laut.de-Kritik

Mit der Axt gezimmert, statt filigran gemeißelt: grandios!

Review von

Spielfreude ist das höchste Gut, so scheint das Motto von Gitarrist und Sänger Warren Haynes zu lauten. Gov't Mule hatte er 1994 als Nebenprojekt zu seiner Haupttätigkeit bei der Allman Brothers Band ins Leben gerufen. Nach dem Rückzug Greg Allmans und dem faktischen Ende von dessen Combo gehen Mule spätestens seit 2013 als "echte" Band durch. Ein erstes Zeichen dafür lieferte das Album "Shout!", das Don Was auf dem von ihm geführten Label Blue Note veröffentlichte. Weitere folgen nun in Form thematischer Liveaufzeichnungen.

Ein Merkmal von Mule ist es, bei Konzerten an Halloween und an Neujahr Musik anderer Künstler zu spielen, seien es Best Of-Zusammenstellungen oder Meilensteine. Am 31. Oktober 2008 waren Pink Floyd fällig. Gleichzeitig eine Verneigung vor dem grandiosen Album "The Dark Side Of The Moon" (1973) und Keyboarder Richard Wright, der sechs Wochen davor verstorben war.

Was im Bostoner Orpheus Theater vor sich ging, würde Roger Waters und David Gilmour vermutlich nicht gerade vom Hocker reißen, klingt die Interpretation ihres vielleicht besten Werks weniger filigran gemeißelt als mit der Axt gezimmert. Hohe Kunst vs. DIY aus dem Klänge-Baumarkt, könnte man meinen.

Doch genau darin liegt der Reiz. Wo die einen tagelang an einem Gitarreneffekt werkelten, jammten die anderen in kurzer Zeit das gesamte Album durch. Für Bassist Jorge Carlsson war es sogar erst der zweite Gig mit der Band, schreibt Haynes auf der Innenseite des Covers. Andererseits hatten Mule zum ersten Mal eine Lasershow und eine Surround-Anlage am Start. Zwei der drei Background-Sängerinnen hatten tatsächlich schon mit Pink Floyd auf der Bühne gestanden. Außerdem gesellte sich zur Kernband der Saxophonist Ron Holloway, der dem Ensemble zusätzliche Klangfarben verlieh.

Das Ergebnis: So entrückt die Originale klingen, so lebendig wirken sie hier. Vor allem dank Haynes' bluesiger Gitarre und Stimme. Und dank dem Publikum, das mitsingt und mitklatscht, als gäbe es etwas zu gewinnen. Eine Prise Ironie schadet auch nicht, wie die eigenwillige Interpretation von Storm Thorgersons ikonischem Cover verdeutlicht.

Auch wenn sich Mule nicht alle Titel von "The Dark Side Of The Moon" spielen, sind die meisten Stücke aus dem Album plus ein paar weitere Favourites wie "Comfortably Numb", "Shine On You Crazy Diamond" und "Wish You Were Here" vertreten.

Allesamt gelungene Interpretationen, zu denen sich in der Deluxe Edition auf drei CDs eigene Stücke, eine mitreißende Version von "Kind Of Bird" der Allman Brothers Band und eine DVD mit der Bildaufzeichnung des gesamten Auftritts gesellen.

Ein ebenso üppiges, wie gelungenes Paket also, auf das laut Haynes weitere folgen sollen. Die Auswahl ist groß und umfasst unter anderen David Bowie, The Who und The Doors. Die Rolling Stones waren (leider) schon dran. Mit dem passenden Titel "Stoned Side Of The Mule" waren sie im November 2014 am Record Store Day in einer limitierten Vinyl-Auflage erhältlich.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Brighter Days
  2. 2. Bad Little Doggie
  3. 3. Brand New Angel
  4. 4. Gameface
  5. 5. St. Stephen Jam
  6. 6. Monkey Hill
  7. 7. Child Of The Earth
  8. 8. Kind Of Bird

CD 2

  1. 1. One Of These Days
  2. 2. Fearless
  3. 3. Pigs Of The Wing [Part 2]
  4. 4. Shine On Your Crazy Diamond [Parts 1-5]
  5. 5. Have A Cigar
  6. 6. Speak To Me
  7. 7. Breathe (In The Air)
  8. 8. On The Run
  9. 9. Time
  10. 10. The Great Gig In The Sky
  11. 11. Money
  12. 12. Comfortably Numb

CD 3

  1. 1. Shine On Your Crazy Diamond [Parts 6-9]
  2. 2. Wish You Were Here
  3. 3. Million Miles From Yesterday
  4. 4. Blind Man In The Dark

DVD

  1. 1. Liveaufzeichnung

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2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    an sich eine geile Idee, ich bin jedoch etwas enttäuscht. es fehlt eben das leicht filigrane was die floydische Mucke ausmacht. Wenns zu sehr ins muleische abdriftet fangen die Songs an zu verschwimmen und man könnte meinen es klingt wie auf ner Session, mal schräg ,mal nicht so perfekt. Das floydige lebt jedoch auch vom "perfekten" - nicht wie bei Waters wo es 1zu1 kopiert wird, sondern vielmehr bei Gilmour der ja auch variiert und improvisiert (wer 2006 auf der Tour dabei war, wird wissen was ich meine)