laut.de-Kritik
Unerklärlicher Absturz der Hatecore-Legende.
Review von Ulf KubankeNichts ist schlimmer als einem geschätzten und ehemals großartigen Künstler beim Schaufeln des eigenen musikalischen Grabs zuzuschauen. 50 Lenze zählt Helmet-Kopf Page Hamilton mittlerweile und scheint knietief in einer kreativen Midlife Crisis zu stecken. Aus dem ewigen Jazz-/Hatecore-Olymp stürzt er mit "Seeing Eye Dog" jedenfalls ab.
Schon der Opener "So Long" dürfte als schlechtestes Lied des gesamten Helmet-Schaffens in die Geschichte eingehen. Langweiliger Schweinerock paart sich hier mit einem Gewölle kotzenden Ungesangs, der vollkommen abtörnt. Der Titeltrack gibt sich musikalisch zwar ein wenig aufgeräumter, doch auch hier verbreitet Hamiltons Gesang schieres Unvermögen. Die Krönung: Das Schnarchrotzgeräusch zu Beginn.
"LA Water" lässt endlich Spurenelemente des alten Helmet-Spirits erkennen, doch schon das folgende "In Person" fällt zurück in langweilige Einfallslosigkeit. Vor nicht allzu vielen Jahren hätte Hamilton so etwas nicht einmal als B-Seite verwendet.
Einzig "Morphing" überzeugt in seiner flächigen Pracht als Ambient-Doom-Soundscape mit bedrohlicher Atmosphäre. Es ist jedoch bezeichnend für das Album, dass ein Instrumental als Höhepunkt durchgeht. Man freut sich eben auch, einige Minuten Ruhe vor Hamiltons kaputtem Gesang zu haben. Das Beatles-Cover "And Your Bird Can Sing" schießt den Singvogel dann vollends ab. Die unzerstörbare Melodie findet sich im Schlammbad grauen Alternative-Gegniedels der denkbar uninspiriertesten Sorte wieder.
Auch die beigelegte Livescheibe der 2006er Warped Tour entschädigt kaum, wobei die Best Of-Songauswahl nicht uninteressant ist. Erschreckend gleichwohl, wie über alle Maßen ausgezehrt und müde die eigentlich tollen Lieder hingeklatscht werden. Filigranität weicht Matschrock. Die Tonqualität der Mitschnitte erreicht ohnehin gerade mal durchschnittlichen Bootleg-Standard.
Wer das alles durchhält, ist hinterher im wahrsten Sinne am Ende. Hier ist nicht länger Platz für Häme und Spott. Der Niedergang des Hauses Helmet ist tragisch, unerklärlich und nicht im Geringsten nachvollziehbar. Hoffentlich besinnt sich Page Hamilton und findet bald zu alter Stärke zurück. Ich werfe derweil "Meantime" als Requiem auf den Plattenteller.
19 Kommentare mit 4 Antworten
Uh, das war hart. Das Helmet ihre Hochzeit lang hinter sich haben, war ja klar, aber jetzt der Totalabsturz? Muss ich mir mal anhören.
Ja, das war hart. Leider größtenteils berechtigt. Drei Songs, die im Text nicht erwähnt werden, versöhnen mich: Der Titelsong, Miserable und She's Lost. Miserable ist sogar fast ein kleiner Hit.
Das klingt bitter, dba. Ich trau' mich gar nicht, mir das Ding mal anzuhören.
Habs mir jetzt auch mal angehört und muß sagen, zwei Punkte hätte ich schon gegeben. Im Vergleich zu anderen Bands immernoch Durchschnitt, gemessen an der eigenen Diskographie aber wirklich nur noch lauwarm. Gerade Page Hamiltons Gesang ist ziemlich kaputt. Das er sein eigenes "Denkmal" sozusagen einreißt, denk ich aber nicht. Für die Kids von heute ist Helmet eh kaum noch relevant. Alle, die sie aber kennen, können ihnen angesichts ihrer alten Hits sicherlich verzeihen.
"Hatecore"??? Seit wann machen Helmet Musik für Nazis? Und seit wann überhaupt irgendeinen "Core"??? Ich glaub es hackt?!
Der Fehler bei Helmet, den die Leute immer immer wieder machen, ist, dass eine Weiterentwicklung von Page Hamilton negiert wird; er darf das nicht! Nicht ER!
