laut.de-Biographie
Johnny Marr
Er ist einer der bedeutendsten Pop-Gitarristen der 80er Jahre: John Martin Maher, geboren am 31. Oktober 1963 im nordenglischen Ardwick/Manchester als Sohn irischstämmiger Eltern und eine Hälfte des kongenialen Songwriter-Duos Morrissey/Marr der Indie-Kultband The Smiths. Mit seinem charakteristisch-schwärmerischen Gitarrensound wurde er in Zeiten dominierender Computersounds zum Retter und Erneuerer der Rockmusik ausgerufen.
Seine Kindheit verbringt Marr (wie er sich später nennt, um Verwechslungen mit dem Buzzcocks-Schlagzeuger John Maher zu vermeiden) mit den kaum untypischen Hauptinteressen Musik und Fußball. 1973 zieht die Familie in den Manchester-Vorort Wythenshawe, wo er unter anderem den zukünftigen Smiths-Bassisten Andy Rourke und auch den späteren Cult-Gitarristen Bill Duffy kennen lernt. Zu jung für Punk gehen die musikalischen Vorlieben Marrs in Richtung Glamrock. Später, noch während seiner Smiths-Zeit, betätigt er sich als DJ und spielt bevorzugt alte Funk-Scheiben von James Brown bis Sly Stone.
Ende 1982 begegnen sich Marr und Morrissey, der Rest ist Geschichte. Knapp fünf Jahre später verlässt Marr, des exzentrischen Frontmanns offenbar überdrüssig, die Smiths, die sich wenige Wochen danach endgültig auflösen und in den Folgejahren einen schier übermächtigen Legendenstatus im Indie-/Alternative-Bereich erlangen. Um dem langen Schatten der "Indie-Beatles" zu entfliehen, zieht Marr vorübergehend in die USA. Den Gedanken, eine eigene Band zu gründen, verwirft er, weil auf ihr "komplett herum getrampelt worden wäre, egal was wir getan hätten".
Um überhaupt noch Musik machen zu können, gibt Marr in den folgenden Jahren den Session-Musiker und spielt für so ziemlich jeden Gitarre, der ihm über den Weg kriecht: Billy Bragg, Bryan Ferry, die Talking Heads, die Pretenders (mit denen er auch ein Jahr lang auf Tour geht) die Pet Shop Boys, die Charlatans, Black Grape, M People, Beck und Oasis - um nur einige zu nennen.
Für die Aufnahmen zum 1989er The The-Album "Mind Bomb" gesellt sich Marr zu seinem alten Kumpel Matt Johnson, den er noch aus seiner Zeit vor den Smiths kennt, und wird für die folgenden Jahre quasi-permanentes Bandmitglied. "Wären Matt und ich damals nicht so pleite gewesen, hätte ich mit ihm The The und nicht The Smiths gegründet" gibt er später zu Protokoll. Ein Glücksfall der Musikgeschichte, dass die Entfernung Manchester-London seinerzeit finanziell unüberwindbar schien.
Ende der 80er, Anfang der 90er in den Zeiten des "Madchester"-Hypes um Bands wie die Stone Roses, Happy Mondays und Inspiral Carpets steigt Marrs Interesse an elektronischer Musik. Der ebenfalls aus Manchester stammende Bernard Sumner hat seinerzeit von New Order die Nase voll und sucht einen Mitstreiter für ein neues Projekt. Er findet ihn in Marr und es entsteht Electronic. Gesanglich unterstützt von Neil Tennant nehmen sie ihre erste Single "Getting Away With It" auf. Es folgen drei Alben ('91, '96 und '99), doch trotz beachtlicher Chart-Erfolge behält Electronic, zumindest was Sumner angeht, immer den Anschein eines Nebenprojektes.
Und so gründet Marr, 15 Jahre nach dem Ende der Smiths, doch seine eigene Band: Er gewinnt Ex-Kula Shaker-Bassist Alonza Bevan und Drummer Zak Starkey (dessen Hauptreferenz darin besteht, Sohn von Ringo Starr zu sein) und als Johnny Marr & The Healers veröffentlichen sie Anfang 2003 ihr Debütalbum "Boomslang", dass ein wenig so klingt, als kopiere der Meister seine Schüler. Dem langen Schatten der Smiths entflieht Johnny Marr damit natürlich nicht.
Nachdem Reunion-Aufforderungen über die Jahre zwar immer mal wieder auftauchen, aber nie großartig kommentiert wurden, schlägt das 5-Millionen-Dollar-Angebot im Jahr 2006 hohe Wellen. So viel Geld würde das Organisationsteam des Coachella Festivals in Kalifornien hinlegen, um Marr und Morrissey gemeisam auf die Bühne zu bekommen. Während der ehemalige Sänger auf einer Pressekonferenz für sein neues Soloalbum absagt, findet Marr auf seiner Homepage nicht weniger klare Worte: "Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber es stimmt: uns wurde angeboten, auf dem Coachella zu spielen. Mir wurden aber auch schon doppelt so hohe finanzielle Angebote für New York, Hyde Park und weiß Gott wo gemacht."
Stattdessen kollaboriert Marr lieber mit ihm wohl gesonnenen Künstlern, so zum Beispiel mit den Pet Shop Boys ("Release", 2002) oder Jane Birkin ("Fictions", 2006). Außerdem sitzt er bereits seit 2005 mit den Healers an einem neuen Studioalbum. Auf der Bühne steht die Mannschaft im Januar 2006 bei einer Charity-Veranstaltung gegen Krebs in Manchester. Mit dabei sind auch die Doves und Shaun Ryder.
Danach geht Marr bei Modest Mouse an Bord. Als Gitarrist und Co-Autor wirkt er am Album "We Were Dead Before The Ship Even Sank" (2007) mit und begleitet sie auch auf Tour, u.a. als Support von R.E.M. in Amerika.
In den USA steigt die Platte auf eins in den Billboard Charts ein und erklimmt auch die iTunes-Download- sowie die Amazon-Chartsspitze. Es ist Johnnys erste Nummer Eins-Platte, mit der Electronic-Single "Getting Away With It" reichte es seinerzeit nur zum Einstieg in die Top 40. 2008 taucht er plötzlich bei der britischen Band The Cribs als Vollzeitmitglied auf. Gemeinsam entsteht das Album "Ignore The Ignorant".
Nebenbei beschließt er mit der Hochschuldirektion der Uni Salford eine fünfjährige Zusammenarbeit als Gastdozent für Musik und Aufnahme. In losen Zeitabständen hält er Vorlesungen, betreut Abschlussklassen und analysiert in gemeinsamer Arbeit mit Studentenbands deren Songs. Schier undenkbar erscheint derweil, was Marr 2013 in die Realität umsetzt: Er veröffentlicht ein Soloalbum ohne die Healers. "The Messenger" ist eine eingängige Indie Pop-Platte geworden, dessen Melodien sowohl auf Marrs Arbeit der jüngeren Zeit, als auch auf seine legendäre Smiths-Zeit rekurrieren. Diese Erfahrung hinterlässt Spuren: Johnny findet schnell in die neue Position als Solointerpret und veröffentlicht mit "Playland" (2014) und "Call The Comet" (2018) weitere Alben.
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