laut.de-Kritik

Deutschlands liebster Spiegeltrinker.

Review von

Das letzte Lebenszeichen des liebsten Spiegeltrinkers Deutschlands ist lange her: Karate Andi, eines der letzten brennenden Lichter im Hause Selfmade, lag seit "Turbo" aber mitnichten nur auf der faulen Haut respektive unter der Theke. Allen Vermutungen zum Trotz ging er nicht an einer Überdosis Sternburg zugrunde, sondern verpasste seinen Berliner Eckkneipen-Eskapaden insgeheim einen zeitgemäßen Anstrich.

Mit "Mir geht's wunderbar, Leute, danke der Nachfrage" fackelt er auf der ersten Single "E.W.J.T.N.K." auch nicht lange. Danach werden die Scheine ohne zu zögern wieder zu Röhrchen gerollt, und die (in seinem Fall allwöchentlich steigende) Après Ski-Party ist eröffnet: "Solang mein Taxifahrer kommt, ist das Leben gut", sagt er. Zum dritten Mal in Folge exerziert Andi die gleichen Szenarien durch: Egal, ob Boom-Bap, Straßen-Rap oder jetzt eben Trap - die Geschichten zwischen Hinterhof und Hartz IV kennt man. Somit ist auch die Frage berechtigt, ob sich das alles nicht langsam abnutzt.

Die Antwort lautet: Jein. Vor allem die guten Produktionen von Alexis Troy und Andis Mischung aus Kaltschnäuzigkeit und grenzdebilem Asi-Humor trösten über den repetitiven Inhalt und einige eher unterdurchschnittliche 16er hinweg. "ASAP KOTTI" ist mal mehr, mal weniger unterhaltsam.

"Journalisten meinen, mein Rap wär' niveaulos, aber fragen dann im Berghain nach 'nem Foto." Dabei stimmt es schon, dass der Rap des Berliner Kneipenterroristen besonders dann Spaß macht, wenn man guten Gewissens das Hirn auf Autopilot schalten kann. Die Highlights heißen "24/7", "ASAP KOTTI", "Zerre" und "Kneipenterrorismus": Songs ohne deepen Inhalt, abseits der oftmals realitätsfremden Milieu-Zeichnung, aber mit derben, humoristischen One-Linern und ordentlich Wumms. "Nokia 3210", der mit Abstand größte Standout der LP, rundet auch noch mit einer wunderbaren Autotune-Hook ab.

Bewusst trashige Songs wie der herrlich dumme "Windows Media Player" oder "30 Jahre Krieg", Andis Version einer Love-Story auf dem Kiez, funktionieren über ihren Guilty Pleasure-Faktor hinaus und bleiben durch Lines wie "30 Jahre Krieg ist wie ein Witz / Stellt mir deine Mom nicht Fleischsalat und Bierchen auf den Tisch" länger im Gedächtnis.

Der deplatzierte Closer "Tellerwäscher" ist dagegen der gleichermaßen interessanteste wie langweiligste Song des Albums. Interessant, weil Andi politisch wird, Zwar warf er hier und da mal Nazis unter die Räder, holte jedoch nie wirklich so gegen Rechts und auch Links aus. Schade nur, dass ein Großteil dessen, das der gebürtige Niedersachse von sich gibt, oberflächlicher bzw. blöder kaum sein könnte.

Ja, Michael Jackson touched those kids. Ja, Leute, die an Echsen-Menschen glauben, haben ein Rad ab, weiß man bereits. Wenn dann Weisheiten wie "Ich sag' 'Refugees Welcome', aber lass keine bei mir wohnen" dazukommen, rollt man genervt die Augen. Die Jacky-Cola-Fahne steht Andi da viel besser.

"ASAP KOTTI" mag dabei zwar zur Drogen-Tombola einladen, zum Kiffen animiert das Album deswegen trotzdem nicht. Vor allem, wenn "Der Boss Vom Hinterhof 2", der Reggae-inspirierte Stoner-Song der Platte, so unglaublich klischeebeladen tönt. Vor weiteren Totalausfällen bleibt man aber verschont, auch wenn der "Corner"-Beat schon fast ein wenig zu sehr nach RIN klingt, und "Monatsanfang" mit altbackenem Beat aus dem Rahmen fällt.

Unschön wird es auch, wenn sich Jan Salzmann, so Andi bürgerlich, in seiner Rolle als Anti-PC-Prollo etwas zu ernst nimmt und dem Hörer vermehrt ein abwertendes "schwul" oder "Schwuchtel" an den Kopf wirft, wohl wissend, dass er damit bei vielen einen Nerv trifft. Provokation schön und gut, aber wie sagte Fatoni schon? "Come on, das geht auch klüger." Selbst Frauenarzt hat mittlerweile verstanden das "schwul" aus triftigen Gründen nicht mehr negativ konnotiert sein sollte.

Eine Plastiktüte in HD, mit einem Overlay eines abgewandelten Logos des A$AP Mob: Das Cover veranschaulicht den Sound ziemlich gut: Auf Hochglanz polierter Straßen-Trap, der einerseits vom lustigen Leben als alkoholabhängiger Spielsüchtiger berichtet, aber auch Balenciega-Jacken und Rosegold-Uhren ähnlich glorifiziert wie die Kollegen aus der Modus Mio-Playlist.

"ASAP KOTTI" ist einmal mehr Musik für Studenten, die zwar nie in jene Eckkneipen gehen würden, von denen der Hartz IV-Hustler berichtet, es aber für den Moment genießen wollen, auch mal so Asi wie Karate Andi zu sein. Und das kann man ihnen zuweilen nicht einmal verübeln.

Trackliste

  1. 1. 24/7
  2. 2. Corner
  3. 3. E.W.J.T.N.K.
  4. 4. Zerre
  5. 5. Monatsanfang
  6. 6. Kneipenterrorismus
  7. 7. Windows Media Player
  8. 8. Nokia 3210
  9. 9. Der Boss Vom Hinterhof 2
  10. 10. Du Weißt
  11. 11. ASAP KOTTI
  12. 12. 30 Jahre Krieg
  13. 13. Tellerwäscher

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