laut.de-Kritik

Das verschollene Break-Up-Album: Lee unplugged.

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"Die Wiederentdeckung Lee Hazlewoods ist zweifellos eine gute Tat", fasste es Kollege Benassi 2002 anlässlich der Compilation "Total Lee" prägnant zusammen. Vor 16 Jahren erlebte der einstige Songwriting-Partner von Nancy Sinatra ("These Boots Are Made For Walking") im hohen Alter seinen zweiten Frühling. Lambchop, Calexico und Jarvis Cocker coverten seine Songs, und Sonic Youth-Drummer Steve Shelley gelang das Unmögliche, den alten Grantler für Smells Like Records zu Wiederveröffentlichungen seiner kaum bekannten Studioalben der 70er Jahre zu überreden. Vom Interesse einer neuen Generation geschmeichelt, trat der schnauzbärtige Sänger 1999 sogar solo auf dem von Nick Cave kuratierten Meltdown Festival in London auf.

Mittlerweile ist Lee Hazlewood tot, für die Erhaltung seines musikalischen Erbes ist inzwischen das Light In The Attic-Label in Seattle zuständig (unter anderem "Searching For Sugar Man"). 2013 kredenzte man Die-Hard-Fans das ultimative 4-CD/DVD-Boxset "There's A Dream I've Been Saving", Neueinsteigern die Songsammlung "The LHI Years - Singles, Nudes & Backsides (1968-71)". Nach den 60er Jahre-Rereleases "The Very Special World Of Lee Hazlewood", "Lee Hazlewoodism: Its Cause And Cure" und "Something Special" sind nun die 70er dran.

"Requiem For An Almost Lady" nimmt nicht nur im Rahmen der drei aktuell neu veröffentlichten Platten ("Forty", "The Cowboy & The Lady") einen Sonderstatus ein, sondern auch in der Karriere Hazlewoods. Jahrzehntelang galt die Scheibe als eine der meistgesuchten des Mannes, erst recht im Prä-Internet-Zeitalter. Auf Plattenbörsen wurden mittlere dreistellige D-Mark-Summen für diese zehn Songs bezahlt, die 1971 kein Mensch hören wollte.

Noch absurder mutet es an, wenn man weiß, dass wir hier über eine Gesamtspieldauer von 26 Minuten sprechen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatte Lee Hazlewood seine Heimat Los Angeles, sein Label LHI Industries und seine Partnerin Suzi Jane Hokom verloren. Wegen der drohenden Einberufung seines Sohnes nach Vietnam siedelte er mit ihm nach Schweden über, wo diese zehn vor Herzschmerz triefenden Kompositionen entstanden sind.

Weil die dort vorgefundenen Sessionmusiker den Mindeststandards des Perfektionisten nicht genügten, flog er für die Aufnahmen jedoch noch einmal nach Kalifornien zurück und spielte alles in zwei Tagen mit alten Weggefährten ein. Auf "Requiem For An Almost Lady" fehlen zahlreiche Sounds, die man gemeinhin mit Hazlewood assoziiert: Es gibt keine Chöre, keine Streicher, keine Bläser, keinen (weiblichen) Backgroundgesang, stattdessen Akustikgitarre, ein wenig Bass und, natürlich, Lees schnurrenden Bariton.

Die Texte geben für seine Verhältnisse erstaunlich direkt über sein Seelenleben Auskunft. Anstatt wie bei früheren legendären Songs der Sorte "Sand" oder "Some Velvet Morning" (auf "Nancy & Lee") flüchtet sich Hazlewood nicht in romantisch-psychedelische Metaphern, sondern grummelt frei heraus: "You came walkin' into my life / carryin' your own dreams / You could've been / Yeah, you could've been good / then why were you so goddamn mean / but till you I never had any fun / but I'm sure glad I never / ain't you glad I never / be glad I never owned a gun." Das ist der ganze Text, nach 1.05 Minuten ist alles vorbei.

Stets geht den Songs eine kurze gesprochene Einleitung voraus, in der der ungekrönte König aller Tieftonkünstler mal zynisch, mal philosophisch der Verflossenen hinterher trauert. Ein zum Zeitpunkt der Veröffentlichung völlig untergegangenes Break-Up-Album mit großartigen Storyteller-Songs à la Leonard Cohen oder Johnny Cash, von einem Mann, der erst in Schweden untergetaucht und dann bis Ende der 1990er Jahre quasi verschollen war: der perfekte Stoff für Sammler.

Das tiefschwarze "Come On Home To Me" und der schwungvolle, aus dem Rahmen fallende Country-Ritt "LA Lady" bilden dabei die musikalischen Gegenpole, auch der Kultsong "If It's Monday Morning" stammt von dieser Platte. Dass die Regisseure des US-Roadmovies "Little Miss Sunshine" 2006 die Chance verpassten, den Song "Little Miss Sunshine (Little Miss Rain)" auf ihren Film-Soundtrack zu packen, stellt nur eine kleine Episode in der langen Geschichte der verpassten Chancen in Hazlewoods Karriere. Ein Jahr vor seinem Tod hätte er an diesem mit Tantiemenzahlungen verbundenen Zufall sicher seine Freude gehabt.

Trackliste

  1. 1. I'm Glad I Never
  2. 2. If It's Monday Morning
  3. 3. LA Lady
  4. 4. Won't You Tell Your Dreams
  5. 5. I'll Live Yesterdays
  6. 6. Little Miss Sunshine (Little Miss Rain)
  7. 7. Stoned Lost Child
  8. 8. Come On Home To Me
  9. 9. Must Have Been Something I Loved
  10. 10. I'd Rather Be Your Enemy
  11. 11. I Just Learned To Run (Outtake)
  12. 12. Little Bird (Demo)

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