laut.de-Kritik

Trent Reznors Albumdebüt mit Ehefrau Mariqueen Maandig.

Review von

"Willkommen in der Vergessenheit" - einer Newcomerband würde man solch einen Albumtitel mit Häme um die Ohren schleudern. Bei Trent Reznor verbietet sich derlei von vornerein, auch wenn sich der Amerikaner mit einem anderen Projekt unsterblich machte.

Seine nun auch schon drei Jahre alte Entscheidung, mit Ehefrau Mariqueen Maandig zu musizieren, dürfte sich mit den Beweggründen Til Schweigers decken, ständig die eigenen Kinder mit an seine Drehorte zu schleppen: Trotz Arbeit verbringt man so einfach mehr Zeit mit Menschen, die einem wichtig sind. Praktisch. Ob das Publikum diese Idee auch gut findet, steht naturgemäß auf einem anderen Blatt.

Durchweg positiv wurde zuletzt die Nachricht aufgenommen, dass Reznor seine Nine Inch Nails wieder für Touraktivitäten reanimiert. Warum er dafür ausgerechnet diesen Zeitpunkt wählte, wo er doch drei Jahre lang mühevoll versuchte, den Fokus von NIN auf sein neues Hauptprojekt zu lenken, ist nur eine rätselhafte Begleiterscheinung des Releases.

Auch seine neuen Buddys von der Major-Industrie konnten den Maestro offensichtlich nicht von der schon zu Vinyl-Hochzeiten uncoolen Idee abbringen, gleich vier (!) bereits bekannte Tracks nochmal zweitzuverwerten. Erschwerend kommt hinzu, dass dadurch die von Reznor stets als konzeptionelles Ziel vorgegebene Track-Homogenität des Albums kaum Gestalt annimmt.

Wer das Avantgarde-Ambient-Projekt in seiner bisweilen smarten Betulichkeit bisher schätzte, bekommt mit "Welcome Oblivion" eine erwartungsgemäße Zugabe. Musikalische Überraschungen wie 2012 das in den Synth-Häcksler geworfene Folk-Stück "Ice Age" bleiben aus. Der Großteil der Platte besteht aus den bekannten schleppenden, sphärisch-verzwirbelten Soundscapes, die einen im besten Fall diffus an NIN, im schlechtesten an einen ganz speziellen Song erinnern (etwa die Refrainworte von "Too Late, All Gone" an "Everyday Is Exactly The Same").

Allenfalls "How Long?" könnte noch diejenigen verwundern, die nicht wussten, dass Reznor in den 80er Jahren sein Taschengeld als Keyboarder in einer eindimensionalen Popband verdiente. Ähnlich glatt klingt jedenfalls der Refrain der Nummer, den man in ähnlicher Form und ohne Störgeräusche auch in einem Christina Aguilera-Song unterbringen könnte.

Der Opener "The Wake-Up" macht dagegen gleich alles richtig: Ähnlich dem bereits von der "Omen EP" bekannten "The Loop Closes" wuchern Reznor und sein Sound-Adjutant Atticus Ross ("The Social Network", "Ghosts I-IV" hier mit grammygestählter Maschinenpark-Dominanz. In den wabernden Soundfluss purzeln abgehackte Sprachfetzen von Maandig hinein und stützen die bedrohliche Atmosphäre perfekt, wie man ihr überhaupt zugute halten muss, dass sie sich stets songdienlich einbringt. In den Strophen des erwähnten "How Long?" oder natürlich in "Ice Age" entkräftet sie den Vorwurf der säuselnden Aushilfssängerin ausreichend.

Dennoch leisten sich HTDA auch auf Albumlänge unentschlossene Tracks wie "And The Sky Began To Scream" oder "We Fade Away", die zwar in Ansätzen gefallen und wie der gesamte Rest mit einer makellosen High End-Produktion prahlen, bei Beginn des jeweiligen Folgetracks aber schon wieder aus dem Gedächtnis verschwunden sind. Das instrumentale "Recursive Self-Improvement" dagegen ist keine bloße Soundspielerei eines Studio-Moguls, sondern ein im Stile des Warp-Acts Plaid packend inszenierter Soundtrip.

Maandigs (verfremdeter) Rrriot Girl-Vortrag in "Welcome Oblivion" sowie der sinnliche wie fröstelnde Pop in "Strings And Attractors" zählen ebenfalls zu den Höhepunkten einer Platte, die es trotzdem schwer haben wird, aus dem Schatten der Reznor'schen Gewalt-Diskografie auszubrechen. Aber das muss ja auch nicht immer die Prämisse sein.

Trackliste

  1. 1. The Wake-Up
  2. 2. Keep It Together
  3. 3. And The Sky Began To Scream
  4. 4. Welcome Oblivion
  5. 5. Ice Age
  6. 6. On The Wing
  7. 7. Too Late, All Gone
  8. 8. How Long?
  9. 9. Strings And Attractors
  10. 10. We Fade Away
  11. 11. Recursive Self-Improvement
  12. 12. The Loop Closes
  13. 13. Hallowed Ground

Weiterlesen

5 Kommentare