laut.de-Kritik
Modern Talkings Kapitalismus-Pop lässt grüßen.
Review von Kerstin KratochwillSchon vor der Veröffentlichung dieses Debüt-Albums "Somewhere In Between" ist Leony eine der erfolgreichsten Sängerin hierzulande und sucht passenderweise derzeit in der 200sten, äh, 20. Staffel (und angeblich letzten) von DSDS als Mit-Jurorin Deutschlands nächsten Superstar. Dort sitzt sie neben Dieter Bohlen, dessen sowieso schon eklig glattschleimige Modern-Talking-Grausamkeit "Brother Louie" sie 2020 in einer glattgebügelten Electropop-Neuversion wieder auf die Hörer losließ.
Ebenfalls in der DSDS-Jury anwesend ist Katja Krasavice, mit der sie auf "Somewhere In Between" den Song "Raindrops" singt. Dieser sowie der Opener "Say My Name" gehören zu den gelungenen Tracks auf dem Album – sie sind unaufdringlicher, schwebender, lässiger Pop, mit netten fast minimalistischen Electronica-Effekten versehen.
Doch dann gibt es eben auch die pseudomodernen Momente, die einem im schaudernden Erinnern an Modern Talkings Kapitalismus-Pop die Ohren bluten lassen: "Remedy" ist solch ein Lalala-Song, den auch C.C. Catch nicht schlechter hätte bringen können. "Faded Love" ist die obligatorische Bombast-Schmacht-Ballade mit schrecklichen 90s-Rock-Momenten und vielen Oh-Oh-Ohs, und "Holding On" stampft stur mit billigen Beats voran.
Wie bei den meisten fürs Radio und den Mainstream produzierten Alben, werden für die (garantierten) Hits eine Armee an Schreibern verpflichtet, bei "Raindrops" sind zum Beispiel als Autoren allein diese hier vermerkt: Katja Krasavice, Mark Becker, Vitali Zestovskih, Leonie Burger, Valentina Dante, Sari Hilja Kauranen, Simone Bocchino, Timo Olavi Vaeaenaenen, Barbara Tanzini, Luca Ontino, Hanni Mari Autere, Maria Anita Lehtola und Luca Manuel Montesinos Gargallo ... Leonie Burger lautet im Übrigen der bürgerliche Name von Leony, die – Authentizitätswashing – einige Songs mitgeschrieben hat. Diese sowie weitere nur von ihr stammende Titel sind dann – doppeltes Authentizitätswashing – noch als Akustik-Versionen auf dem Album enthalten.
Und so wiederholt der Pressetext zum Album gebetsmühlenartig, dass Leony immer noch irgendwo dazwischen steckt – sie sei immer noch das schüchterne Mädchen aus Bayern und gleichzeitig auch die selbstbewusste Performerin. Das perfekte Produkt, geformt seit 2016, als sie bei Sony Music Australien unterschrieb, ein schwedisches Hitkomponisten-Team bekam und ein längeres Vocal Coaching durchlief. So produziert Deutschland seine Superstars hinter den Kulissen, davor dürfen sich andere beim Casting blamieren oder belehren lassen. There's nothing in between ...
7 Kommentare mit 2 Antworten
Schön geschriebene Review, props!
Schwachsinn. Der Autor hat nicht mal erkannt, dass die vielen Leute im Raindrops keine Mitschreiberlinge sind sondern auf Grund eines Samples genannt werden müssen. Außerdem sind alle Songs von ihr im kleinen Team von ihr mitgeschrieben.
Solche Sätze wie "Schmacht-Ballade mit schrecklichen 90s-Rock-Momenten und vielen Oh-Oh-Ohs, und "Holding On" stampft stur mit billigen Beats voran." sind sehr kunstvoll arrangiert. Wen interessiert schon, wie viele Schreiber dieser industry plant die Texte zuschustern?
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Wie schon Vanessa Mai, auch sie: komplett talentfrei, beherrscht aber den modernen Zeitgeist mit Öffentlichkeitspräsenz à la Social Media bzw. Tiktok, Sympathiemasche und allem anderen Pipapo wirklich bestens.
Kommt nicht oft vor, dass ich aus den Reviews mal mehr mitnehme als den Unterhaltungswert und eben eine Empfehlung, aber der letzte Absatz war für mich komplett neu.
Wieder was gelernt, vielen Dank!
Dragostea din tei darf man einfach nicht durch den Dreck ziehen! Böse Leonie
Gute Reciew, der letzte Satz ist extrem stark!
Hübsches Mädchen ohne Stimme, ob sie live überhaupt auftreten kann - warum voll des Lobes wo es so viele wirklich tolle Interpretinnen gibt?