laut.de-Kritik
Tanzen und Weinen.
Review von Mathias Möller"Raum Um Raum"? Das klingt komisch, schwer zu assoziieren. Häuserkampf in virtuellen Welten vielleicht? Weit gefehlt. Gleich im Intro "Kein Lied" zitieren Jupiter Jones den großen Schreiber Hermann Hesse: "Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen". Das gesamte Gedicht "Stufen", aus dem die Zeilen entlehnt sind, prominent in der Bookletmitte abgedruckt, lässt schlimme Kopfmusik befürchten.
Doch auch hier erweisen sich Jupiter Jones dankenswerterweise als Verweigerer von Erwartungserfüllung. Ihre durchaus anspruchsvollen Texte servieren sie im zünftigen Punkrock oder auch im zarten Balladengewand, dass es eine Freude ist. Für die Vergleichsfanatiker: die Musik von ... But Alive trifft auf die Texte von Kettcar.
Es geht um Liebe, Sehnsucht und Lebensängste. Die vier Saarländer verpacken große Gefühle in stellenweise wirklich schöne, poetische Texte. Stücke wie "Alles Glück Der Welt", "War Nichts" oder das mitunter an den Folk-Barden Reinhard Mey erinnernde "Jupp" lassen Befürwortern der Quote die Kinnlade runterfallen. Anspruch galore statt Naidoosche Religions-Duselei oder Silbermondsche Pubertäts-Verwirrung.
Die herrliche Reibeisenstimme von Sänger Johnny arbeitet sich durch Gefühlswelten, dass man manchmal meint, mitzuleiden. Dennoch gehen sie nie auf die Nerven, Jupiter Jones buhlen nicht um Mitleid, sie singen über den Scheiß, den jeder schon mal durchgemacht hat. Musik, die man hören will, wenn man gerade Schluss gemacht hat und besoffen durch die Nacht stolpernd die Welt zu vergessen versucht.
Heimlicher Höhepunkt des Albums ist das unscheinbare "Wenn Alle Es Verstehen", eine todtraurige Geschichte vom Ende einer Beziehung. Die Textzeile "Und selbst die Frau von nebenan, sagt sie könnt' Dich schon verstehen!" gehört wohl zu den brutalsten, die ich je gehört habe und löst Gänsehaut aus, wie es sonst nur "Du Und Wieviel Von Deinen Freunden" vermag.
Auf ihrer Homepage verkünden Bert, Rolf, Johnny und Kurt stolz, dass ihre Fans manchmal sogar gleichzeitig tanzen und weinen können. Ein gutes Resumée, sollte man "Raum Um Raum" in einem Satz zusammenfassen. Das schon auf der Pro Punkrocker 3-Compilation vertretene "Reiß Die Trauer Aus Den Büchern" schwankt zwischen Akustikballade und Double-Bass und steht damit stellvertretend für das ganze Album. Feine Nuancen, die dieses Debüt durchaus hörenswert machen.
2 Kommentare
Habe mir gerade das Album gekauft, um auch mal den musikalischen Anfängen der Band zu lauschen.
Freudig überrascht hat mich sofort im ersten Song das Zitat aus "Stufen" von Hesse (meinem Lieblingsautoren). Einige Lieder dieser Platte kannte ich schon vom MTV Unplugged Album ...leise. Das Album "Raum um Raum" präsentiert die akustisch liebgewonnenen Stücke in rotziger Punkmanier - beim ersten Hören für mich eher gewöhnungsbedürftig. Nach mehrmaligem Hören wich dann die anfängliche Skepsis und übrig bleibt eine gelungene Bereicherung für Musiksammlung.
sänger johnny? der gute heißt doh nicholas müller!