laut.de-Kritik
Die Katze ist tot.
Review von Yannik GölzJa, ich sollte es besser wissen. Ich sollte es so viel besser wissen. Aber: Curiostiy killed the cat. Am Jahresende tauchte auf dem Release-Radar ein Kollabo-Album von Drama-YouTuber KuchenTV mit den ehemaligen JBB-Battlerappern und Baba Saad-Schützlingen Twizzy (fka McTwist) und Cashisclay auf, und ich konnte nicht anders. Ich musste einfach wissen, was in der untersten Schublade von Deutschraps wunderlichster Mutation zehn Jahre nach Platzen der Blase so passiert ist. Stellt sich heraus: Oh Gott, ist die Katze tot. Die Katze ist tot und verrottet und mieft durch den Keller.
Habt ihr euch schon mal gedacht: "JBG2" ist schon cool, aber irgendwie kann ich die beiden Artists darauf ein bisschen zu sehr ernstnehmen? Warum gibt es dasselbe nicht von der Incel-Clique des Abi-Jahrgangs, die ihre Disses exklusiv über nischiges YouTube-Drama schreibt? Dann müsst ihr einen Flaschengeist gefunden haben, denn no way in hell ist dieses Album wirklich real. "Dissrespekt" ist das fünffach fermentierte Restgebilde JuliensBlogBattle, das eine neue Heimat in der Alt-Right-YouTube-Drama-Bubble gefunden hat. Natürlich ist es eine der unhörbarsten Missgeburten, die ich jemals für diese Seite ans Tageslicht gezerrt habe. Aber, wow, es ist eine faszinierende Missgeburt.
Lernen wir zunächst unsere Protagonisten kennen: McTwist ist ein Battlerapper, der seinerzeit im VBT-Kosmos als Sidekick von EstA bekannt wurde. EstA war der wohl schlechteste Finalist der VBT-Geschichte, und Twizzy teilt dessen Ansicht, dass Battlerap nur dann gut ist, wenn man groß und episch investigative Details über das Leben seiner Gegner auffährt. Damit passt er natürlich wunderbar ins "Beuteschema" (Deep-Cut-Referenz, IYKYK) des JuliensBlogBattles, in dem Hip Hop nur zwei Elemente zählt, nämlich Chorbeats und Facebook-Screenshots.
In diesem grotesken Rap-Vivarium wurde auch Cashisclay bekannt. Der Kerl, der sich unwürdig nach dem Boxer benannt hat, ist ein Dude, wie es ungefähr 300 in jeder Kleinstadt gibt, ich nehme an, sein Hobby ist McFit und seine Jogginghose riecht nach der Wichse vom Vortag. Sein Ding ist, der generischste Rapper der Deutschrap-Geschichte zu sein - und er kann schnell rappen.
Der odd one out ist definitiv KuchenTV. Sein Name verrät es, sein Flow überdies auch: Das ist gar kein Rapper, sondern ein YouTube-Keck, den Satan aus einer Rippe von JuliensBlog erschaffen hat. Stellt ihn euch als das eine Kind in der Klasse vor, das konstant das N-Wort sagt, um die Aufmerksamkeit der Lehrer zu bekommen, nur nicht als Kind, sondern als einen erfolgreichen YouTube-Kanal. Er entstammt dieser YouTube-Ära, für die der Kampf gegen das RTL-Gamescom-Video die große emanzipatorische Bewegung der Zeit war (deutsches Gamergate for real). Seitdem hat er sich neuen kreativen Herausforderungen gestellt, wie dem Kampf gegen Social Justice Warriors und Wokeness. Immerhin von seiner NPD-Wahlempfehlung hat er sich heute distanziert.
