laut.de-Kritik
Wie ein wilder Tanz in einem warmen Nieselregen.
Review von Andreas BättigWas Kante mit dem Album "Die Tiere Sind Unruhig" abliefern, ist straight, wirr, stark, sensibel und tiefgründig. Die Hamburger gehen neue Wege. Und sie traben nicht etwa auf ausgelatschten Deutschrock-Pfaden, sondern galoppieren mit Streichern, harten Gitarren, Klavier und wunderschönen Texten durch erfrischend neuartige Genre-Strukturen. Sänger Thiessen singt dabei so ungezwungen wie eindringlich.
Mit dem wohl am schönsten besungenen Sommersturm eröffnen Kante das Album. Ein ruhiges Pop-Stück, das mit Klavier, ruhigen Gitarren und kleinen verspielten Elektrogeräuschen sowohl die Tiere als auch den Hörer unruhig werden lässt. Irgendetwas wird passieren. Nichts bleibt beim Alten. Das Gewitter scheint noch in der Ferne zu liegen, die Zeit still zu stehen. Es ist eine elektrisierende Spannung, die Thiessen zu zelebrieren wagt, unterlegt mit harmonischen Klängen.
Der Sturm kommt bei "Ich Hab's Gesehen" schon näher. Ein schwarzer Himmel zieht in der Gedankenwelt Thiessens auf. "Ich hab's gesehen, ich war vor Ort. Ich hab das Herz der Dunkelheit sich öffnen sehn". Die Gitarren schnalzen düster, rhythmisch, heiß und staubig. Kurz blitzen hier tatsächlich die Queens auf. Für den perfekten Mix sorgte bei diesem wie auch bei den anderen Liedern der Schwede Michael Ilbert, der schon als Mischer und Produzent für The Hives, Supergrass, Cardigans oder Kaiser Chiefs tätig war.
Heiß, erotisch und zärtlich zelebriert das ehemalige Blumfeld-Mitglied Thiessen den Text in "Nichts Geht Verloren": "Das Lippenspiel, der Wimpernschlag, das Licht im Raum … die feuchte Haut und der Geruch … die Hitze, die die Adern füllt … ich spürs in dir wenn unsere Körper sich berühren." Dazu heulen die Stoner-Gitarren, gepaart mit hymnischen Streicherwänden. Spätestens hier zeigt sich: Kante gehen einen Schritt weiter. Sie begnügen sich nicht mit Altbewährtem, sondern experimentieren, wollen Neues entdecken.
Wie ein wilder Tanz in einem warmen Nieselregen hört sich "Die Größte Party der Geschichte" an. Hier findet sich der versprochene Chicago-Jazz. Kante haben die Düsternis hinter sich gelassen und sind nun auf der Suche nach einer Party. Doch sie verpassen sie, "weil die Wegbeschreibung scheiße war". Gitarrist Felix Müller versucht sich dabei als rappender "Du kommst hier nicht rein"- Türsteher. Klatschende und jubelnde Menschen fordern ein Fest, ein virtuoses Bläsersolo lässt das Stück ausklingen.
Am Ende rundet mit "Die Hitze Dauert An" ein poetisches Epos die Platte ab. Selten wurden Melancholie und Träume so schön besungen. So schön auf Streichern gespielt. So schön von einem Klavier begleitet. Thiessen singt von Trost, von Hoffnung und Versöhnung. "Alles ist gut, der Zweifel bleibt / der Schmerz, die Trauer und der Zorn / Doch für uns ist nichts verloren / solange die Zeit noch in uns wohnt / solange der Schmerz im Wandel bleibt / auch wenn die Zeit ihn nicht mehr heilt." Das auf fast zehn Minuten ausgedehnte Stück transportiert das Gefühl des stürmischen vorwärts Drängens. Und wenn die musikalische Sintflut vorbei ist, "leuchten in den Büschen Käfer und in den Sternen wird es später."
Kante setzen mit "Die Tiere Sind Unruhig" Maßstäbe. Das Experimentieren hat sich gelohnt. Selten hat eine Rock-Band aus Deutschland so erfrischend anders geklungen, hat tiefgründige Texte mit so harten Gitarrenparts kombiniert, so gekonnt Streicher und Bläser eingesetzt und das Ganze so zusammen gefügt, dass es nicht wie ein Puzzle klingt, sondern wie ein einheitliches, großes Werk.
20 Kommentare
Um's mal vorweg zu nehmen ... ich kenn mich mit Kante nicht wirklich aus. Aber wenn Ganja mir sagt, dass das Neue der Hamburger ein Album sei, das wie für mich geschaffen sei ... ist das vielleicht noch kein zwingendes Kauf-Argument. Begeisterte Plattenkritiken (10 vom Wigger, 5 beim ME) auch nicht wirklich ... aber ich mochte den Track" Zombi" vom letzten Album schon irgendwie sehr. Und jetzt überleg ich mir, ob ich die neue kaufen soll wenn sie am 4.August erscheint.
Wer kennt die Scheibe schon, wer freut sich drauf?
Und: Sollt ich's vielleicht doch eher bei den alten Scheiben mal versuchen? (so von wegen heut' weniger jazzig als dazumal)
ich habe heute nacht das neue video gesehen. peter thiessen goes aphex twin...sah fürchterlich aus. und textlich irgendwo zwischen goldt und nonsens
das neue album kenne ich noch nicht aber das letzte hat mir damals schon sehr gefallen.
oh des hät ich bei der Anzahl der Lieder nicht erwartet!!!
Bin heut zufällig im Laden über die Platte gestolpert...find des is so n typisches Album in das man sich erst einmal reinhören muss, aber so nach dem ersten Eindruck find ich es ganz gut gelungen!
Wahnsinns-Platte, die Queens-Anleihen sind mal wieder so ein Vergleich des Vergleiches wegen. Hat sich sonst noch jemand mal ein wenig ernsthafter damit beschäftigt?