Ja Leute, lasst die Kirche - samt EUREM selbst geschreinerten Altar - mal endlich im Dorf und den Band-Backkatalog im altehrwürdigen Plattenschrank. Unabhängig vom früheren Schaffen betrachtet, ist sein Output immer noch ziemlich schroff, kompromisslos und unkommerziell (der Titelsong, "Miserable", "She's Lost". Gleichzeitig aber auch melodiös und groovend ("LA Water","White City") Ich kann die Songs, die seit der Jahrtausendwende von Helmet im Radio liefen an ein oder zwei Fingern abzählen. Verdient haben Helmet das nicht. Mainstream schien (2009) und scheint (heute) dann wohl doch noch anders zu klingen, selbst im harten Sektor. DAS kann also nicht der springende Punkt sein. Aber warum klingen die Songs dann so, wie sie klingen? Warum nicht mehr Noise, mehr Vertracktheiten, mehr swingender Groove, mehr Jazz(!), mehr "früher" halt??? Na ganz einfach: Weil er es genau SO haben will. Weil er SEIN Ding durchzieht und auf das scheißt was von ihm erwartet wird. Weil er vielleicht nicht mehr so Songs schreibt wie vor 25 Jahren, weil sich der Aufnahmeprozess ziemlich gewandelt hat, weil sein Input sich verändert hat blablabla blabla... Sein verändertes (NICHT verschlechtertes!) Schaffen kollidiert mit der heutigen zu hohen Erwartungshaltung der Leute. Er ist ein sich weiterentwickelnder Mensch, kein Roboter. Und genau so wie Helmet klingt, klingt Helmet heutzutage nun einmal! Wer heute die neueren Helmet kennen lernt und sich nach und nach in den Fundus vertieft, wird vielleicht sogar mit den alten Scheiben eventuell gar nichts anfangen können, weil sie zu sehr nach 90er oder zuviel nach Noise oder sonstwas klingen... Hört die alten Platten oder passt Euch an die "neuen" Gegebenheiten an, wachst mit der Band oder lasst es bleiben, aber dieses kindische "Meantime-Betty-Aftertaste"-Mimimimimi ständig, meine Fresse! Erwartungshaltung und Voreingenommenheit abwerfen und Ohren aufsperren, nur darum gehts bei Musik! Da steckt noch so viel Helmet an allen Ecken drin, dass ich mich frage: Habt Ihr das Zuhören verlernt?
Speziell zur Rezension: Das Instrumental Morphing soll das Highlight der Platte sein? Hmm nun ja, Geschmäcker sind halt verschieden... Für mich stellt es nur ein Interlude dar, aber keinen wesentlichen Inhalt, schon gar keinen *ähem* Helmet-typischen... Jeder Filmkomponist erstellt sowas vermutlich im Vorbeigehen; das einzige Stück bei dem ich ehrlich gesagt gähnen würde. Wenn ich müsste. Muss ich aber nicht, ist nämlich gut; erinnert mich jedesmal an den Film "Heat". Wo PH ja musikalisch mitgewirkt hat.
Zum Beatles-Cover: Ich persönlich finde PH's Version von "And your bird can sing" sogar besser als die Ursprungs-version der Beatles. Viel besser. Von Uninspiriertheit keine Spur, er hat dem Song den nötigen Schliff verpasst, der dem Original mMn fehlt.
Im Großen und Ganzen eine gute Platte mit rotem Faden, der z.B. bei der "Size Matters" irgendwie fehlte - auch die einzige Platte der Neuzeit Helmets, die in meinen Ohren schwächelte.
Wenigstens wieder einmal ein Beweis, dass auf Rezensionen so ziemlich geschissen ist. Danke dafür.
helmet = hatecorelegende ???????
da kommst ernsthaft nach 6 (!) jahren ums eck, um dich an nem vergilbten druckfehler auf zu geilen?
...alter, das kannst du besser.
aber natürlich, bin ich im kontext zur neuen von dir rezensierten helmet drauf gestossen.
außerdem hat alte fäden durforsten und kommentieren ja ne schöne tradition auf laut.de.
und wenn das nen "druckfehler" sein soll, dann fress ich nen besen, da hast schlicht und ergreifend mal kräftig daneben gelangt !
btw., auch wenns 6 jahre her ist, aber vll. erinnerst du dich ja, was sollte denn dann dort ursprünglich mal stehen ?
"jazz-/hardcore" sollte da stehen. da hätten zwar auch viele gemeckert. aber besonders im livekontext mit der caspar brötzmann-band fand ich das irgendwie angebrachter als "alternative".
dass hamilton weder carnivore noch cro-mags ist, ist mir schon klar.
ja, nur würde dann halt da stehen "hardcorelegende" und das ist ebenso unpassend wie "hatecorelegende", da helmet mit hc eigentlich nix zu schaffen haben.gehen vll. mit viel guten willen noch als son post-hc ding durch.
und egal was sie da live mit dem caspar brötzman angestellt haben (kenne besagtes material nicht), es wird in hc-kreisen bestimmt nicht für den olymp gereicht haben, hätte ich was von mitbekommen