laut.de-Kritik

Der akustische Codein-Trip lässt einen nicht mehr los.

Review von

Drogen und Musik harmonieren seit jeher recht gut miteinander. Die bewusstseinserweiternde Erfahrung eines Rauschgift-Trips sorgt bei Hörern und Künstlern gleichermaßen für eine stark erweiterte Kreativität, die das Wahrnehmen und Erschaffen von Musik beeinflusst. Das weiß auch Future. Der trinkt den verschreibungspflichtigen Hustensaft nämlich auch, wenn er nicht erkältet ist. Der Doublecup ist randvoll mit einem klebrigen Gemisch aus Codein und Limonade: Das ist Dirty Sprite.

Dafür steht das "Ds" im Titel von Futures neuem Album. Mit dem ersten Teil der Serie hatte der Rapper aus Atlanta 2011 seinen Durchbruch. An seiner Vorliebe für Lean hat sich seitdem nichts geändert – was er auch nicht müde wird, zu erwähnen: "I just took a piss and I seen codeine coming out" rappt er auf "Thought It Was A Drought" bildhaft. Der Konsum ist Futures Steckenpferd und scheinbar genau das, was ihn so gut macht.

Denn eigentlich ist Nayvadius Cashs Musik extrem simpel: Die Themen sind Sex, Geld und Drogen, instrumental bekommt man meist das typische Trap-Gedudel aus Atlanta zu hören. Doch der Rapper baut aus diesen Voraussetzungen einen Trademark-Sound, den man so nirgends sonst bekommt. Unter der einfach gestrickten Oberfläche verbirgt sich eine genauso komplexe, wie dichte Atmosphäre, bestehend aus verschwommen Rauschfantasien. Denn das ist es, was Future mit seiner Musik tut: Er bildet den Trip ab, den er selbst erlebt.

Auf seiner letzten Platte "Honest" war Future noch der brave Ehemann von Ciara, der sich an poporientierten Songs versucht hat. Nach der Trennung von seiner Frau entwickelte er sich über die drei Mixtapes "Monster", "56 Nights" und "Beastmode" und zurück zum Monstrum. So ist "Ds2" rau und kompromisslos: "Tryna make a pop star and they made a monster." ("I Serve The Base") Massenkompatible Pop-Hooks oder kitschige Lovesongs darf man auf dieser Platte – zum Glück – nicht erwarten. In nahezu jedem der 18 Tracks stehen Frauen, Luxus und natürlich das Lean sippen im Vordergrund.

Trotzdem kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Textlich bietet Future zwar wenig Abwechslung, doch die Art und Weise, wie er seine Lyrics vorträgt, ziehen einen immer wieder in den Bann. In unvergleichlicher Art wiederholt der Rapper fragmenthafte Phrasen und Ausdrücke. Sein Stimmeinsatz ist dabei genauso simpel, wie genial: Eingängige Melodien verleihen den spartanischen Songtexten eine hypnotisierende Wirkung. So setzt Future Hendrix nicht nur textlich, sondern gesamtmusikalisch das Leitthema der Platte um: Der Hörprozess verkommt zur psychedelischen Erfahrung.

"Ds2" mag keine lyrische Meisterleistung sein. Stattdessen aber gibt es hinter dem düsteren, dichten Klangteppich, den Future aufbaut, viel zu entdecken. Nayvadius Cash ist ein Charakter voller Gegensätze. Der harte Straßenrapper verzichtet textlich fast komplett auf Gefühlsausdrucke. Durch den Drogenkonsum verdrängt er, verwandelt sich zum Monster und entfremdet sich vom Menschsein. Das schlägt sich auch stimmlich wider: Future nutzt den Autotune-Effekt auf eine ganz eigene Weise. Seine Stimme ist monoton und roboterhaft, schlägt aber immer wieder aus – wird mal wütend und aggressiv, mal ruhig und nachdenklich. Die Mensch-Maschine Future ist abgehärtet, bitter und vergnügungssüchtig – doch die Fassade zeigt immer wieder Risse.

In der extrem eigensinnigen Stimme des Interpreten schwingt immerzu ein Hauch von Melancholie mit. Selbstzweifel werden zwar im Codein ertränkt und der Protagonist entmenschlicht sich sowohl auf der Text-, wie auch auf der Soundebene so weit es geht. Doch seine Zerbrechlichkeit bleibt bestehen und bohrt sich immer wieder subtil an die Oberfläche – bis er sie auf "Kno The Meaning" komplett entfaltet: "Best thing I ever did was fall out of love."

