laut.de-Kritik
Dieser Sound prügelte Polos und Mountainbikes auf Lowrider-Level.
Review von Stefan Johannesberg"What? We got a problem here? We got a problem?" 1991 kannte jeder behütet aufgewachsene Halbstarke auf dem Hochhausparkplatz seinen Doughboy. Kian, Nico, ich, einfach alle hauten sich die "Boys In The Hood"-Zitate um die Ohren wie Bandanas. Es war die Zeit von Ice-T, Boo-Yaa-Tribe, Riots in L.A., Nazis im Dorf, Gangs in Kiel – zumindest gefühlt waren wir im Schrebergarten alle Ice "Doughboy" Cube – the wrong niggas to fuk wit.
Bereits die mit purer Power herausgerotzte Opening-Line vom zweiten Soloalbum des charismatischen Ex-NWA-Rappers - "God damn, it's a brand new payback" – prügelte Polos und Mountainbikes auf Lowrider-Level. Scheiß auf die GTI-Prolls mit Onkelz-Dreck, auch Hardcore-Punk verlor langsam an Faszination, die coolen Säue rockten mit Westcoast-Hip Hop das Haus – und Ice Cube stahl allen mit Star-Appeal die Show.
Jung, brutal und gutaussehend rollt Cube nach dem NWA-Ende auf "Death Certificate" mit rebellischen Reimen über hart groovende G-Funk-Beats. Dominierten auf seinem ebenfalls legendären Debüt "AmeriKKKa Most Wanted" noch politische Public Enemy-Attitüde und deren hauseigene Bombsquad-Beats, knetet O'Shea Jackson hier aus jenen Black Panther-Parolen plus gnadenlose Ghetto-Realität einen explosiven Molotow-Cocktail – und damit das künstlerische Zeit-Dokument des L.A.-Schmelztiegels Anfang der 90er.
Der bereits erwähnte "Wrong Nigga To Fuk Wit"-Opener erinnert mit Sirenen und Sample-Wahnsinn aus Parliament, James Brown und Funkadelic noch ein wenig an den Vorgänger: "Fuck you Ice Cube, that's what the people say / Fuck AmeriKKKa, still with the triple K / Make sure / before you buck wit duck quick / Punk, cause I'm the wrong nigga to fuck wit."
Doch bereits seine "Summer Vacation" führt den pubertierenden Dorf-Diesel-Popper ins Gangsta-Milieu. Ice Cube nimmt hier die Rolle des klassischen Hustler-Dealers ein, der das heiße Pflaster L.A.s verlässt, um in St. Louis Drogen zu verticken.
"Police looking at niggas through a microscope / In L.A. everybody and they momma sell dope / They trying to stop it / So what the fuck can I do to make a profit? / Catch a flight to St. Louis / That's cool, cause nobody knew us."
Die Boogiemen lösen die Bombsquad hinter den Reglern ab und versorgen ihren Kunden mit George Clintons "Atomic Dog", fett-platschenden Snares und noch fetteren Bässen. Cooler than a cooler würde jetzt Chief Keef reimen, für die Walkmänner aus der Vorstadt jedoch der Soundtrack zum Aufgang.
Dass Ice Cube im echten Leben eher der kalifornische Vorgänger eines Nas war, als ein richtiger Gangsta, zeigt allein schon die Tatsache, dass "Death Certificate" ein klar durchdachtes Konzeptalbum ist. Auf "The Death Side" führt uns der Würfel auf die Straßen L.A.s, wo Bloods, Crips und Gangs ihren Käse verzapfen. Neben der "Summer Vacation" cruisen hier vor allem das tonnenschwer kriechende "Steady Mobbin" und die mächtig-walzende Hymne "A Bird in the Hand" durch die Hood.
Auf "Steady Mobbin" berichtet er aus dem Leben im Compton – als aggressiverer Vorläufer vom späteren "It Was A Good Day". Bei "A Bird In The Hand" erstrahlt dann sein Storytelling im hellsten Lichte. Ice erzählt, wie ein junger Mann ins Drogen-Milieu rutscht, nachdem er mit regulären Jobs seine Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte: "... a bird in the hand is worth more than the bush ..." (G. W. natürlich).