So. Das wirkt doch wie ein Gespann, dem man ein wundervolles Rap-Album zutraut, nicht? Also, was passiert hier überhaupt? Das ist schon einmal das erste Problem: Fast alle diese Tracks sind Disstracks gegen Leute, die, so muss man annehmen, YouTuber sind. Oder gegen Rooz, for some reason. Leider Gottes weiß ich nicht, wer Shurjoka, Freihraumreh oder Aline sind, und ich werde das jetzt bestimmt auch nicht googlen. Ich muss also per context clues erschließen, dass sie wohl die furchtbarsten Menschen aller Zeiten sein müssen. Wenn nicht, wären die Epik und der Pömp dieser Plastikbeats und das konstant durchritualisierte Geficke von ehrenlosen Müttern sicher ziemlich drüber. Und ich unterstelle diesen drei Leuchten bestimmt nicht, hier ihren ganzen Feuereifer auf belanglosen Bullshit zu verschwenden.
Entsprechend erfüllt das Tape zweierlei Funktion: Einmal ist es in seinem terminally online Rumgestänkere quasi so etwas wie "Gossip Girl" für pubertäre Sexisten. Zudem ist es ein nostalgischer Liebesbrief an die Ära JuliensBlogBattle: die Zeit, in der man online noch Judenwitze machen konnte, Frauen sich nie in die eigenen Online-Spaces verirrt haben und ein neues "Call Of Duty" unter dem Weihnachtsbaum das Größte überhaupt war. Raptechnisch klingt es so, als wäre alle musikalisch-stilbildende Geschichte des Genres ausradiert und von einem mp3-Rip von Kollegahs "Boss Der Bosse" und eine innere Stimme von JuliensBlog ersetzt worden, der gleich die Silbenzahl deiner Reime numerisch bewerten wird. Das Ganze garnieren natürlich Plastikbeats und diese konstant gesetzten, extrem steifen Reimdoppelspuren. Es darf schließlich niemand verpassen, dass gerade Eichenschranktür auf Leichensack-Kür gereimt wurde, oder so.
Eine Sache finde ich aber doch spannend: Twizzy und Cashisclay haben beide jeweils einen Song, den ich im Rahmen ihres Geschmackes sogar ganz solide nenne: Der zweite Part von "Knock Out" ist das beste, das Cashisclay je gerappt haben dürfte, es geht um seinen Frust über die gescheiterten Label-Pläne nach seinem JBB-Hype. Man nimmt ihm ab, dass das an ihm zehrt.
"So Lang Ich Leb" ist die ehrlich aufwühlende Geschichte von Twizzys Kindheit, in der er während einer schweren Krankheit seiner Mutter in eine ihn misshandelnde Pflegefamilie gegeben wurde. Das wäre regelrecht richtig gut, stammte er nicht aus diesem Rapper-Pfuhl, in dem sich "gut rappen" in Reimketten und nicht einer anderen Sache als Reimketten veräußern kann. So rappt er sein tiefstes inneres Leiden so, als bekäme er gleich die Technik-Punkte gezählt, und es zwingt ihn konstant in unnatürliche, holprige und klischeehafte Formulierungen, wo er eigentlich sein Herz sprechen lassen sollte. Das wirkt, als hätte jemand einen Liebesbrief geschrieben, aber sich künstlich auferlegt, er dürfe nur Wörter verwenden, die mit "B" anfangen.
Aber das macht dieses Album so lustig für mich: Wir haben hier offensichtlich zwei komplett aus der Zeit gefallene Has-Beens, die die Plattform von einem Internet-Quälgeist nutzen wollen, um ins Rampenlicht zurückzukehren. Dafür platzieren sie ihren emotionalen Song über Kindheitstraumata auf dem Album neben einem Pseudo-Pop-Song über YTitty-ass-Produktion, in der sie gegen die Woke-Bubble wettern. Oder der Track, in dem weitere mir unbekannte Menschen beschimpft werden, während sie die Melodie von "Hit The Road Jack" schlecht nachsingen. Glaubt mir: Ich bin politisch zwar vermutlich anders drauf als diese Shitlords, aber ich habe mich keine Sekunde provoziert oder gar wütend gefühlt. Im Gegenteil: Dafür sind die Jungens einfach zu durchschaubar verzweifelt. Ich habe ehrlich selten so schlechten, unüberzeugenden Ragebait gesehen. Dabei ist sowas doch echt nicht schwer, goddamnit!
