laut.de-Kritik
Das Prinzip Bello als Freischein zum Bekloppt-sein-dürfen.
Review von Max BrandlKurz nach Kollegah fügt nun auch Deutschrap-Souverän Kool Savas seiner John Bello-Trilogie den letzten Akt hinzu. Die Erwartungen sind hoch: Der Bello-Erstling wurde 2005 das erfolgreichste deutsche Rap-Mixtape, drei Jahre später schickte sich der Nachfolger an, dieses Niveau nicht nur zu halten, sondern zu toppen. Und auch dieses Mal verspricht das Album ein Konglomerat verschiedenster Rapper, zusammengekommen auf den Ruf des Königs.
Schon während der Entstehung des Albums wurden so ziemlich alle Social-Media-Trommeln werbewirksam gerührt. Ungezählte Twitter-Updates, aufwändige Video-Reportagen oder Q&A-Live-Chats – Savas macht diesen Job im Indie-Alleingang besser als so manche Promo-Walze der Big Player. Allerdings hätte man zumindest einen Teil dieser Energie lieber dem Produkt selbst angedeihen lassen. Denn "John Bello Story 3" erinnert in Summe ein wenig an John Rambo 4: wirklich um haut das nicht.
Woran liegt's? Ich behaupte, in erster Linie an der Produktion: die vielen catchy Nackenbrecher à la Bello Zwo fehlen. Dabei hat sich am Prinzip doch eigentlich nix verändert: Aggressive Battle-Watschen im Wechselspiel mit mal humorigen, mal wohl überlegten Konzept-Tracks.
Da arbeitet man doch tatsächlich Tourette-Magnat Kinski für "Mach Doch Deinen Scheiss" zigfach kunstfertig in ein tadelloses Rapbrett ein, spart dann aber am akustischen Glanzlack. Andersherum der "Techno Pilot": Als Kritik gegen die allgegenwärtige Elektro-Lok in deutschen Rap-Kinderzimmern gedacht, entgleist diese Nummer selbst ordentlich in Richtung Thunderdome. Merke: Bullshit lässt sich nicht mit Bullshit löschen.
Selbst der Aufruf zur weiblichen Promiskuität hatte seinerzeit mehr Schmiss: Wo vor zwei Jahren eine Mallorca-kompatible "Holiday Hoe" auch die härtesten Jungs an der Wand wenigstens zum Unterarm-Rhumba überreden konnte, heißt es heute in Form eines recht platten, drum-dominierten Tanzverbots: "Sei nicht schüchtern".
Das Prinzip Bello als Freischein zum Bekloppt-sein-Dürfen in einem todernsten Rap-Jahrgang, dessen Grundstein Savas selbst gelegt hat, ermöglicht aber eben auch Nummern wie "Rhythmus Meines Lebens", in dem der Chef mit einem sympathisch-mitreißenden Schwank aus der Gegenwart im Tourleben auf allerfeinstem Eurodance-Waschbeton wieder Land gut macht.
Tracks wie "Booyaka Shot" fördern dann das genredefinierende Urknall-Potential des Gastgebers ans Licht: Die Technik kugelsicher, der Flow hochdramatisch und die Delivery knochentrocken – hier passt dann auch die fiese, hämmernde und von bohrenden Synthie-Akkorden torpedierte Untermalung vortrefflich – "Fehdehandschuh" lässt grüßen.
Diese plakative Vormachtstellung stellt allerdings auch beim dritten Streich kein Problem dar: Belloniens Bürgermeister gibt seinen Gästen ausreichend Gelegenheit sich zu entfalten – im Falle des verbalen Virtuosen Olli Banjo, des stimmlichen Granitfelsens Azad oder des unhatebaren Kehlkopfes Kaas gelingt das einmal mehr hervorragend.
In der auf ein klangliches Minimum reduzierten Online-Sozialkritik "MySpace" hingegen gerät zum Beispiel Greenhorn Mo Trip zwischen den beiden Hip Hop-Ü30ern ein klein wenig in die Skills-Zwickmühle. Macht aber nix, weil der Song dafür thematisch zu hundert Prozent punktet.
