laut.de-Kritik

Ohne Kracher, aber mit einigen feinen Böllern.

Review von

Gogol Bordello stehen wie kaum eine andere Band im Crossover der Stile für eine umwerfende Live-Show. Mit jedem Gig, den das verquere Konglomerat auf die Bretter bringt, erweitert sich ihre Fanschar um einige Hörer, oder sollten wir besser sagen Feiernde? Mit Granaten wie "Start Wearing Purple" oder dem umwerfenden Schunkler "Mishto" brachten sie auch auf Platte ihre Live-Qualitäten sehr gut rüber. Das gelingt Eugene Hütz und seinen Mitstreitern diesmal auch, "Super Taranta benötigt" jedoch wesentlich mehr Umläufe, bis es klick macht.

Den absoluten Oberkracher sucht man vergeblich. Aber Bangemachen gilt trotzdem nicht. Dafür sorgen unter anderem wieder die humoresk klingenden Lyrics, denen Hützens Hang zum Vortragsstil mit osteuropäischer Färbung einen speziellen Flair verleiht. Er besingt unbekannte Angehörige, die (un)selige Verbindung mit dem Alkohol, der ihm "die Wirbelsäule hoch kriecht", oder beklagt den Gott der Bibel, der dort allzu humorlos erscheint. Jenen Humor kann man Hütz und Co. aber nicht absprechen.

Entsprechend turbulent tönt die klangliche Umsetzung. Mal mit Django Reinhardt auf Speed ("My Strange Uncles From Abroad"), mit orientalischem Einschlag ("Dub The Frequencies Of Love") oder latinolastigem Wehklagen ("Alkohol") hetzen Gogol Bordello auf der Wildsau durch die Stile. Die Multikulti-Truppe bekommt weitestgehend die Kurve und präsentiert Tracks, die zwar schräg klingen, aber insgesamt einen runden Eindruck machen. Gitarren, Schlagzeug, Bass und Fidel erzeugen den ein oder anderen wirren Wirbel, fangen sich jedoch immer wieder, nehmen den Hörer an der Hand und tanzen mit ihm einen Speed-Ringelreihen.

Lediglich einmal geht die fröhliche Polka-Hoppelei vollkommen den Bach runter: "Suddenly ... (I Miss Carpaty)" ist mit den simpel dahin gerotzten Melodiefolgen ein dankbarer Kandidat für die Skip-Taste. Auf der anderen Seite stehen Songs wie "Harem In Tuscany" und "American Wedding", die perfekt dem Kirmes- und Kabarett-Gedanken von Gogol Bordello frönen und eine Steilvorlage für den oben erwähnten Live-Wahnsinn bieten. Zwar mangelt es "Super Taranta" an einem Oberkracher, ein paar feine Böller zünden sie dennoch.

Trackliste

  1. 1. Ultimate
  2. 2. Wonderlust King
  3. 3. Zina-Marina
  4. 4. Supertheory Of Supereverything
  5. 5. Harem In Tuscany (Taranta)
  6. 6. Dub The Frequencies Of Love
  7. 7. My Strange Uncles From Abroad
  8. 8. Tribal Connection
  9. 9. Forces Of Victory
  10. 10. Alcohol
  11. 11. Suddenly... (I Miss Carpaty)
  12. 12. Your Country
  13. 13. American Wedding
  14. 14. Super Taranta!

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9 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    @laut.de (« Gogol Bordello stehen wie kaum eine andere Band im Crossover der Stile für eine umwerfende Live-Show. »):

    .. ja, und deshalb ist es für jemanden, der einfach das Album durchhört und die Band live (noch) nicht kennt, nicht so einfach, Feuer zu fangen. Wären da nicht Songtitel wie "Supertheory of Supereverything" und überhaupt die Texte - ich würde mich stellenweise an die schreckliche Siebziger-Jahre-Schlagerkapelle "Dschingis Khan" (Ralph Siegel, Leslie Mandoki) oder an die idiotische Urständ-Feierei des Eurovisions-Contest erinntert fühlen: Frohsinns-Zwang und "Party-Bums" (Rolling Stone) statt musikalischer Magie. Ich hab diese Band schon so oft empfohlen bekommen, aber ich weiß nach wie vor ziemlich wenig damit anzufangen.

  • Vor 17 Jahren

    ... aber ich freu mich schon auf mein erstes Gogol-Bordello-Konzerterlebnis (10. August). Das wird schon was Tolles!

  • Vor 17 Jahren

    bei RaR waren sie neben Smoke Blow und Disco Ensemble mein absolutes Highlight!

  • Vor 17 Jahren

    Ja, also dass die live ein ziemliches Erlebnis sein werden, scheint fast unabwendbar.

    Aber auch von Platte: Beim zweiten-, dritten mal Hinhören offenbaren sich einem doch einige überraschend witzige und einfallsreiche Pasagen. Besonders die Fidel- und Akkordeon-Begleitung.

    Auf jeden Fall sind die 1.5/5-Punke bei der Rolling Stone-Review zu streng geurteilt, finde ich.

  • Vor 17 Jahren

    Die Wertung vom Rolling Stone ist einfach zu erklären: Kein geschliffenes Englisch, gibt schonmal einen Punkt abzug. Die Kombo sieht irgendwie komisch aus, manche fast wie Landstreicher und sie kommen aus dem ''Osten'', macht nochmal einen Punkt Abzug. Der Kritikier steht wahrscheinlich nur auf Aerosmith, vllt jetzt kurz vor der Rente auch auf Bon Jovi - macht nochmal 1,5 Punkte Abzug wegen Verfehlung der Musikrichtung. Damit wären wir bei 1,5 Punkten, ist doch nachvollziehbar... :D :lol:

    Im Ernst: Der Opener ''Ultimate'' ist live einfach nur genial...dei dei' dei dei' dei dei' dei'...un das live eben entsprechend viel länger als aufm album... ;)