laut.de-Kritik
Auf Deutschrap ist geschissen!
Review von Philipp KopkaLange hört man nichts vom Maskenmann. Seit "Futureshit" sind fast zwei Jahre vergangen. Lance Butters scheint schon fast in der Versenkung verschwunden. Zwischenzeitlich weben sich die unglaublichsten Verschwörungstheorien um den arroganten Herrn mit der Iron-Man-Maske. Er sei hinter Gittern, munkeln die Tollkünsten unter seinen Anhängern, nachdem seine Twitterseite der Hashtag "#freelancebutters" ziert.
Anfang März erscheint auf 16Bars ein Video zu einem Studiobesuch in Berlin. Zusammen mit Kumpel Ahzumjot spricht er vom warmen, kernigen Sound seines neuen Albums. In der Kommentarsektion überschlagen sich die Reaktionen: Von Support bis Hate ist alles dabei. Die ganz Ausgebufften enttarnen das Ganze natürlich schnell als Persiflage der hiesigen Deutschrapszene. Lance Butters hat mit deepen Thementracks auch 2015 nichts am Hut. Und das ist auch gut so.
"An sich hätte ich allerhand voll zu reden, doch füll mein Album nicht mit privaten Problemen". Wer sich nach dem unterhaltsamen Studiobesuch-Schauspiel ernsthaft auf warmen Sound von Lance Butters gefreut hat, wird gleich auf den ersten Takten von "Blaow" enttäuscht. "Geb' keinen Scheiß auf die Anderen / Denn die sind Bastards wie John Schnee, Bitches wie Cersei / Lance Butters okay, mies drauf Geoffrey". Statt Selbstbeweihräucherung wie auf der "Selfish EP" kotzt sich der MC aus dem Süden auf der neuen Platte über die deutsche Rapszene aus. Die gewohnt schlecht gelaunte Art steht dem Serienjunkie immer noch gut zu Gesicht.
Der Titeltrack kommt als klassischer Representer daher. Die Silben am Ende jeder Zeile zieht Lance lang wie ein gelangweilter Schüler seinen Kaugummi im Unterricht. Das kann man mögen oder nicht, Lance verleiht es einen Wiedererkennungswert, der ihm, trotz überschaubarem Erfolg im VBT, unzählige Nachahmer und letztendlich sogar einen Majordeal einbringt. "Deal With It".
Spätestens beim In-Die-Fresse-Instrumental von "Raw" nickt auch der letzte Kopf im Takt. "Du packst 50 Worte in zwei Takte, hast tausend Punchlines, doch die Delivery ist kacke". Reimkettenfanatiker und Silbenzähler gehen leer aus. Die hingerotzten Lines bildet mit den perfekt produzierten Beats eine Symbiose, die einfach passt. Der 27-Jährige braucht kein Doubletime oder ausgefeilte Reime, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Das simple Rezept funktioniert, weil man dem Eisenmann die ignorante Attitüde abnimmt.
Der respektlose Umgang mit dem weiblichen Geschlecht bleibt ein fester Teil im Butters-Kosmos. In "Angebot (Skit)" und "Puff Puff Pass" reißt der Maskenrapper wieder ein leichtes Mädel nach dem anderen auf. "Sieh das hier nicht als Track, sondern als Anleitung für richtig geilen Sex". Die Instruktion taugt leider nicht viel mehr als der bebilderte Beipackzettel, den die Ikea-Schweden zum Billy-Regal packen und als Gebrauchsanweisung verkaufen wollen. "Es ist wie beim Kiffen, ich Puff Puff Pass diese Bitches". Die Titel machen nicht ansatzweise so viel Spaß wie bisherige Lobpreisungen auf die Iron-Man-Potenz. An ein "Space Invaders" oder "Kitty Pitty" von den vorangegangenen EPs kommen die Tussi-Tracks von "Blaow" nicht ran.
Bei genauerem Hinhören ist die Scheibe fast chronologisch geordnet. "Free Lance Butters" schafft den Ausbruch aus dem Themen-Gefängnis. Mit dem gemächlichen, atmosphärischen Ohrwurm-Instrumental beweist Bennett On einmal mehr seine Künste am Mischpult.
Kaum zu glauben: Hinter der wabernden Wand aus Ignoranz blickt kurz der Typ hinter dem Iron-Man-Fassade durch. Lance rappt über seine zurückgezogene Lebensweise und den Zwiespalt zwischen Person und Kunstfigur: "Alles verschwindet, Emotionen sind alle vernichtet / Ich setze die Maske auf, werde zu dem Wichser, den niemand verdient hat, doch den ihr so liebt". Die thematische Erfrischungkur wirkt wie die Gurkenmaske beim wöchentlichen Spa-Besuch: Der erste Blick in den Spiegel verbirgt die Falten, doch am nächsten Morgen grüßen wieder die Krähenfüße. "Die Kids wollen wieder Rap, zu viel Geheule im Geschäft". Der nächste Titel wischt alle tiefgreifenden Gedanken schnell wieder weg. Lance rückt sich die Maske zurecht und verteilt lyrische Schellen an die komplette Szene. "Auf Deutschrap ist geschissen!"
