laut.de-Kritik

Next Step Stadionrock.

Review von

Haudegen sind in mehr als einer Hinsicht eine außergewöhnliche Erscheinung in der heimischen Musiklandschaft. Den scheinbar vorprogrammierten Selbstmord durch Wechsel von Hip Hop zum diametralen Gitarren-Genre bomben sie lässig mit fetten Chartsnotierungen hinfort. Dazu ausverkaufte Hallen und eine Fanschar, als sei man bereits seit der Kreidezeit unterwegs. Mit dem zweiten Album "En Garde" wird sich dieser Erfolg sicherlich noch steigern. Next Step: Operation Stadionrock.

Ein nahezu Maideneskes Intro macht den Beginn der rockenden Kaperfahrt. Danach breiten die beiden sogleich die Arme gen Publikum aus. Bei "Wir rufen was ins Leben" und "Feuer Und Flamme" warten Haudegen mit typischem Gummi-Metal auf. Der Härtegrad dabei stets abgemildert, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.

Wer hier auf den nächsten NDH-Zug aufspringen möchte, findet sich schnell auf dem Abstellgleis. Denn trotz aller Simplizität lassen sich Haudegens Wurzeln im Deutschrocklager nicht verhehlen. Keine Sekunde lang. Das unterscheidet sie deutlich von den allermeisten Kollegen.

So klingt ein Lied wie "Haus Aus Glas" nicht unerheblich nach Bap-Balladen vom Anfang der 90er. Die rauhfaserigen Tracks stehen nicht selten zwischen Klaus Lages "Monopoly"-Rock ("Alles Oder Nichts") und Gassenhauern der Marke 'etwas härterer Westernhagen' ("Für Die Familie"; "Hölle").

Auch textlich setzen sich die beiden sympathischen Hünen gern zwischen alle Stühle. Stereotype Etikettierungen von 'rechtskonservativ' bis 'Jammerlappen' werden ihnen nicht gerecht. Egal ob Slomotion oder Uptempo: Destruktives Schmollwinkelsektierertum für Wutbürger à la Onkelz, Frei.Wild und Co ist den beiden Haudegen fremd. Das konstruktive, selbstreflexive und empathische Element steht nicht nur bei Tränenziehern wie "So Eine Starke Frau" im Vordergrund. In dieser Disziplin überzeugt vor allem Leadsänger Hagen Stoll als eine Art gutmütiger Riese Wilde'scher Prägung; jenseits von Heuchlertum und Heiligenwahn. Ein Pluspunkt für die auch im teutonischen Showbiz selten gewordene Authentizität.

Bezüglich ihrer Songtexte müssen Sprachästheten jedoch mitunter ganz, ganz tapfer sein. Unbeholfene Zeilen wie "In euren Augen war ich ein Narr, ein Taugenichts mit dem Rücken zur Wand. Doch bin so der Vollkommenheit etwas näher als ein fehlerloser Mann" alarmieren sicherlich nicht nur bei mir die Füllwortsirene. Solch überflüssige handwerkliche Schludrigkeiten sind kein Einzelfall und sollte ab der nächsten Platte Geschichte sein, so man sich nicht späterhin den Vorwurf des 'Gut gemeint als Gegenteil von gut gemacht' einhandeln möchte.

Auch Parolen wie "Das Leben ein Kampf, sind wir die letzten unserer Art" habe ich allein in diesem Jahr dutzendfach gehört. So viele deutsche Bands, die als 'Last Man Standing' den aufrechten Kämpfer geben. Wird es nicht langsam ein wenig zu voll in der angeblich so verwaisten Pathos-Ecke? Witze werden selten besser, wenn man sie bis zum bitteren Delirium wiederholt.

Dem gegenüber stehen indes ein paar sprachliche Fortschritte, die eine klare Weiterentwicklung im Vergleich zum Debüt darstellen. Gelungene Bilder wie "Oft hattet ihr keine leise Ahnung (...) nur der Verdacht wurde laut ..." zeigen Ansätze lyrischer Originalität, die Haudegen zum künstlerischen Normalzustand erheben sollten. Immerhin kommen sie aus dem Sprachgenre.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Wir rufen was ins Leben
  3. 3. Feuer und Flamme
  4. 4. Leuchturm
  5. 5. Der Fehlerlose Mann
  6. 6. En Garde
  7. 7. Haus aus Glas
  8. 8. Alles oder Nichts
  9. 9. Hoelle
  10. 10. Weck mich auf
  11. 11. Für die Familie
  12. 12. Zwei für Alle
  13. 13. So eine starke Frau
  14. 14. Wir kommen zurück

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