Futures Musik mag im ersten Moment substanzlos und banal daherkommen. Aber hinter den stumpfen Aufzählungen von Luxusartikeln und Hustensaft-Synonymen verbirgt sich eine vielschichtige Hörerfahrung, die einen immer wieder packt. Der Rapper macht weder technisch versierten Hochglanz-Rap, noch Poesie. Doch er vermag es, seine Stimme genau so zu verfälschen und einzusetzen, dass sie die maximale Wirkung erzielt. Es ist der Vibe, der "Ds2" so spannend macht. Das Fenster in Futures Welt ist sperrangelweit offen und der akustische Codein-Trip lässt einen nicht mehr los. "It's about the feeling."

Trackliste

  1. 1. Thought It Was A Drought
  2. 2. I Serve The Base
  3. 3. Where Ya At
  4. 4. Groupies
  5. 5. Lil One
  6. 6. Stick Talk
  7. 7. Freak Hoe
  8. 8. Rotation
  9. 9. Slave Master
  10. 10. Blow A Bag
  11. 11. Colossal
  12. 12. Rich $Ex
  13. 13. Blood On The Money
  14. 14. Trap N*Ggas
  15. 15. The Percocet & Stripper Joint
  16. 16. Real Sisters
  17. 17. Kno The Meaning
  18. 18. F*Ck Up Some Commas

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15 Kommentare mit 53 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Trotzdem kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Textlich bietet der Boi zwar wenig Abwechslung, doch die Art und Weise, wie er seine Lyrics vorträgt, ziehen einen immer wieder in den Bann. In unvergleichlicher Art wiederholt der Wiener Rapper fragmenthafte Phrasen und Ausdrücke. Sein Stimmeinsatz ist dabei genauso simpel, wie genial: Eingängige Melodien verleihen den spartanischen Songtexten eine hypnotisierende Wirkung. So setzt Money Boy nicht nur textlich, sondern gesamtmusikalisch das Leitthema der Platte um: Der Hörprozess verkommt zur psychedelischen Erfahrung.

  • Vor 9 Jahren

    Damit kann ich eher weniger was anfangen. Diese Vergewaltigung von Auto Tune geht mir richtig auf die nerven. Für mich ist so etwas dann nach einmal durch hören unhörbar. Textlich ist es klar abwechslungsreich, aber diese AutoTune Musik gefällt mir überhaupt nicht. Hätte er weniger mal davon benutzt und mehr davon, dann könnte ich es mir sogar mehrmals geben. Klar, wie es aussieht ist es sein Style, aber nichts für mich. Leider nur 2 Sterne, aufgrund der Texte. Vielleicht muss ich es erst mal auf mich wirken lassen und nach paar Monaten nochmal rein hören. Vielleicht sehe ich es anders, aber zum jetzigen Zeitpunkt bekomme ich das kotzen bei diesem Sound.

    • Vor 9 Jahren

      "Future does not want to be your role model. This is music for nihilists, for the reckless, for those who embrace darkness because they don’t see another option."

  • Vor 9 Jahren

    Konnte mir das Teil auf einer nächtlichen Autofahrt endlich mal in Ruhe mehrmals anhören und kann mich den positiven Kommentaren hier nur anschließen.

    Das ist definitiv nichts, was ich mir entspannt beim Kochen oder im Beisein meiner Freundin anhören würde :D, aber es wächst mit jedem Durchgang und entfaltet schon allein durch den Stimmeinsatz eine einzigartige Sogwirkung. Was für ein Trip. Die Beats natürlich auch durch die Bank top. Es fällt mir gerade doch schwer, einzelne Songs hervorzuheben, aber "I Serve the Base" ist definitv ein Hit. Habe gerade nichts zu kritisieren und auch hinsichtlich der Langlebigkeit mache ich mir keine Sorgen.

    Ganz starkes Teil, toppt für mich auch die drei starken Mixtapes davor. Frage mich im Moment nur, wie er da noch nachlegen kann. Außerdem weiß gerade gar nicht, wann ich jetzt Zeit für Dre finden soll. First World problems, jawohl. :D

  • Vor einem Jahr

    Klassiker. Hab es lange nicht wirklich gepeilt, aber vor paar wochen hats klick gemacht, es slapt 8 jahre später noch hart. Stick Talk is böse.