Ein Lance-Album ohne Huldigungen des grünen Krauts wäre wie ein Fler-Release ohne Promobeef. Zum Ende des Langspielers widmet er sich deshalb ganz seiner Lieblingspflanze und feuert gleich eine Gras-Trilogie ab. Die Probleme der Beschaffung treiben den Vollzeit-Stoner in "Alltag" zur Weißglut. Wer danach die obligatorische Weed-Hymne erwartet, hat seinen Joint schief gerollt. Statt mit Kumpels in den Club zu fahren, sitzt Lance lieber alleine und dauerbekifft auf dem Sofa. "Sie fragen was ich schon erreicht hab, ich sag eigentlich nicht viel, doch ich zieh" – er zeichnet authentisch das Bild eines jungen Mannes, der sich für nichts und niemanden interessiert und die Abschottung als einzig akzeptablen Zustand wählt. Mitleid oder gar Bedauern sind aber fehl am Platz. Der 27-Jährige fühlt sich nicht allein gelassen, sondern entscheidet selbst alleine zu sein. Weil eben alle anderen wack sind.
Eigentlich müsste man enttäuscht sein, dass Lance 2015 immer noch fast ausschließlich über Tussis, Tüten und Taschengeld rappt. Eigentlich. Es ist paradox: Die Kontinuität ist gleichzeitig Stärke und Schwäche. Einerseits sind zwei Jahre ohne Release eine lange Zeit. Andererseits tut genau das "Blaow" so gut. Nachdem der Maskenmann lange abgetaucht war, freut man sich einfach über den lässig hingerotzten Flow auf den großartigen Produktionen von Bennett On.
Und das ist auch die größte Stärke der Platte: Beats und Delivery wirken wie aus einem Guss. Dass die beiden schon seit Jahren zusammenarbeiten, hört man in jeder Sekunde des Langspielers. Der Iron Man des Rap zementiert sich dadurch weiter seine eigene kleine Nische. Die Eintönigkeit als Kunstform? Damit kratzt Lance gerade noch mal die Kurve. "Blaow" gerät zur klassischen Rap-Platte, ohne viel Rücksicht auf momentane Trends zu nehmen. Die große Überraschung bleibt zwar aus, sie scheint aber auch gar nicht notwendig.
9 Kommentare mit 10 Antworten
Boah was für ein Album! 4/5 wenn nicht mehr. Aufs Wesentliche Reduziert. Nur in die straight in die Fresse, mit einem fucking geilen Flow, ich liebe diese Endreime, Produktionen aus der Hölle, staubtrocken, perfektes Soundgerüst, harmonie von stimme, drums, bässe - perfekt! Selbst die "deepen" Tracks sind auf die Fresse songs, damn it! Sticht sehr raus aus dem momentanen aufmerksamkeitsgeilen und hochglanzpolierten D-Rapmarkt.
Kein einziger Ausfall, ausser vielleicht "Puff Puff Pass" weil fast zu langsam/einschläfernd. Der zweite Part reissts aber wieder raus - unfassbare Style-Abfahrt.
Herausragende Stücke sind sie zahlreich. Aber "Angebot Skit" ist einfach mal richtig fies. Lance flowt über ein bitterböses Brett.
Eines der besten Scheiben bis jetzt.
Hast Du deinen PC-Bildschirm und die Tastatur nach diesem Gewichse eigtl wieder sauber bekommen?
So wie sich der Kommentar liest, ist die Tastatur schon seit ner Dekade verklebt. Da hilft kein Liter Dr. Beckmann Fleckenteufel mehr.
was fürn spasti, er ist bestimmt dumm und 16
hihi
Wer "spasti" schreibt, ist selber 16 (regel nr. 1). Lance ist genial (regel nr. 2) und Toriyamafan hat recht.
Hey Melchi, Allah! Verpiss dich doch wieder
Die Beats gehen wohl alle irgendwie klar. Lance als Rapper ist für mich immer noch unbrauchbar und extremst öde. Kann wohl verstehen wenn man sowas feiert, aber mir ist das zu langweilig.
Hört auf den Lääääääänce zu dissen! Allemal besser als Caruzo!
Lance Butters 2015 pendelt zwischen Langeweile und Fremdschamrap. Gehört für mich in dieselbe Sparte wie Cro, nur anderes gepolt.
Lance butters ist so 2011.hab ich recht
Weiß nicht, ob du mich nur auf den Arm nehmen willst, aber ja, genau.
Lance geht wohl klar. Doch alter diese Beats: 5/5. Bennett On baut wohl mit die geilsten beats in Deutschland.
Nicht mein Ding, keine Ahnung, warum ich dem jetzt 2 Punkte gegeben habe.
du kannst das auch im nachhinein noch ändern einfach probieren!