"Dissrespekt" fasziniert mich über alle Maßen. Es fasziniert mich, weil es dieser wirklich mitleiderregende Haufen Elend ist. Diese zurecht aus der Zeit gefallene, grauenhafte Anti-Musik, dieses Gehate gegen Influencer, obwohl Kuchen selber einer ist. Ich will ihnen nicht einmal die Gratifikation geben, das problematisch oder offensive zu finden. Alles, das ich sehe, sind drei Hanseln, die in der peinlichsten Ära des deutschen Internets gepeakt haben und jetzt mit verheulten Augen ihrem nach Monster Energy riechenden 2012 nachtrauern. Jetzt stehen sie mit nichts da außer mit Wut auf alle anderen, die nicht so fulminant wie sie hängengeblieben sind. Und mit einer wirklich beeindruckenden Schamlosigkeit, bei jedem und seiner Tante via Disstrack nach einem kleinen Fünkchen Aufmerksamkeit zu bettlen und sich dabei noch wie die moralische Instanz zu fühlen. Das ist olympische mentale Gymnastik, aber mir solls recht sein. Es hat selten so gut getan, etwas scheitern zu sehen.
13 Kommentare mit 29 Antworten
Die bisher rezensierten Alben in diesem Jahr, lassen für 2025 nichts Gutes erahnen.
Bitte beachtet mich – das Album.
Kleine Korrektur: Soweit ich weiß, war die Wahlempfehlung damals für die AfD.
"Ich soll frauenfeindlich sein? / Augenscheinlich nein."
- KuchenTV, der seinen Durchbruch auf YouTube mit einem Video gegen eine 12-jährige hatte.
Da haben wir es also; das erneute Auftauchen der angestaubten Videorapbattle-Aussonderungen (nicht mal ein Gewinner dabei), gemeinsam mit einem YouTuber, der immer wieder Anzeigen wegen seiner oberflächlichen und beleidigenden Videos bekommt, die er dann in mehrteiligen Video-Reihen als "lächerlich" zu gaslighten versucht, auch wenn die über Wochen ermittelten Urteile tatsächlich gegen ihn ausfallen. Und natürlich sind es, dem eigenen Markenkern entsprechend, nur Disstracks.
Was soll man groß sagen? Das ist Musik für Menschen, die auf Partys gehen, um Frauen an den Hintern zu fassen, weil sie sich auch nach dem zehnten Korb immer noch für so toll halten, dass es einfach funktionieren muss. Gleichzeitig provozieren diese Menschen mit rassistischen wie sexistischen Aussagen alle anderen auf der Feier, aber wenn ihnen dann jemand eine auf's Maul gibt, ist Gewalt plötzlich keine Lösung mehr und dann wird die Moral-Karte gespielt.
Und das ist das Problem: Menschen wie KuchenTV begreifen Moral und Intelligenz als etwas, mit dem sie sich in einer Hierarchie hocharbeiten, nicht als notwendige Abstrakta für eine gesunde Gesellschaft. Deswegen gelten bestimmte Regeln nicht für sie, andere wiederum nur für sie. Das Wort "Einsicht" kommt in ihrer Welt scheinbar nicht mal als Verb vor, denn mehr als ein paar oberflächliche Beleidigungen finden auf diesem Album nicht statt.
Aber kommen wir zu ein paar generellen Feststellungen zu diesem Schund:
- VBT- und JBB-Musik ist furchtbar gealtert.
- KuchenTV wird von den anderen beiden Teilnehmern für seine Reichweite ausgenutzt und nicht nur dafür; seine Performances fallen so stark ab, dass seine Kollegen dagegen wie Mobb Deep wirken.
- Gute Technik ersetzt immer noch keinen guten Geschmack.
Und zum Schluss, für die Memes: Deutsche Tom McDonald.
Ich gebe dir mit allem Recht, damit ist über diese schreckliche Bubble Alles gesagt. Ich würde aber hinzufügen, dass der Moralabsatz über KuchenTV auch exakt auf so einige andere Rapper zutrifft, die immer dann was von Ehre faseln, wenn es als Mittel zum Zweck gerade passt und sich ansonsten wie Axt im Wald aufführen.
