laut.de-Kritik

Jammern auf höchstem Niveau.

Review von

Die vier Miezen aus Norwegen jammern wieder auf höchstem Niveau. Gesegnet mit optischer Ästhetik und akustischer Perfektion bleibt aber nicht etwa die Authentizität auf der Strecke, sondern die Emotionen.

Halte die Gitarre richtig. Lerne mehr als drei Akkorde. Besiege das Lampenfieber. Spiel in ranzigen Kaschemmen vor kaum mehr als zehn Leuten. Träume, scheitere und spüle den bitteren Nachgeschmack mit noch bittereren Alkoholika runter. Ruinier dir deine Gesundheit, geh an deine Grenzen. Lass dir dein Herz brechen, leide, verzweifle, leck deine Wunden und sing ein Lied davon. Male Bilder auf die Hirnhaut deiner Zuhörer und zwick ihnen in die Herzklappe. Drück ihnen die Luftröhre ab, wenn es sein muss.

Sei zärtlich, sei grausam, sei erhaben, erfahren und du hast es geschafft. Klingt schwer romantisch, aber der goldene Weg ins Musikbusiness sieht anders aus: weniger selbstzerstörerisch, konzentriert und voller Mentoren. Lerne ein Instrument, plage dich, werde besser, geh zur Musikschule, zur Uni, sei smart, pauke Musiktheorie und –geschichte, punkte bei einschlägigen Wettbewerben, generiere ein Publikum über Radio- und TV-Sender, schnapp dir gute Zugpferde, in deren Vorprogramm du auftreten kannst. Alle diese Goldklumpen lagen auf dem Weg von Katzenjammer.

Als die vier Norwegerinnen aufeinander trafen, besuchten sie noch das renommierte Institut für Bühne und Studio in Oslo. Zehn Jahre sind nun vergangen, die Girls von damals ausgewachsene Prachtfrauen. Geblieben sind die Bass-Balalaika mit dem Grinsekatzengesicht und der große Folkflohzirkus im Pippi Langstrumpf-Antlitz wenn die vier auf der Bühne stehen.

Fans ihrer Performances, die sowieso verzaubert in anderen Sphären schweben, und ihrer vergangenen Alben, kommen nun, nach vier Jahren Wartepause mit "Rockland" erneut auf ihre Kosten. Das Markenzeichen hebt sie von Genrekollegen deutlich ab: Fast 30 Instrumente beherrschen sie und darauf spielen sie Ihre Mischung aus Country, Folk, Blues, Pop und Rock. Enorm hüpfbar und noch dazu extrem sympathisch kommt das Outfit von Katzenjammer 2015 daher.

Diesmal schrieben sie ihre Songs sogar selbst. 83 Stücke entstanden unter anderem in Nashville und London. Eingedämpft auf elf Tracks dreht wieder ein typischer Katzenjammer-Output seine Runden im Player. Er dreht und dreht sich, in die tieferen Gehörgänge oder unter die Haut schafft er es trotzdem nicht.

Schleppende Americana-Rhythmen eröffnen den Langspieler und damit ein schunkeliges Feuerwerk, sich bekannt anfühlender, ausgefeilter Folknummern. "Oh My God" passt nicht ganz in die Reihe: Abgespeckter Sound umhüllt den Stakkato-Sprechgesang der Miezen und lässt mit dieser Rohheit Platz für eine trotzige Melodie. Der Titeltrack "Rockland" rundet die 42 Minuten Spielzeit mit einer zarten, sanft tätschelnden Ballade ab.

Gelernt ist gelernt. Die Skandinavierinnen beherrschen ihr Handwerk virtuos. Doch das virtuose Handwerk beherrscht auch ihre Musik: Hirnhautbilder, Herzschlagunregelmäßigkeiten, Atemnot und all die Emotionen, die Musik auszulösen vermag, bleiben aus. Schnuckelige Indiepopsongs, eine ganze Ecke besser als der gewöhnliche Rest, schallen uns nun auch auf der dritten Platte des Quartetts entgegen. Diese provozieren keine akustische Erleuchtung, keine euphorischen Freudensprünge, aber wenn ein Schwarm Hummeln im Hintern rumort, fühlt sich das noch immer angenehmer an als die Hautreizungen vom angestrengt wirkenden Mainstream-Flohzirkus.

Trackliste

  1. 1. Old De Spain
  2. 2. Curvaceous Needs
  3. 3. Oh My God
  4. 4. Lady Grey
  5. 5. My Own Tune
  6. 6. Flash In The Dark
  7. 7. Shine Like Neon Rays
  8. 8. Driving After You
  9. 9. My Dear
  10. 10. Bad Girl
  11. 11. Rockland

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