laut.de-Kritik
Haut rein, macht Spaß und reißt mit.
Review von Joachim GaugerSie hatte die Tür leise zugemacht. Und unsere Lippen haben sich seitdem nie wieder berührt. Mein Magen war verkrampft und mir war ziemlich komisch zumute. Frauen werden nie wissen, was sie anrichten können. Aber da war noch etwas Anderes an diesem Abend. Es zappelte in meiner Tasche und rief mich. Es war: die Klarheit. Oder englisch: "Clarity". Ich schaltete den CD-Spieler an, der Kerl streckte mir die Zunge raus, ich legte ihm eine Scheibe Musik drauf und er aß sie. Und dann begann etwas merkwürdiges: Meine Verkrampfung löste sich unweigerlich, als ich die ersten Takte hörte.
"Table of Glasses" ist ein ziemlich mutiger Opener für eine Emo-Rock-Scheibe. Wo es die meisten richtig krachen lassen, kommen Jimmy Eat World ganz gemächlich zur Sache. Und so schön. Gleich bei Track zwei geht's etwas lauter zu, aber mindestens genau so schön. Manchmal bin ich geneigt, ein wenig Angst zu bekommen, wenn ich höre, mit welcher Perfektion dieser kleine, unscheinbare Jim Adkins (Sänger und Hauptsongschreiber) zwei- bis 4-stimmige Gesangsharmonien zaubert und das mit einer dermaßen wunderbaren Mucke verpackt, dass ich mit den Ohren schlackere.
Mark Trombino (seines Zeichen Trommler bei Drive Like Jehu) hat sich an den Reglern mal wieder selbst übertroffen. Für mich ist er momentan einer der besten Produzenten der Welt (er hat auch schon die "Static Prevails" von Jimmy Eat World und Knapsack' "Day Three Of My New Life" abgemischt - unbedingt mal reinhören!).
Aber zurück zur Platte: "Your New Aesthetic" kracht zeimlich rein – ein sehr geil gelungener Balanceakt zwischen fetten Bratengitarren und ganz zerbrechlicher Gesangsstimme, "Believe In What You Want" ist schwermütig und vor allem vom Text her ein Hammer und "A Sunday" ist einfach nur süß. Danach kann man auch mal schön abrocken und mit dem Kopf um sich hauen: "Crush" haut rein, macht Spaß und reißt mit. Gut so, dass musste auch mal sein an diesem bestimmten und vor allem beschissenen Tag vor fast zwei Jahren. So lange ist die Platte nämlich schon auf dem Markt. Warum sie erst jetzt in Deutschland veröffentlicht wird, weiß man nicht.
Aber wie dem auch sei: es ist einfach der Hammer, wie es diese Jungs es draufhaben, einen durch ganze Zimmer zu schleudern, wenn sie Lust haben und einen genauso gut aufs Bett legen und heulen lassen können. Wenn sie nämlich "Just watch the fireworks" anstimmen, ist es um den Liebeskummernden geschehen und alles ist zu spät. Die Tränen rollen und der Hals wird immer dicker. Ob man will oder nicht. Und schon ist es Zeit für ein Resumee:
"Clarity" ist ein wirklich superkalifragilistikexplialegethisches (?) Album. Selten in meinem Leben war mir eine Stunde In-der-Stube-sitzen-und-Musik-hören so unvergeudet vorgekommen, wie an diesem Tag. Und selten hab ich mich nach dem Genuss einer Schallplatte so verstanden, erlöst und glücklich gefühlt. Obwohl sie mich verlassen hatte, die blöde Kuh!
4 Kommentare
wie viele rechtschreibfehler sind denn da drin?? xD
@Nebolous (« wie viele rechtschreibfehler sind denn da drin?? xD »):
?
eines meiner all time faves
Gut gealtert und die Schablone für guten Emorock. Im Gegensatz zu MUSE oder Franz Ferdinand hat die Band bis heute größere Experimente weitgehend vermieden und ist damit echt gut gefahren. Ich höre sie immer noch gerne und bin immer sehr froh, wenn ein neues Album erscheint.