laut.de-Kritik

Zielloses Soundcloud-Tributalbum mit Eminem.

Review von

Cole Bennett machte sich zum Peak der Soundcloud-Ära einen Namen damit, den besten Newcomer-Riecher der Szene zu haben. Er drehte Videos für Famous Dex, Lil Pump, Trippie Redd, Lil Skies und Juice WRLD – meistens zu einem Zeitpunkt, an dem sie im Blow-Up ihrer Karriere standen. Der Kanalname Lyrical Lemonade war gut gewählt. Bennett hatte weniger eine Marke für eiserne Qualität etabliert, aber sie stand für zeitgeistige, kurzweilige Musik am Puls der Zeit - Junk Food: Manches wird den Test der Zeit bestehen, vieles ist aber zu Recht jetzt schon vergessener Trash wie Lil Xan oder Lil Mosey.

Man könnte mit Fug und Recht behaupten, dass Lyrical Lemonade zwischen 2016 und 2019 zu den relevantesten und einflussreichsten Hip Hop-Medien der Zeit gehörte. Wer damals frisch im Hip Hop-Game war, dem hat dieser kleine, gelbe Karton am Bildschirmrand etwas bedeutet. Dennoch: Schaut man sich die Reaktionen an, zeichnet sich schon lange ein Abwärtstrend ab: Die Videos sähen immer gleich aus, die Artists wenig inspiriert, eine Art Industrie-Resterampe.

Dass Bennett nun beschlossen hat, als Kurator seines ersten Lyrical Lemonade-Samplers nicht nur als Regisseur und Festival-Organisator in Erscheinung zu treten, wäre eigentlich die Gelegenheit gewesen, den Trend umzukehren und dem ein Denkmal zu setzen, was die Sache groß gemacht hat: Soundcloud-Junk Food, ignorant, catchy, unübersehbar. Stattdessen gebiert sich "All Is Yellow" quasi als Beweis der eigenen Rapgame-Gentrifizierung, für die es viele schon lange halten. Das Album wirkt trotz teils spannender Artist-Kombinationen wie ein Industrie-Pflichttermin, zu dem keiner so richtig gerne hingeht.

Überhaupt: Der Sound der größten Stunde findet sich auf diesem Projekt schockierend wenig. Vielmehr ist "All Is Yellow" unerklärlich dramatisch. Das fängt beim Opener an, in dem Sheck Wes, Ski Mask The Slump God und J.I.D auf einem Imagine Dragons-Gedenkbeat das Gefühl erzeugen sollen, es würde hier um irgendetwas gehen. Als würden sie nicht schon genug planlos im Nebel herumstochern, wird jeglicher Ansatz von Atmosphäre aus dem Fenster geschmissen, wenn dann Lil Durk und Kid Cudi auf einem lächerlich beschissenen Song geladen werden, sich als XXXTentacion und Lil Peep zu verkleiden.

"Guitar In My Room" ist einer der emblematischen Fehlschläge, die das ganze Album charakterisieren: Wer hat Cole Bennett gesagt, dass Pop-Punk jetzt sein großer, musikalischer Markenkern sein soll? Ja, er hatte seine Finger in der Emo-Trap-Bewegung. Aber abgesehen von den ersten Juice WRLD-Videos erst zu dem Zeitpunkt als diese endgültig beschissen war. Sein ganzer Bezug zu diesem kurzen Fling der Pop-Welt mit dem 2000er-Punk bestand darin, ein paar der kommerziellsten und beschissensten Industry Plants der Rap-Geschichte zu fördern (The Kid Laroi).

Aber ja, Lil Durk säuselt hier über eine Gitarre, die er scheinbar in seinem Zimmer stehen hat. Besagte Industry-Plants werden wenig später für einen langweiligen und absurd melodramatischen Songs namens "This My Life" gemeinsam ins Schaufenster gestellt. Schwer auseinanderzuhalten, wer von Lil Tecca, Lil Skies und The Kid Laroi da gerade schlecht Herzschmerz mimt.

