meine Jungs - Vega, Timeless & Johnny Pepp
  5. 5. Diese Gang - Vega, Timeless & Bosca
  6. 6. Was Ich Niemals Wollte - Bosca
  7. 7. Zwei Stimmen - Timeless
  8. 8. Stoppzeichen - Vega & Bizzy Montana
  9. 9. 180 - Face
  10. 10. In Dieser Stimme - Vega & Bosca
  11. 11. Du Kennst Die Hölle Nicht - Johnny Pepp
  12. 12. Ich Geh - Vega
  13. 13. Tassen Hoch - Bizzy Montana
  14. 14. Tränen Des Teufels - Timeless

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