laut.de-Kritik

Gleicher Film, andere Perspektive.

Review von

Wer glaubt, die Liebe währt ewig, hat nicht zugehört, als Ghostface Killah in "Twelve Reasons To Die" die Geschichte Tony Starks' aufrollte. Rekapitulieren wir noch einmal: Nicht etwa die Liebe brachte den Protagonisten seines haarsträubenden Mafia-Horror-Plots aus dem Totenreich zurück, sondern der ungestillte, unstillbare Durst nach Rache.

Produzent Adrian Younge baute dem Drama die perfekten Kulissen. Doch wer, bitteschön, sagt denn, dass daneben kein Platz für andere, ebenfalls perfekte Varianten übrig bliebe? Zum Glück der kopfnickenden Welt: niemand. So wanderten die Tonspuren mit Ghosts gerappter Gruselgeschichte nicht nur in Younges Studio, sondern auch nach Detroit. Dort nahm sich Apollo Brown der Aufnahmen an und strickte dem Mob-Märchen ein weiteres, ganz anders geschnittenes Gewand.

Sein "Brown Tape" erschien anlässlich des Record Store Days, seinem Titel entsprechend, ursprünglich nur als Kassette. Die begeisterten Reaktionen von Fans und Presse bewegten Soul Temple Records aber dazu, die Sache nun doch noch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Danke dafür.

Die Story von Verbrechen, Verhängnis, Verrat und Vergeltung bleibt die selbe wie im Original. Die anders gelagerten Beats verleihen der Handlung jedoch eine neue Atmosphäre, als habe Brown das identische Geschehen aus verändertem Winkel beleuchtet und aufgezeichnet.

Weniger edel, glatt und ausproduziert wirken seine Instrumentals. Dafür erhebt Apollo Brown das verheißungsvolle Knistern alten Vinyls - das sich für das Geschehen als von entscheidender Bedeutung entpuppt - zum zelebrierten Stilmittel.

Eine homöopathische Portion Blues streut er ein, lässt dafür die doch ziemlich exaltierten Gesangseinlagen der ursprünglichen Version weg. Noch zerkratztere Platten, noch staubigere Pianos und Drums, noch souligere Samples ergeben, geschickt zusammengeloopt und mit noch mehr Film-Monologen garniert, ein roheres, körnigeres Gesamtbild mit einem ganz eigenen Charme.

In der repetitiven Umgebung von "I Declare War" erscheint Masta Killa, man möchte es kaum für möglich halten, fast noch lakonischer, Ghostface selbst in "Blood On The Cobblestones" noch getriebener. Der Stimmungsumschwung in "The Center Of Attraction", wenn Cappadonna den außenstehenden, nicht emotional verstrickten Beobachter gibt und seine knallharten, trotzdem ungehört verhallenden Warnungen ausspricht, kommt mir hier noch härter, noch schonungsloser vor.

Dieses "Murder Spree", das auch hier wieder den halben Wu-Tang Clan auf den Plan ruft, klingt, als sei der zuckrigen Überraschungstorte statt des erwarteten leicht bekleideten Mädchens ein halbes Dutzend grantiger Killer entstiegen, die nun nach allen Regeln der Kunst ihre Vendetta durchziehen.

Überall unter den glänzenden Oberflächen gähnen die Abgründe, die Apollo Brown zur Illustration der Geschichte ausgehoben hat. Unter der Wärme lauert eisige Grabeskälte - die Temperatur, in der Rache bekanntlich am besten zu servieren ist.

Als "die größte Herausforderung seiner Karriere" bezeichnete der Reglerschieber aus der Motor City das Unterfangen, für Ghostface' A-Capellas neue Rahmen zu zimmern. Was dabei heraus kam, darf er zu den Perlen in seiner Diskografie rechnen. Boom-Bap - mit der Betonung auf Boom: Wenn rastlose, rachsüchtige Seelen tatsächlich den Weg zurück aus dem Jenseits zurücklegen können, dann, weil ihnen diese Basslinien die Pforten geöffnet haben.

Trackliste

CD

  1. 1. Beware Of The Stare
  2. 2. Rise Of The Black Suits
  3. 3. I Declare War feat. Masta Killa
  4. 4. Blood On The Cobblestones feat. U-God & Inspectah Deck
  5. 5. The Center Of Attraction feat. Cappadonna
  6. 6. Enemies All Around Me
  7. 7. An Unexpected Call feat. Inspectah Deck
  8. 8. Rise Of The Ghostface Killah
  9. 9. Revenge Is Sweet feat. Masta Killa & Killa Sin
  10. 10. Murder Spree feat. U-God, Masta Killa, Inspectah Deck & Killa Sin
  11. 11. The Sure Shot (Parts One & Two)

Instrumentals

  1. 1. Beware Of The Stare
  2. 2. Rise Of The Black Suits
  3. 3. I Declare War
  4. 4. Blood On The Cobblestones
  5. 5. The Center Of Attraction
  6. 6. Enemies All Around Me
  7. 7. An Unexpected Call
  8. 8. Rise Of The Ghostface Killah
  9. 9. Revenge Is Sweet
  10. 10. Murder Spree
  11. 11. The Sure Shot (Parts One & Two)

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10 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Mir scheint es als wenn die Redaktion jedes WU-Album mit 5 Sternen bewertet. Ist ja Okay wenn ihr WuTangClan (und deren Künstler) mögt, ne echt! Die haben auch viel geleistet.. Keine Frage! Aber bewertet mal neutral und gebt nicht für jeden Rotz 4-5 Sterne.

    Es gibt Leute die können mit dem Style nichts anfangen (wie ich). Für mich hat die Musik nichts überraschendes. Man merkt meistens beim WuTangClan nicht wann ein Lied aufhört und wann ein neues beginnt.. Ist ja schön düster und dunkel, aber nach 2-3 Tracks gehts einfach auf die Eierstöcke.

    Ich hätte mir von so einer großen Gruppierung mehr erwartet, aber jedes Ding hört sich gleich an. Die gibts schon ewig und erfinden ihren eigenen Style nie neu.

    Auch "Twelve Reasons To Die" macht da keine Ausnahme. Immer gleiche, drückende Beats, nicht abwechslungsreich und einige Musikelemente zerstören einen eig. ganz guten Track vollkommen, und das mehr als 2x!! Wenn man zugedröhnt einschlafen will ist sowas perfekt, aber Meilenstein? MEILENSTEIN? Ne oder? Da finde ich E40's "Ghetto Report Card" mehr Meilenstein, aber den Künstler habt ihr nicht mal irgendwie auf dieser Seite............

    2/5 Sterne!!!

  • Vor 7 Jahren

    Meiner Meinung nach ist die Brown-Version wesentlich besser als das Original. Hat für mich tatsächlich mindestens ne 4,5/5 verdient. Sehen hier offensichtlich nicht viele so...

    Dem Original hätte ich jetzt spontan ne 3,5/5 gegeben, nur wegen den Beats.