laut.de-Kritik

Der Smiths-Gitarrist schließt Frieden mit der Vergangenheit.

Review von

Johnny Marr und Dave Grohl haben vieles gemeinsam: Beide gelten als unangefochtene Rock'n'Roll-Sunnyboys, denen nicht mal am Horizont irgend jemand etwas Böses wünscht. Die musikalischen Pioniertaten ihrer Jugend wirken nach wie vor alles andere als antiquiert, werden von jeder neuen Generation abgefeiert und verleihen den Protagonisten dadurch den Status der "living legend".

Und doch gibt es einen gewichtigen Unterschied: Johnny Marrs genialer Widerpart der goldenen Historie ist noch am Leben, weshalb der Gitarrist aus Manchester seit exakt 1987, dem Jahr der Smiths-Trennung, mit Fragen nach einer Reunion belästigt wird. Kein einfaches Los, doch der wohl erzogene Marr erträgt es mit Fassung, beantwortet auch unverschämte Fragen gelassen ("Was hatte Morrissey auf seinem Toast?") und besitzt somit den Anspruch darauf, ein Album "The Messenger" zu nennen. Allen Smiths-Nostalgikern sei gleich gesagt: Es ist natürlich kein Smiths-Album.

Stattdessen aber das Album eines Smiths-Gitarristen, der diesen besonderen, selbst entworfenen, hellen Rickenbacker-Klang über die Therapiegruppen-Umwege The Cribs und Modest Mouse endlich wieder in seinem eigenen Sound zulässt.

Gleich bei "European Me" fliegen sich Anhänger des melodieseligen 80er Jahre-Indie Rock verzückt in die Arme, so lässig gelingt Marr die Integration alter Trademarks in ein modernes Gitarrenrock-Klangbild. Dass die abfallende Tonfolge der Leadgitarre entfernt an The Cures "Just Like Heaven" erinnert, schmälert das Vergnügen natürlich in keinster Weise.

Man kennt diesen besonderen Klang und man kennt gewisse melancholische Melodiebögen, was man dagegen nicht so kennt, ist Marrs Stimme. Grohl hatte da mehr Glück: Weil er bei Nirvana nie komponieren musste, stehen seine Foo Fighters heute schön autark da.

Genau wie er hat auch Johnny Marr eine nette, klare Stimme, die nur im Wissen um die ihrer Ex-Sängerkollegen unmarkant oder beliebig wirkt. Vor allem in der ersten Hälfte überzeugt das Album: Auch "Generate! Generate!" wird von Marrs runden Gitarrenläufen nach vorne getrieben, in "I Want The Heartbeat" spannt Marr den Bogen zum Buzzcocks-Punkrock, bevor er im Album-Highlight "Lockdown" alle Singalong-Register zieht und seinen Status als Indie-König untermauert.

Mit generöser Geste wirft er im akustischen Beginn von "New Town Velocity" allen Smiths-Jüngern "Queen Is Dead"-Brocken vor die Füße, bevor er in der trägen Ballade "Say Demesne" dann doch den Faden verliert. Erst der herrlich rumpelnde New Wave in "The Crack-Up" bringt ihn zurück in die Spur und steht mit dem smarten "The Messenger" ganz oben auf der Hitliste.

"The Right Thing Right" und "Upstarts", die an die uninspirierteren Cribs-Sachen erinnern, sind zu vernachlässigen, in "Word Starts Attack" begeistert vor allem Marrs dickes Punk-Riff, gegen dessen Klasse sich der Song ein bisschen schwer tut. Textlich sollte man auch nicht so genau hinhören, wenngleich sich manches Klischee nicht verheimlichen lässt ("I want the heartbeat / I want the heartbeat / Get me your whole machine / technology, technology"), aber wir haben es hier halt einfach mit einem Gitarristen zu tun, der seine Lieder singt - einer der besten seiner Generation obendrein.

"The Messenger" ist ein vielseitiges, teilweise überraschendes Album geworden, das Marr hoffentlich den zweiten Frühling beschert, den sein bekannter Fan Noel Gallgher mit den High Flying Birds 2011 genießen durfte.

Trackliste

  1. 1. European Me
  2. 2. Generate! Generate!
  3. 3. I Want The Heartbeat
  4. 4. Lockdown
  5. 5. New Town Velocity
  6. 6. Say Demesne
  7. 7. Sun & Moon
  8. 8. The Crack-Up
  9. 9. The Messenger
  10. 10. The Right Thing Right
  11. 11. Upstarts
  12. 12. Word Starts Attack

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1 Kommentar

  • Vor 11 Jahren

    Interessant, dass Noel erwähnt wird. Als ich das Album von Marr zum ersten Mal hörte, hatte es mich an Noel Gallagher's High Flying Birds erinnert (und tut es immer noch). Auch wenn Marr hier deutlich rockiger rüberkommt. Hab die Platte schon ein paar Mal durchgehört - so viel ist noch nicht hängengeblieben, aber schlecht klingt die Platte nicht und daher werde ich 'The Messenger' sicherlich noch einige Male hören.