Auf "First Night" würde man erwarten, dass die Kombo aus Teezo Touchdown, Denzel Curry, Juicy J und Cochise eine spannende Synergie ergibt. Aber wie so oft auf diesem Album ist das Ganze deutlich weniger als die Summe seiner Teile. Teezo Touchdown verkümmert bei Minute vier seiner 15 Minuten Fame zu einem selbstparodistischen Skit-Artist, und Juicy J redet im Outro darüber, dass es cool ist, beim ersten Date keinen Sex zu haben (???).

Der andere emblematische Fehler in der Tracklist liegt in der Auswahl der fragwürdigen Artists, die bekanntermaßen eh schon komplette Industrie-Soldaten sind und in solchen Features selten glänzen. Hat jemand erwartet, dass Latto, Swae Lee und Aminé auf einem generischen Break-Up-Track etwas Spannendes zustande bringen?

Dave wäre sicher cool gewesen, aber dachte jemand, er würde sein A-Game abrufen, wenn man ihn mit Jack Harlow in seinem anstrengend-selbstherrlichen "Jackman" -Modus zusammenschmeißt? (Das Album suckt übrigens immer noch, hört auf, es zu verteidigen). Die Idee, dass Lil Tracy, Corbin und Blackcray quasi einen Blink 182-Song covern sollen, konnte nur von jemandem kommen, der die ganze Emo-Trap-Welle insgeheim für kompletten Blödsinn hält.

"All Is Yellow" wird einzig von ein paar singulären Songs gerettet, bei denen individuelle Klasse gegen ein relativ nutzloses Projekt sticht. Chief Keef und Lil Yachty liefern auf "Say Ya Grace" wohl die beste Chemie aller Paarungen, SahBabii geht hart auf "Hummingbird", und Babytron macht sein Ding auf "Equilibrium". Der beste Song heißt peinlicherweise tatsächlich "Doomsday", auf dem Cordae und Juice WRLD abwechselnd über einen alten Eminem-Beat rappen. Der Flow ist super und macht Spaß, auch, wenn Cordae quasi 1:1 das Gimmick seiner ersten großen Single nachbaut.

Danach schaut Eminem vorbei, um auf einem furchtbaren Sample seines eigenen Songs zu zeigen, wie unangenehm er zu hören geworden ist und um Beenzino zu dissen (weiß die Zielgruppe dieses Albums überhaupt, wer das ist?). Das kommt so willkürlich und schlecht - ja, Eminem war auf dem Lyrical Lemonade-Kanal, gleich mehrmals. Aber seine Präsenz mit Singles wie "Gnat" im Dad-Rock-Rapper-Modus auf der Suche nach Orten, wo man die Kids von heute erreicht, das war der Tiefpunkt für beide Seiten.

Nein, dieses Album haut wirklich niemanden vom Sessel. Das Komische an "All Is Yellow" ist, dass es keine der beiden Stärken der Plattform so wirklich nutzt: Weder fühlt es sich wie ein Tribut an den Sound der Sternstunden an, noch schüttelt es neue, interessante Artists aus dem Ärmel, wie es früher mal der Fall war. Stattdessen werden alle verfügbaren Industrie-Connections ausgespielt. Nur wissen die dann alle ganz genau, dass eine Top-Performance schlicht Verschwendung gewesen wäre. Herausgekommen ist ein Album ohne roten oder gelben Faden, das versucht, seine Ziellosigkeit hinter Melodrama und Kitsch zu verbergen.

Trackliste

  1. 1. Fly Away (feat. Sheck Wes, Ski Mask The Slump God & J.I.D)
  2. 2. Guitar In My Room (feat. Lil Durk & Kid Cudi)
  3. 3. Say Ya Grace (feat. Lil Yachty & Chief Keef)
  4. 4. This My Life (feat. Lil Tecca, The KID Laroi & Lil Skies)
  5. 5. First Night (feat. Teezo Touchdown, Juicy J, Cochise & Denzel Curry)
  6. 6. Special (feat. Latto, Swae Lee & Aminé)
  7. 7. With The Fish (feat. $not & 6 Dogs)
  8. 8. Doomsday (feat. Juice WRLD & Cordae)
  9. 9. Doomsday Pt. 2 (feat. Eminem)
  10. 10. Fallout (feat. Gas Dapperton, Lil Yachty & Joey Bada$$)
  11. 11. Equilibrium (feat. Babytron & G Herbo)
  12. 12. Hello There (feat. Lil Tracy, Corbin & Blackcray)
  13. 13. Hummingbird (feat. UMI, SahBabii & Teezo Touchdown)
  14. 14. Stop Giving Me Advice (feat. Dave & Jack Harlow)

