laut.de-Kritik
Wo ist die dicke, wütende Trantüte geblieben?
Review von Laura Sprenger"Es klingt ganz anders, nicht mehr so schwer. Nicht so düster und verbittert, sondern mehr wie mein erstes Album", so Vega im Interview über sein Album "Kaos". Eine Promophase, die keine Wünsche offen ließ, nein, vielmehr die Grenze zum Informations-Overkill ein ums andere Mal überschritt, paarte sich mit selbstbewussten, verheißungsvollen Ansagen des Frankfurters und schraubte die Erwartungen an sein viertes Soloalbum in schwindelerregende Höhen.
Dem langsamen Klavier-Intro im Titeltrack folgt, was den Großteil der zwölf Songs charakterisiert: Gut dreißig Kilo weniger auf den Rippen, das eigene Label auf Erfolgskurs und eine neue Beziehung haben beim Freunde von Niemand-Oberhaupt offenbar einen Sinneswandel herbeigeführt. Jaulte er einem auf "Nero" noch die Ohren voll, stößt er nun Jedem bereitwillig sein Glied in den Schlund, wettert gegen Punks, "den Staat und die Scheiß-Polizei" ("1312"), Rapper in Leggings und tönt zum atmosphärisch-bedrohlichen Beat ganz selbstverständlich: "Wir Sind Die 1".
Ach ja, geizige, reiche Arschlöcher kriegen auf "Schiess" auch noch ihr Fett weg, das nicht nur der Hook wegen den absoluten Tiefpunkt bildet. Hier stimmt Vega ungewöhnlich hohe Töne an, was die einfallslosen und unstimmigen Lines noch grausamer klingen lässt. Ansonsten bestätigen sich die Hater-Kommentare, Vegas Stimme sei mit ihm zusammen dünner geworden. Aggressiv und leicht gepresst erzählt der Freund von Niemand seine Stories, Flow und Reime geben keinen Anlass zum Meckern.
Zu den erklärten Feinden und Konkurrenten, die Vega "Mundtot" machen will, gehört Azad offenbar nicht: Wenn man dem Frankfurter Rap-Urgestein auf "P-99" zuhört, kann man sich eigentlich nur auf den lange angekündigten "Nebel" freuen. Seinen Bezug zur Heimatstadt macht Vega gewohnt deutlich: "Mein Frankfurt is' Haterstadt", denn " ... hier folgt auf das 'Servus' 'ne Backpfeife."
Zu seinen alten Idolen gehört auch Moses Pelham, der zusammen mit Glashaus-Sängerin Peppa Singt ebenfalls einen Beitrag zu "Kaos" leisten darf. An dieser Stelle sei nur gesagt: Ein Bosca-Feature stattdessen wär' Gold wert gewesen. Zu spät. Nea, Vegas aktuelle Lebensgefährtin, macht ihre Sache dagegen sehr gut. Wer die Kombination aus Rap und gesungenem Refrain scheiße findet, sollte "Eigentlich" und "Mein Herz" gar nicht erst anspielen, allen anderen sei der Versuch empfohlen.
Fast wie in alten Zeiten dominieren hier Verlust, Trennung und die Diskrepanz zwischen Wünschen und der Realität: " ... wollte meinen Jungs nie sagen 'Wir sind kaputt und broke', FvN-Herzstillstand.". Wie im eindrucksvollen "Ich Will Raus Mit Dir" macht Vega genau das, was er schon immer am Besten konnte, vielleicht sogar besser als alle Anderen: Beklemmende und wutgeladene Gefühle beschreiben, die einem die Luft abschnüren und Bauchschmerzen verursachen.
Sein Händchen für Humor und Unterhaltung erscheint in diesem Zusammenhang zwar eher neu, erweist sich aber als Gewinn: "Wer Verse bitet, ist ein Schwein für mich" stellt Vega klar, nur um selbigen Track mit Prinz Pis allseits bekannter Line "Meine Bibel hat sechs Worte, ich bin tight, ihr seid whack" abzuschließen. "Hip-Hop & Rap" zeichnet Vegas Werdegang unterhaltsam nach, vom ersten Tape über die Labelgründung, den verrückten Manager, Glücksmomente und Fehler bis hin zu "Kaos".
Keine Frage, Hip Hop regiert den "Kosmos" dieses Mannes. Und auch wenn ich mich persönlich für Vega und seinen positiven Lebenswandel freue (den Vega[ner]-Wortwitz habe ich mir an der Stelle gespart), vermisse ich die dicke, wütende Trantüte. Arrogante, allesfickende Pöbel-Rapper hat das Land schließlich genug. Anfangs erwähnte Erwartungen sind schließlich auf dem Boden der Tatsachen gelandet, wo sich "Kaos" als solides Rap-Album breit macht.
4 Kommentare mit 7 Antworten
Letzter Absatz sagt alles. Ich persönlich habe ausschließlich Tracks von ihm gehört, die der Richtung entsprangen, die er nun nicht mehr einschlagen möchte.
Rappen kann er, er fühlt den Scheiß von mir aus auch, aber ich eben nicht. 3/5.
Bis auf "Mein Herz feat. Nea" kann ich mir alle Lieder gut anhören. Highlights sind "Ich will raus mit dir", "Hip-Hop & Rap" & "Ich will raus mit dir"
Die Feats sind in Ordnung, aber anstelle des Moses Songs hätte ich mir einen mit Bosca gewünscht.
Etwas was mir am Anfang negativ aufgefallen ist, war die Stimme welche sich tatsächlich dünner und weniger aggressiv anhört als früher. Aber daran gewöhnt man sich und bei den deepen Tracks fällt das eh nicht so sehr auf.
Alles in allem ein gutes Album und ein sehr guter Start ins Deutschrapjahr 2015.
Ich will raus mit dir war wohl so krass, das musste zweimal erwähnen
ist das jetzt eigentlich schon vorgabe dass bei fast jedem hip-hop album (meist unbekannte) weiber mitsingen muessen ?
Das ist doch seine Frau, wenn ich richtig informiert bin. Was sie jetzt zwar nicht bekannter macht, aber immerhin erklärt, warum sie auf dem Album ist.
fand diesen frauengesang schon bei savas limit nervig. ein trend der bald mal sein ende finden sollte.
schöner Kommentar!
Nö!
doch.
Female-Hooks, oder Female-Rap-Parts, etc gibt es doch schon seit Ionen. Ich persönlich mag das. Nicht immer, aber immer wieder gerne.
Kannte Vega nicht, habe reingehört. Danach wusste ich warum, einfach keine Autentizität vorhanden bei dem Schuljungen.