laut.de-Kritik

The man comes around: Iggy Pop on top!

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Sie: "Du kannst nicht den ganzen Tag im Bett herumlungern und von Heroin und Ziggy Pop träumen!" Er: "Er heißt Iggy Pop!" Sie: "Spielt doch keine Rolle, er ist tot." Der Held des Films setzt nach: "Er ist nicht tot, er war letztes Jahr auf Tour." Es ist wahr, Iggy Pop war 1996 nicht tot, nicht im eigentlichen Sinne. Als Album-Künstler weitgehend unsichtbar. Dafür immer: Auf Tour. Ein anderes Jahrtausend, eine andere Ära, Josh Hommes Stoner Rock-Band Kyuss löste sich auf, Prä-Pop-Depression.

Dann kam Irvine Welsh. Vielleicht quatschte der Iggy vergötternde Romanautor des Junkie-Pornos "Trainspotting" Regisseur Danny Boyle so lange zu, bis dieser "Lust For Life" zum Theme-Song erhob. Eine Coolness-Injektion, längst überfällig und der Punkrock-Rente des Protagonisten zuträglich. "Lust For Life"-Single-Rerelease, ordentliche Konzertgagen, Stooges-Reunion, Erschließung neuer monetärer Erwerbskanäle (Modestrecken, Toys-R-Us-Actionfigur, Internet-Autoversicherung), Rock'n'Roll Hall Of Fame, schließlich: Ein drogen- und sorgenfreies Leben im Seniorenparadies Miami Beach mit rotem Ferrari und Tai Chi. Ikonengerecht. Den ganzen Tag im Bett herumlungern, nur: Wovon träumen?

"I have no plans / I have no debts / but mine is not / the carefree set", raunzt er in "American Valhalla". Das Legendengelaber speichelleckender Schulterklopfer, seine im Festivalturnus zur Schau gestellte, für frühere Drogenabfahrten bewunderte Lederhaut: Das sollte es noch nicht gewesen sein. Raus aus der Komfortzone. Statt Deryck Whibley (Sum 41) vielleicht mal diesem Josh Homme (QOTSA) eine SMS schreiben. Spektakulärer Einfall.

Nur ein Jahr später und "Post Pop Depression" wäre genau 40 Jahre nach Iggys Berlin-Alben "The Idiot" und "Lust For Life" erschienen, aus seiner Ziggy Pop-Phase mit David Bowie, die diese neun Songs heraufbeschwört. Wie Rick Rubin einst Johnny Cash hilft Josh Homme nun Iggy heraus aus seinem engen Korsett, aus einem Sound, der oftmals so klang wie der Name seiner früheren Begleitband: The Trolls.

Dank Dean Fertita (QOTSA) und Matt Helders (Arctic Monkeys) wandert er plötzlich zwischen spartanisch instrumentierten Riff-Vulkanen umher, die stets brodeln, aber nie richtig ausbrechen. Und klingt dabei gefährlicher, als all diese auf Dezibelstärke gepolten Hardrock-Platten. Dinge neu sortieren, Bekanntes ad acta legen, ins Blaue experimentieren: So planten es Pop und Homme nach ersten Gesprächen. So schufen Pop und Bowie damals auch die zwei Alben.

"Post Pop Depression", der Titel hindeutend auf die jahrtausendealte Frage: Was kommt danach? War Iggy 2013 "ready to die", registriert er nun, dass stattdessen die anderen sterben: Ron und Scott Asheton und - als die Songs längst im Kasten waren - sogar Bowie. "Death is the pill that's hard to swallow": Zeilen, die in diesem Zusammenhang viel tiefer gehen als ohnehin schon. "Blackstar"-Feeling.