Der zweite Teil - "The Life Side" – beginnt mit "The Birth" und geht dann nahtlos in "I Wanna Kill Sam" über. Einmal mehr schießt Cube im Stile des Debüts sprichwörtlich auf die weiße US-Regierung, die Army und Uncle Sam. Die Formel aus Provokation, Keep it real, Charisma und Black Panther funktionierte ja bereits zu NWA-Zeiten (und später auch bei 2Pac) prächtig und dieser widersprüchliche Mix spielte uns edel-alternativen Jugendlichen mit Hang zum Coolsein natürlich in die Skat-Karten: Man konnte Ice Cube und Co. gefahrenlos im linken Jugendzentrum oder beim türkischstämmigen Fußballkollegen pumpen.
"You can burn your cross well I'll burn your flag / Try to give me the H-I-V / So I can stop makin babies like me / And you're givin dope to my people chump / Just wait til we get over that hump."
"The Life Side" soll neben den brutalen Bestandsaufnahmen der "Death Side" laut Künstler selbst die "vision of where we need to go" enthalten. Wir erinnern uns wieder an Doughboy und "Boys In The Hood". Ice Cube droppt im Stile von Schauspieler Laurence Fishburn das Wissen, deren Inhalt auch heuer leider noch aktuell ist. "Look Who's Burnin'" berichtet über die Gefahren von Geschlechtskrankheiten in Armenvierteln und in "Color Blind" spricht sich O'Shea Jackson für Frieden zwischen den Gangs auf.
Mit "Black Korea" spielt Ice Cube jedoch mit dem Feuer. Er nimmt die Stimmung der Straße nach dem Tod eines Mädchens in einem koreanischen Kiosk auf (die in den folgenden L.A.-Riots in Hass eskalieren sollte) und raunzt vordergründig eine Warnung an alle Ladenbesitzer im Ghetto raus, ihn bitte nicht zu nerven. "So don't follow me, up and down your market / Or your little chop suey ass'll be a target."
Jene Koreaner sind sichtbar erfolgreicher als die Mehrheit der armen Afroamerikaner aus der Gegend und der Frust über fehlende Perspektiven muss raus wie der Erguss beim Orgasmus. Doch Cube ist zu klug für eine reine Hasstirade. Auch hier stellt er sich als Straßenreporter dar, versetzt sich in die Lage seiner Leute und erzählt. Dass ihm dies den Vorwurf des Rassismus einbrachte, nahm er dabei dankend in Kauf, rollte doch neben der Revolte auch der Rubel nach seinem Geschmack.
Für den Hochhausparkplatz in der Hood spielte das alles natürlich keine Rolle. Ice Cube war so widersprüchlich wie unser Leben selbst und machte uns cooler, stärker und ein wenig klüger. So endet das Album auch, wie es begann. Ice Cube disst mit dem kompromisslosen "No Vaseline" seine Ex-Gefährten with an Attidude und blieb zumindest für einen Sommer "the wrong nigga to fuck wit". Genau wie wir.
Erst des Doctors G-Funk rückte unser Leben 1993 in ein anderes, sonnigeres Licht und wir mussten uns eingestehen: Wir waren nie Doughboy, wir waren immer schon Cuba "Tre" Gooding Junior. In Wirklichkeit ging es uns nur ums Flachdachschneiden, Freundschaft und Frauen. Uns, den Boys from the wood.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
29 Kommentare mit 5 Antworten
Hat der lautuser die ersten beiden Absätze geschrieben?
meisterwek!
Sodi
Ja doch.. habe extra nochmal seine Bio überflogen.. was meinst Du?
@kanakMC (« Sodi
Ja doch.. habe extra nochmal seine Bio überflogen.. was meinst Du? »):
seine bio, wie niedlich...der typ hat nie in compton gelebt, hatte mit gangs nix am hut und macht jetzt fröhliche komödien. ganz nwa war fake.
zwar schon 7 jahre her, aber was solls xD cube wurde nicht in compton geboren aber hat dort gewohnt und ganz south central war so wie compton nicht nur compton. er war in keiner gang aber hatte mit crips zu tun.
für so ein schranz-posting meldest du dich hier extra an? google das thema einfach mal richtig...der typ hat nie in compton gelebt und sozialisert wurde er dort auch nicht. zur schule wurde er aus south l.a. weg nach woodland hills gekarrt und seine eltern gehörten zur afroamerikanischen mittelschicht. die gab und gibt es in south la zb. in gegenden wie baldwin hills d.h. deine aussage bezüglich Compton=south l.a. is müll. check die fakten
Ehre genommen.
kanakMC, Alde, was für Zeiten!
Und so gar nicht mehr nachträglich löschbar!
Sodi
Ach so.. ja nun, die meisten Gangster-Rapper sind Fake.. hat also Tradition.