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2 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 9 Monaten

    Gibt mir bisschen vibes wie der Kitschkrieg Sampler damals. Artists, die in keinster Weise in Verbindung zueinander stehen, auf einen Track zu packen war schon immer Schwachsinn. Teezo Touchdown und Juicy J passen auf den Papier einfach nicht zusammen, wieso sollte dann das Ergebnis überzeugen. Hab nie verstanden was man mit so weirden Crossover Tracks erreichen will. Vermutlich einfach nur Aufmerksamkeit auf die Tracklist zu ziehen. Anderer Punkt den ich nicht verstehe ist dass dieser Sampler auch irgendwie nicht viel mit Lyrical Limonade zu tun hat. Ich weiß nicht ob es an mir liegt, aber nen Juicy J, Kid Cudi oder Chief Keef hab ich nie in Verbindung mit Cole Bennett gesehen. Haben die überhaupt jemals auf dem Kanal stattgefunden? Für mich sind da einfach zu wenig Namen drauf die man mit dieser Ära in Verbindung bringt. Mehr Artists wie Lil Skies, Trippie Redd, Juice, Lil Mosey oder Lil Tecca wären denke ich besser angekommen und hätten auch mehr Sinn ergeben. Völlig egal was man von denen musikalisch hält aber die haben 2017-19 für den Peak des Kanals gesorgt und stehen mehr oder weniger auch symbolisch dafür. Aber nein, stattdessen bekommt Eminem sein Comeback auf dieser Plattform. Darauf hat sicher jeder gewartet... Fand eigentlich kein Track wirklich stark. Sosa und yachty haben mir noch am besten gefallen.

  • Vor 9 Monaten

    Es passiert ja relativ häufig, dass ein Künstler irgendwann die Relevanz-Schwelle übertreten kann und ab dem Zeitpunkt eine Legion an Superfans zusammengekriegt, die für den Rest seines Lebens für seinen Lebensunterhalt sorgen. Da ist es unerheblich, wie viel Mühe in ein Album investiert wird oder ob überhaupt noch neue Ideen zustande kommen, Geld kriegen die sowieso. Dieses Album ist für mich ein Symbolstück für dieses Phänomen. Cole Bennett wird an diesem Punkt noch viele viele Aufträge erhalten und ein paar seiner Milliönchen machen, ehe er in ein paar Jahren in der Versenkung verschwindet. Er hat einfach den Namen und momentan nichts zu beweisen.

    'First Night' hat neben 'Say Ya Grace' tatsächlich am besten für mich funktioniert, ansonsten ist das Album, wenn man noch nett sein möchte, einfach das Hirngespinst eines Fans, so wie Fantasy Football nur in Musikform und im echten Leben. Einfach mal ein bisschen Executive Producer spielen.

    Viele Zusammenstellung waren ja auch interessant: Kid Cudi und Lil Durk hätten tatsächlich etwas reißen können; Sheck Wes, Skimask the Slumpgod und JID hätten dem Hörer mehr Energie geben können auf einem interessanteren Beat; und die an vielen Stellen platzierten Indierock-Elemente (s. 'Hummingbird') langweilen mich per se, weil das einfach sehr langweilige Musik für langweilige Menschen von langweiligen Künstlern ist.

    Beim ersten Hören war ich durchaus positiv angetan, es ist ja auch nicht schlecht und undurchdacht produziert, aber danach blieb einfach nichts hängen. Den Drang, irgendwas von der Platte noch einmal zu hören, verspürte ich auch nicht.