"American Valhalla" ist aus dieser Perspektive ein Schlüsselsong des Albums. Pop imaginiert sich als überlebender Veteran, der mit 68 immer noch Teil unseres auf knallhartem Wettbewerb basierenden Systems ist, das junge Menschen alten vorzieht. "But if I have outlived my use / please drink my juice", bietet er den Höheren Mächten kleinlaut an, dazu spielt Homme einen stoischen Basslauf, der mit einer lieblichen, asiatisch anmutenden Vibrafonmelodie korrespondiert. Am Ende verstummen alle Instrumente und Iggy flüstert: "I've nothing but my name."

Im Verbund mit Hommes ebenso gutem Namen erfährt Iggy den verdienten Popularitätsboost: "Here comes success", grölte er 1977, nun steht dieser angesichts der eingängigen Songs "Gardenia" und "Sunday" vor der Tür. Im einen swingt er seiner "Gardenia" hinterher, die feine Arrangement-Lehrstunde in der Kunst des Weglassens "Sister Midnight" zitierend. "Sunday" bietet dann relaxt abgehangenen Disco-Funk mit Pop-Hook, gebettet auf Fertitas herrlich asketischen Bassläufen und Helders' rollendem Spiel, like clockwork, Schweizer Ingenieurskunst zitierend. All inclusive: Helders an der Cowbell, weibliche Backgroundsängerinnen, verzwirbelte Homme-Gitarren, großer Abgang mit Cello, Tuba, Streichern und Brimborium.

Iggys Stimme, zwischen tiefem Dröhnen und störrischem Fauchen angesiedelt, verstärkt die "Last Survivor"-Note der nostalgischen Reise. "Break Into Your Heart", im Grunde ein Queens-Song mit Iggy am Mikro, zählt ebenso noch zum zugänglicheren Material, den Rest muss man sich erkämpfen. Von "In The Lobby" bleibt zunächst Iggys "Fun House"-Gedächtnisschrei hängen, der narkotische "I follow my shadow tonight"-Part entfaltet sich später.

"Vulture" ist ein einziges großes Kojotenjaulen und über "German Days" hätte er sich sicher gerne noch mit dem damaligen Sparringspartner Bowie ausgetauscht, der seinerseits schon in "Where Are We Now" über die alten Zeiten gesungen hat. "Schnell-Imbiss and Pope Benedict (...) Heimat means home / Gemütlich home": In Sachen Text-Skurrilität knüpft Iggy fast schon bewusst an Bowies Dschungel, die Nürnberger Straße und den Potsdamer Platz an. Musikalisch auch treffend für das stets asynchron mitklatschende deutsche Schunkelvolk umgesetzt, nur das den Song einfassende, von Homme aus der Them Crooked Vultures-Trickkiste gezauberte Hardrock-Riffing ist natürlich viel zu kompliziert für unsereins.

Dann lieber über die Atempause "Chocolate Drops" schnell ab nach "Paraguay". Da wirds dann analog zum Brando-mäßigen "The Wild One"-Cover noch mal schwer männerbündlerisch: Im Chor singt das Quartett "Wild animals, they do / Never wonder why, just do what they goddam do". Iggy zieht noch einmal Bilanz, er hat genug erlebt, genug Idioten getroffen, genug Geschichten erzählt und malt ein weiteres Mal sein Karriereende an die Wand: "Everybody's fucking scared / fear eats all the souls at once / I'm tired of it / and I dream about getting away / to a new life". Warum Paraguay? Da gibt's Tamales zum Essen und Bankautomaten, mehr brauche er nicht, wie Pop noch ausführt, bevor er sich dann doch noch zu einem Stooges-ähnlichen Rant aufrafft ("You take your motherfucking laptop and just shove it into your goddamn foul mouth").

"Die Platte ist eine verdiente Ehrenrunde für einen Mann, der nicht weiß, ob er gewonnen hat. Aber er hat gewonnen", preist Homme sein Idol. Und wer wären wir, dem zu widersprechen?

Trackliste

  1. 1. Break Into Your Heart
  2. 2. Gardenia
  3. 3. American Valhalla
  4. 4. In The Lobby
  5. 5. Sunday
  6. 6. Vulture
  7. 7. German Days
  8. 8. Chocolate Drops
  9. 9. Paraguay

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