laut.de-Kritik
Willkommen in der ewig gleichen Pop-Pathos-Schleife.
Review von Kerstin KratochwillDer Singer-Songwriter Joris gehört zur Spezies der so genannten deutschen Pop-Poeten mit dem obligatorisch und offenbar zu betonendem "ganz eigenen Stil": Im Falle des 32-Jährigen ist dies eine angenehm raue Stimme und eine Klavierausbildung, die auf dem neuen Album auch recht streberhaft und sinnentleert zur Schau gestellt wird – mit kurzen Interludes samt hochtrabenden Titel wie "Aurora" oder "Nachtmusik".
Die Schwiegereltern dürften also begeistert sein, die Tanten bekommen mit Bombast-Schnulzen wie "Sturm & Drang" etwas fürs Herz dazu. Die Teenies werden mit lässigem Urban-Werbespot-Sound wie in "Nur Die Musik" für die Spotify-Algorithmus-Playlist abgespeist, und mit Electro-Beats werden die Studenten in "Untergang" zum Feiern ihrer angeblichen Andersartigkeit animiert. Oh-oh... : Nicht nur im Inhalt, sondern auch in den Refrains.
"Willkommen Goodbye" ist so aufregend wie ein gesungenes Bewerbungsschreiben oder ein einschmeichelnder Antrittsbesuch bei den Eltern der Freundin: "Hallo, ich habe eine solide musikalische Ausbildung an der Popakademie und bin flexibel, familientauglich sowie anpassungsfähig. Natürlich bin ich aber auch einzigartig sowie jugendlich und sehe Musik dennoch als Dienstleistung, die möglichst viele Zielgruppen ansprechen und zum Kauf überzeugen soll. Über eine persönliche Kontaktaufnahme bzw. Aufnahme in die Familie würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen, euer Joris".
Und diese Aneinanderreihung von quälend emotionalen Texten landet nicht in der Ablage wie der letzte Song des Albums "Game Over" suggeriert, sondern sicherlich ganz oben in den deutschen Charts und in den ganz großen Hallen, in denen die Smartphones nach Corona noch innbrünstiger nach oben gehalten werden, um dieses einzigartige Erlebnis festzuhalten. No Drama also mehr wie im gleichnamigen Song, wo mit schlagerhaft-schmierigen Feelgood-Vibes das Recht auf Spaß eingefordert wird.
Willkommen in der ewig-gleichen Pop-Pathos-Schleife, Goodbye Ecken und Kanten. Angesichts dessen erscheinen die letzten Songzeilen des Albums dann doch schon fast tragisch: "Sag mir, dass was von uns bleibt".
4 Kommentare mit 3 Antworten
Deutschsprachiger Pop dürfte Wertung genug sein. 1/5
Find die Review gut, man hätte nach dem Interview auch auf 3 Sterne als Konzession tippen können
Die erste Platte damals hat noch Potential erkennen lassen, aber das ist jetzt halt auch nur noch Gedudel.
+1
Schön geschriebener Veriss! XD
Musik für meinen Ex-Gatten.
(Zum Glück schon seit 5 Jahren tot)
Autsch.