laut.de-Kritik

Eine Neugeburt nach 25 Jahren.

Review von

Traditioneller Heavy Metal hatte es in den letzten Jahrzehnten nie besonders leicht. Oft von Hörern härterer Metal-Spielarten belächelt, verkam die einst treibende Stilistik zu einem Sammelbecken für dauergewellte Kastratensänger und Gitarristen-Egomanen in engen Lederhosen. Man hielt sich für den Härtesten, kam dabei aber kompositorisch nie über Kindergarten-Mitsing-Niveau hinaus.

Hell sind da etwas anders. Über ihre bewegte Geschichte gab es wahrlich genug zu lesen. Kurzfassung: In den 80ern einen legendären Untergrundstatus aufgebaut, kurz vor Aufnahme des Debütalbums die Pleite des Plattenlabels miterleben müssen, Auflösung, dann Selbstmord ihres Sängers, 2008 Wiederauferstehung mit zwei neuen Mitgliedern. Einer dieser beiden hört auf den Namen Andy Sneap und hat sich als Produzent inzwischen einen sehr guten Namen gemacht. Ohne ihn hätte es die Neugründung der Band nicht gegeben.

Und nun das zweite Album. Hatten Hell auf dem Erstling vor drei Jahren noch auf alte Demo-Aufnahmen aus den 80ern zurückgegriffen und diese überarbeitet, kann man "Curse And Chapter" mit Fug und Recht als das erste Album der Band seit 25 Jahren bezeichnen, als eine Art Neugeburt. Hier gibt es zwar auch noch drei Songs, die von früher übriggeblieben sind, aber das Gros haben die Mannen aus Derbyshire aus erntefrischen Riffs gepresst.

Ihrem Stil bleiben sie dabei treu: Hell beschwören die Zeit des klassischen Heavy Metal in den 70er Jahren wie kaum jemand momentan, die New Wave Of British Heavy Metal befindet sich stets in unmittelbarer Nähe. Nach dunklem Intro geht es mit der flotten Uptempo-Nummer "The Age Of Nefarious" los, die im Refrain kurz Richtung The Fifth Dimension nickt und deren Klassiker "Aquarius" zitiert. "The Disposer Supreme" im Anschluss legt noch mal einen oben drauf und fährt einige feine Riffs auf.

Die Stärke der Engländer liegt darin, eine große Bandbreite an Stimmungen parat zu haben und viel Wert auf Abwechslung zu legen. "Curse And Chapter" dauert über eine Stunde, langweilt aber zu keiner Sekunde. Die sieben Minuten von "Darkhangel" beispielsweise vergehen im Nu - "and I behold Pan" und der Song endet. Das hört sich alles nach viel Professionalismus und noch mehr Spaß an, und darum sind Hell gerade in aller Munde.

Inhaltlich und atmosphärisch spielen die Engländer augenzwinkernd mit Okkult- und Düsterthemen herum. Wer nicht mit Theatralik klarkommt, sollte hiervon besser die Finger lassen. Einige Texte drehen sich laut Sneap aber auch um "historische, politische und religiöse Verfolgung, Intoleranz und Vorurteile". "End Ov Days" liest sich wie ein Songtitel von Behemoth, klingt wie einer von Judas Priest und für den Refrain könnte eine gewisse Bardentruppe aus Krefeld Tantiemen einklagen. Hier setzt auch die Kritik an: Was Hell treiben, hat man alles schon mal gehört. Oft sogar. Aber irgendwie schaffen es die Burschen, diese ganzen Versatzstücke auf schöne Art und Weise neu zusammenzulöten und frisch klingen zu lassen.

Zumindest wenn man David Bowers Stimme ertragen kann. Wie Kollege Edele in der Kritik zu "Human Remains" schon andeutete: Manchmal nervt der Typ enorm. Andererseits wirft er sich mit Hingabe in jede Silbe und ist vermutlich genau die Art von Frontmann, die man sich auf der Bühne wünscht. Außerdem bleibt der Mensch stets melodisch bei seinem Gekrähe.

Und so gehen dann doch beide Daumen nach oben für eines der besten Alben, das der klassische Heavy Metal seit langer Zeit hervorgebracht hat.

Trackliste

  1. 1. Gehannae Incendiis
  2. 2. The Age Of Nefarious
  3. 3. The Disposer Supreme
  4. 4. Darkhangel
  5. 5. Harbinger Of Death
  6. 6. End Ov Days
  7. 7. Deathsquad
  8. 8. Something Wicked This Way Comes
  9. 9. Faith Will Fall
  10. 10. Land Of The Living Dead
  11. 11. Deliver Us From Evil
  12. 12. A Vespertine Legacy

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