Sehr überraschend gestaltet sich auch der "Weg nach Draussen": Es hat mich einen zweiten Blick auf die Tracklist gekostet, um sicher zu sein, dass das tatsächlich Savas ist, der da innerhalb dieses verträumten Teenie-Beats auf so bösartig-sentimentale Weise einem unkooperativen Weibsbild eine Abfuhr erteilt. Liebes Produzentenvolk: So und nicht anders setzt man den Autotune kundenfreundlich ein.
Dass der gestandene Battle-MC seine Autobiographie "Die John Bello Story" dann aber einen irgendwie nur so mittelmäßig motivierten und weinerlich wirkenden Franky Kubrick vortragen lässt, erscheint mindestens gewagt, eher jedoch fragwürdig.
Schade ist's auch ein bisschen um die beiden pompös geplanten Schulterpolster "Orchestrator" und "Tribut": Es erschließt sich beim Hören schon, wohin man jeweils wollte – während der Chorus von "Orchestrator" allerdings ein bisschen über die Pathos-Schmerzgrenze hinausragt, geht "Tribut" in punkto Durchschlagskraft die Puste aus. Diese Jobs machen der Opener "Denn Ein Bello Kommt Selten Allein" und die bestens gewählte Hand-auf's-Herz-Single "Immer Wenn Ich Rhyme" deutlich besser.
Das für die Hooklines reservierte Goldkehlchen Moe Mitchell, der im Zuge dieser Serie endgültig zum deutschen Nate Dogg avanciert, hatte diesmal allerdings einen Tick zu viel Spielraum: Veredelt der Gute die erste Hälfte der Spielzeit noch, ruft allerspätestens der Refrain zum "Weck Mich Nicht Auf"-Duett mit Curse – der leider so erschreckend gar nicht ins Belloversum passt – akute R'n'B-Vergiftungssymptome hervor.
Die Bilanz: Trotz deutlich mehr Kritikpunkten als noch beim letzten Mal bietet auch "John Bello Story 3" eine Stunde Rap in vielen Facetten – die im Vergleich weniger gelungene Produktion verhagelt der Scheibe allerdings das Replay-Potential ihres Vorgängers. Dafür lässt sich dem Großteil der auf diesem Album vertretenen Musikern eine große Portion natürliches Selbstbewusstsein, künstlerische Freiheit und die Fähigkeit zur inspirierten Zusammenarbeit attestieren – und das ist im Deutschrap immer noch die Ausnahme.
24 Kommentare
MoeMitchel hätte Savas nie kennenlernen sollen.
RnB Vergiftung ist gar kein Ausdruck mein Eier sind abgefallen.
Also JBS 2 hat mir auch definitiv besser gefallen.
Die Produktion der Tracks lässt noch einiges an Raum für Verbesserung wobei die Skills der Protagonisten überdurchschnittlich sind (Außnahmen bestägigen die Regel und heißen Sinan, Mo Trip und ab der 2te Hälfte auch Moe Mitchell)
Aber zeitweise glaube ich sogar das Banjo Savas skillmäßig überragt.
Trotzdem ist das ganze noch durchaus hörbar.
seh ich ganz genauso
Finde auch, dafür dass es sich hier um ein Rap-Album handelt wird ziemlich viel Schnulze ausgepackt. Aber Skills und Styles überragen alles andere.
Ich finde ja das JBS 3 im gegensatz zu "Was kostet die Welt" sowohl Skill wie Beat und Flow-Technisch,
Tausendmal überragt...
Und wenn jmd. sagt Savas hätte es einfach nicht drauf,
könnten sich manche fragen ob es nicht einfach darum geht dumm rum zu haten, weil man entweder ein Neider ist oder einfach nur langeweile hat...
Ähnlich wie „Die John Bello Story II“ ist der dritte Teil der Saga allen voran eine Art Spielwiese für Savas, der allerhand bekannte und unbekannte Gäste für die verschiedensten Songkonzepte einlädt. Besticht Teil 2 vor allem durch die heruntergeschraubte Ernsthaftigkeit und dem hörbaren Spaß aller Beteiligten, ist Teil 3 zumeist eher das Gegenteil davon und stellenweise anstrengend eindringlich. Solide, aber auch wenig spaßig. 2/5.