KuchenTV ist einfach schon immer ein asoziales Stück Scheisse.
Jeder der mit dem gemeinsame Sache macht soll bitte beim scheissen vom Blitz getroffen werden. Die Shurjoka-Saga ist ja nur die aktuelle Staffel, gibt schon Gründe warum die heftigsten Drachenlord-Mobber lange als "Kuchenkinder" bekannt waren...
Jo aber der weibliche Gegenpart ist keinen Deut besser. Beide nehmen sich viel zu wichtig und leider geben deren Fans denen auch noch das Gefühl damit richtig zu liegen.
Naja, aber der Gegenpart ist wenigstens kein AfD-Sympathisant.
Weiß ich nicht ob das nicht nur ein Narrativ ist, welches die Gegenseite gestrickt hat.
Aber anyway, beide Seiten sind menschlicher Müll und legen ihren Content auf Ragebait aus. Leider funktionierts.
Ja, aber wie gesagt: Kuchen sucht sich seit Jahren halt immer das nächste Opfer, gegen das er seine Community aufstachelt. Ich will Shurjoka null in Schutz nehmen, kenne sie quasi nicht, bzw keinen Gondend von ihr, aber Kuchen ist einfach ein HS seid Ionen.
Das würde ich nicht mal bestreiten, daher totally agreed!
Ums nochmal in den Faden zu posten:
https://kuchenfiles.noblogs.org/kuchentv-v…
Und jetzt halt mal die Backen. Was du dir hier zusammenschwafelst von wegen "mimimi beide Seiten" ist an Schwachsinn schwer zu überbieten.
DerWeiseHai spricht wahr!
Dieser Kommentar wurde vor einer Stunde durch den Autor entfernt.
@zapata: beide bringen absolute L-Takes (ich sag nur der peak misogyne Gronkh laut Queen Shuri) aber lass dich vor den Karren spannen und Spam diese Müll Seite ruhig weiter rum. Ich lese da nichts als edgy Takes, die doll drüber sind und der verzweifelte Versuch aus missglücktem schwarzem Humor Skandale zu stricken.
Ich lese bei dir den verzweifelten Versuch, einen Typen, der offensichtlich wieder und wieder seine offene Faszination und Bewunderung für den Nationalsozialismus stolz im Internet kundgetan hat, ziemlich dürftig maskiert durch dieses unfassbar dumme Alt-Right-"It's just a prank, bro"-Getue, in sowas wie nen ungeschickten Comedian umzudeuten. Der einzige Grund, warum der Typ nicht live im Stream Heil Hitler schreit, ist, weil er dann doch peilt, dass das vor Gericht irgendwann teuer wird. Ich hab mir die Videos von Shurjoka nicht angesehen, weil ich einfach keinen Bock habe, gedankliche Kapazitäten an die deutschen Schrottyoutuber zu verschwenden, über die sie da redet, habe aber trotzdem erstmal größten Respekt davor, dass jemand sich die Mühe macht, gegen so nen Schwachsinn das Maul aufzumachen und als Dank den Hate einer Legion an Manbabys abzukriegen, die Fans von nem Typen sind, dessen Content darin besteht, vor dem PC zu sitzen und Erbärmlichkeit auszustrahlen.
Musik von tollen Typen für tolle Typen. Peinlich und hängengeblieben.
>Eine Sache finde ich aber doch spannend: Twizzy und Cashisclay haben beide jeweils einen Song, den ich im Rahmen ihres Geschmackes sogar ganz solide nenne.
Und das ist irgendwo auch das traurige, oder? Die Jungs hatten allesamt Rückschläge im Leben (Baba Saad, Twizzy im Text angesprochen, Cashis wurde laut ihm von seiner Freundin abused, Punch Arogunz ist chronisch krank) - und dann kann man entweder als Mensch daran wachsen ODER man setzt sich fest und benimmt sich mit über 30 Jahren so wie 13-jährige.
Das Bild mit der vollgewichsten Jogginghose ist Gold wert.