laut.de-Kritik
Kryptische Sinnfragen und Reimreisen ins Innere einer überarbeiteten Seele.
Review von Kai ButterweckEine geläuterte Attitüde, eine farbenfrohe Kunstausstellung zum Thema "Tod" als "konzeptionelles Spannungsfeld und reinen Moment der Veränderung, der zugleich mit dem Ende auch immer einen Beginn definiert", sowie ein neues, ebenfalls unter dem Titel-Banner "Tod" veröffentlichtes Studioalbum: Fynn Kliemann, der gefallene Influencer-Tausendsassa, der sich zu Beginn der Corona-Pandemie mit fragwürdigen Maskengeschäften einen satten Schuss ins eigene Karriereknie verpasste, meldet sich mit viel Tamtam zurück.
Der Tod, der gleichzeitig Ende und Anfang markiert, quillt musikalisch monoton und ständig auf der Suche nach einer besonderen Note aus den Boxen. Nach einem kurzen Intro mit oldschooligen Hip Hop-Beats und einem erwartungsvollen Blick in die Kristallkugel ("Ach, wie schön, dass ich gestorben bin - Ich kam und ging als kleines Kind - War immer da, wo etwas neu beginnt") suhlt sich der Hauptprotagonist in Trennungsschmerz.
Die krächzende Stimme im Sprechgesangsmodus lässt die meiste Zeit nur erahnen, um was es geht. Man hört dem großen Ganzen schon sehr früh an, dass es unbedingt die Masse erreichen will. Autotune, Samples, das hippe Jonglieren mit Sprachfetzen: Kliemann agiert soundtechnisch am Puls der Zeit.
In den Bowling-Centern und auf den Berufsschul-Pausenhöfen laufen ähnlich gestrickte Soundmuster in Dauerration. Man sieht aufgeplusterte Steppjacken und Vape-Dampfwolken vor sich. Und doch wird man das Gefühl irgendwie nicht los, dass Kliemann beim Schreiben seiner neuen Songs möglicherweise eine ganz andere Hörer-Klientel im Sinn hatte. Vielleicht hört die aber auch gespannt zu, wenn sich der ehemalige Hausbootbesitzer mit Synthiesphären aus dem Discounter im Gepäck über klebrige Pommes Frites beschwert ("JPG") oder mit Autotune-Diensten aus der Hölle auf Stimmenfang geht ("FIN").
Auf der Suche nach Highlights tappt man im Dunkeln. Bei "Leder In Asphalt" versucht es Kliemann mit einem Wechselspiel zwischen Melancholie und Aufbruchstimmung. "Klebeband" klingt, als würde Jan Delay eine B-Seite von LEA covern. Und kurz vor Schluss biegt "Die Hoffnung" mit einem 80s-Beat und überzogenen Effekten einfach falsch ab und landet schließlich irgendwo im Allerweltspop-Nirgendwo.
Kryptische Sinnfragen, Reimreisen ins Innere einer überarbeiteten Seele und der "Tod" als Regieassistent für ein musikalisches Filmwerk mit offenem Ende: Fynn Kliemann scheitert am Möchtegern-Arthaus-Projekt für die Straße. Kommerziell betrachtet läuft aber alles nach Plan. Wie auch schon die beiden Vorgänger-Alben "Pop" und "Nie" thront auch das Drittwerk "Tod" an der Spitze der Charts. Auf dieser Ebene scheint Fynn Kliemann alles richtig gemacht zu haben. Vielleicht lassen wir das auch einfach so stehen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum "erfolgreichen" Comeback!
4 Kommentare mit 12 Antworten
Wow was für ein Comeback. Ich glaube retrospektiv wird man sich nicht daran erinnern welche Skandale Fynn so hatte. Klar war die Sache mit den Masken schlimm und sein Verhalten als Chef und Arbeitgeber wirklich daneben. Ich denke dennoch dass man einfach im nachhinein anerkennen muss dass all dass nie darüber hinwegtäuschen wird was für ein absolut selbstmitleidiger, weinerlicher und hipstermässiger Durchschnittssänger er war der Radiomusik für möchtgernalternative Enddreissiger mit chronischem Latte Machiatto Durchfall geschrieben hat.
Mannomann, Mangoman, das trifft ja Mitten ins Herz!
Chronische Latte Mac Diarrhoe schon bisschen (zu) spezifisch, ma sagen... spricht der Man aus eigener, leidvoller Erfahrung?
Du hattest mich in der ersten Hälfte, werde nicht lügen.
@Duri das war meine Rettung, beim möchtegernalternativen Enddreissiger fühlte ich mich so ertappt. Aber Latte Machiatto ist meine Sache glücklicherweise nicht.
Sehr gekonnt, sehr gekonnt, chapeu!
Chapeau nicht chapeu, du Loser!
Wäre der Typ nicht Material für das große Promibüßen? Dann müsste er auch nicht mehr singen!
Fynn Kliemann klingt für mich vibe-mäßig nach Geschlechtskrankheit.
... ganz kurz nur inhaltlich:
"...Wechselspiel zwischen Melancholie und Aufbruchstimmung."
Soll das suggerieren, dass das Gegensätze sind? Also ich weiß ja nicht. Melancholie war bei mir zumindest immer das Bindeglied zwischen Depression und Aufbrauch, das Wechselspiel war eigentlich das der Vorzeichen INNERHALB der Melancholie. Sie kann sowohl als Antrieb, als auch als Abtrieb dienen. Ist zumindest meine Meinung. Meistens empfand ich Melancholie als etwas sehr schönes, das dafür diente, das Vergangene als Teil meiner Identität zu akzeptieren und ein neues Kapitel zu begehen. Womit wir ja wieder bei Lombardi wären. DAS ist gelebte Melancholie. Ein neues Kapitel am Horizont sehen. Ja!
*Aufbruch sollte das heißen. Was ein wundervoller Tippfehler. Kannste keinem erzählen. ❤️ an mich.
Soll das jetzt originell sein? Du schreibst nur Scheiße.
Ja, sollte es. Ich mag pragmatische Menschen wie dich.
Ich finds dann doch ganz erfrischend, dass Losti hier zwischen dem üblichen Rumgetrolle, ungehört 1/5, politischen Grundsatzdiskussionen, unnötiger Klugscheisserei und überflüssigen Beleidigungen (Gruß an Dr_Mubasi), diese Deepness einer depressiv verstimmten Teenagerin reinträgt, die zu Billig-Rotwein und Regen in einem Ikea-Jugendzimmer philosophiert. Das ist doch schön.
Danke. Nur pass auf: Teenager sind sehr sensibel für gewisse Themen. Nur weil sie altermäßig unter uns agieren, heißt das nicht, dass manche Erkenntnisse zu den Themen Arbeit, Sinn und Autorität ebenfalls veraltet sind. Man kann immer das beste aus allen Welten mit nehmen, man muss nicht alles liegen lassen bzw. nach Otto-Katalog altern.
Trag deine prätentiösen Ergüsse bitte auf einem poetry slam vor hässlichen Theaterpädagoginnen vor. Du wirst sehr großen Erfolg haben.