laut.de-Kritik

Edel und festlich, aber bitte bloß nicht zu modern!

Review von

Howard Carpendale hat es nicht unbedingt leicht. Allzu viele Freiheiten genießt ein Interpret seines Schlages ja nicht: Neue Songs wollen die Leute im Grunde gar nicht hören, sie verlangen nach den immer gleichen alten Gassenhauern. Wenn man die nicht auf der hundertsten Best-Of-Compilation einzig in veränderter Reihenfolge anordnen will, bleibt nur, sie neu einzukleiden. Auch dabei halten sich die Optionen in engen Grenzen: Zu experimentell darf es nicht werden, bloß nicht zu modern, keinesfalls allzu anders ...

Carpendale und seine Mitstreiter ziehen sich elegant, wenn auch nicht allzu originell aus dieser Affäre. Das Budget erlaubt es, also: Warum nicht ein Sinfonieorchester anheuern, um die "Symphonie Meines Lebens" in Szene zu setzen? Das wirkt edel und - passend zur schon wieder unaufhaltsam heraufziehenden Adventszeit - angemessen festlich und sollte niemanden verschrecken.

Zumal die neuen Arrangements die Substanz von Schlager-Klassikern wie "Hello Again" oder "Ti Amo" wirklich nahezu unangetastet lassen. Sie rollen lediglich einen opulenten Orchesterteppich mit üppigem Streicher- und Bläserdekor unter den längst Lagerfeuer-Inventar gewordenen Gitarren- und Gesangsmelodien aus.

Am deutlichsten illustriert den komplett fehlenden Wagemut wahrscheinlich "Alice": Kreieren die gezupften Geigen und die Bläser zu Beginn noch wohlige Peter-und-der-Wolf-Atmosphäre, rutscht der Song mit einsetzendem Refrain wieder gnadenlos zurück auf die ausgefahrene Mitklatsch-Schlager-Schiene. Wie gesagt: bloß keinen irritieren. Schade.

Dem Interpreten selbst spielt die reichhaltige Untermalung teils in die Karten, teils drückt ihn das Londoner Royal Philharmonic Orchestra aber schlicht gegen die Wand. Dieser Zwiespalt zeigt sich gleich in den ersten Tönen des (wo auch sonst?) sinnig an erster Stelle der Tracklist platzierten "Hello Again": Eine gewisse Brüchig- und Kurzatmigkeit im Gesang lässt sich inzwischen schlecht überhören. Das fällt, eingehüllt in flauschige Streicherschichten, natürlich deutlich weniger stark ins Auge.

Gleiches gilt allerdings auch für die Charakteristika: Wärme und Charme in Carpendales Gesang versumpfen auf dem großen Bahnhof stellenweise leider ebenfalls ordentlich. Trotzdem macht der Hausherr immer noch eine um Welten bessere Figur als seine beiden Gäste: Warum "Deine Spuren Im Sand" als Duett mit Patricia Kelly aufgezogen werden muss, erschließt sich so wenig wie die Funktion von Cliff Richard in "Samstag Nacht". Er liefert immerhin den Aufhänger für ein schmissiges "Sing it, Cliff!"

Die hier penetrant jubilierenden Streicher setzen einen wahrhaft merkwürdigen Kontrast zum Songtext, der sich ja wohl immer noch um Einsamkeit und das Gefühl des Verlassen- und Vergessen-Werdens dreht. Ich komm' mir vor wie bei Andrea Berg, wenn sie sich mit ins Gesicht zementiertem Formationstänzergrinsen schier ein Bein darüber abfreut, tausendmal belogen worden zu sein: Juhu, "die Sehnsucht kommt wieder, in jeder Samstagnacht, du machst die Augen zu, tanzt einen Blues, niemand hat an dich gedacht", Mensch, was haben wir alle gelacht.

Komplett stimmig wirkt dagegen die walisische "Hotel California"-Version: Bei "Laura Jane" fahren Carpendale und das Orchester wirklich alles auf, um die düstere Schauergeschichte stimmungsvoll in Szene zu setzen. In "Wem..." fügt der leicht überkandidelte Backgroundgesang dem ebenfalls eher dunklen Gesamtbild einen angenehm frischen Akzent hinzu.

Die schwelgerische Note passt gut in "Eine Nacht In New York City", wenn der alte Globetrotter Carpendale von seinen Weltreisen die auch an anderen Stellen immer wieder durchschimmernde Erkenntnis mitbringt: Sehnsucht, Trauer, Verlust und Einsamkeit fühlen sich überall haargenau identisch an. Heruntergebrochen auf Gefühle sind wir letzten Endes alle gleich: eine zutiefst versöhnliche, verbindende Botschaft, die aktuell gerade wieder nötiger denn je erscheint.

Im starren Rahmen der Erwartungen an ein "neues" Howard Carpendale-Album dürfte "Symphonie Meines Lebens" so ziemlich das beste sein, das sich darin verwirklichen ließ. Dazu passt auch das freundliche Fazit im abschließenden Titeltrack, in dem es rückblickend heißt: "Ich hab' nichts bereut." Beneidenswert, wer solches von sich behaupten kann.

Trackliste

  1. 1. Hello again
  2. 2. Unter Einem Himmel
  3. 3. Ti Amo
  4. 4. Wem...
  5. 5. Eine Nacht In New York City
  6. 6. Deine Spuren Im Sand feat. Patricia Kelly
  7. 7. Nachts, Wenn Alles Schläft
  8. 8. Es geht um mehr
  9. 9. Samstag Nacht feat. Cliff Richard
  10. 10. Tür An Tür Mit Alice
  11. 11. Laura Jane
  12. 12. Symphonie Meines Lebens

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