laut.de-Kritik
Die deutschen Brüder von Tom Waits melden sich zurück.
Review von Ulf KubankeWenn man Markus Maria Jansen oder Mike Pelzer heißt, braucht man einen schicken Künstlernamen. Nicht nur das haben M Walking On The Water geschafft. Sie sind seit 1985 – neben Boa und seinem Voodoo-Laden – Mutter aller Indie-Bands in Deutschland. Ihre letzte Scheibe liegt mittlerweile stattliche 14 Jahre zurück. Wer hätte da an eine Auferstehung geglaubt?
Doch allem verblichenen Gerontentum zum Trotze bringen die beiden "Short Distance Folker" nunmehr ihr achtes Album heraus. Allein mit dem ruppigen "Pluto" und dem Popart-Werk "Elysian" haben die fünf wahnsinnigen Folkrocker eine Marke gesetzt, die sich nicht im Geringsten hinter internationalen Kollegen wie der NMA verstecken muss. Ohnehin galt es damals nicht zuletzt M Walking wegen als guter Ton, den unangepassten Rock mit Folkelementen zu mixen.
Nun stehen sie erneut vor unserer Tür und bieten zwar keine Rosen zum Kauf, aber immerhin die "Flowers For The Departed". Wird das noch was? Ist es nicht abgehakter Kram altvorderer Alternative-Veteranen mit einer Patinaschicht, so dick wie das Make Up von Liz Taylor? Oh nein! Wer jetzt weghört, beraubt sich selbst eines musikalisch farbenfroh unangepassten Statements gegen vorgefertigte Formate und unmotiviert pseudokünstlerische Noiseattacken gleichermaßen.
Man stelle sich vor, die kleinen Brüder von Tom Waits tun sich zusammen, gemeinsam aus Zutaten des Schrottplatzes und Zirkus ein angemessenes Popalbum zu machen; vgl. nur das manegenhafte "Twist Your Head".
Pelzers ausdrucksvolle Stimme erhebt sich würdevoll, die gemeinsamen Lieder nicht nur mit Leben, sondern auch mit beschwingt phrasierender Eleganz zu besiegeln. Auch wenn der gern als Kopf titulierte Jansen – wie gewohnt – sein kehliges Organ mit einflicht. Die Stimme des Leadsängers Pelzer besticht auch nach eineinhalb Jahrzehnten mit songdienlich-schnodddriger Intonation und leichten Schlenkern in Richtung melancholischer Vergänglichkeit. Solch eine gekonnte Rollenaufteilung ganz im Dienste gemeinsamer Kunst findet sich mehr als selten.
Das große Plus dieser ehrwürdigen Kapelle speist sich dabei vornehmlich aus der Fähigkeit, gleichzeitig versponnen und straight zu sein; künstlerisch und partytauglich. Auf diesem Gebiet macht den fünf gestandenen Herren so leicht niemand etwas vor. "I changed my opinion, I changed my mind into perfect art ". Der selbstironische Text des geschmeidigen Openers "Dust In The Suitcase" könnte nicht treffender bezeichnet sein. Eleganter Vaudeville-Touch ohne Provinzclowns; schwelgerische Melodien ("Sing Sally") und ein ausgeprägtes Händchen für ebenso zupackenden wie kultivierten Rock machen das Album zum Spektakel.
Herrlich, wie sie das todessehnsüchtige "Bury Me Upright" mit zickigen Wiener Kaffeehausstreichern verkleiden, ganz selbstverständlich Schrammelgitarre und Banjo integrieren und sich alle gemeinsam über Gevatter Sensenmann lustig machen. Doch auch jenseits des perfekten Popsongs sind die Herren des Wassers zum Glück noch immer hungrig. Bemerkenswert wie Axel Ruhlands Violine eine echte Hookline kreiert und mit dem zwischen lieblich und rau changierenden Chorus in Glitter verschmilzt, als habe man das Lied bereits 100 mal gehört und bis zum Morgengrauen geliebt.
Die echten Klopper stehen gleichwohl noch aus. Ist es Zufall, dass die stärksten Tracks der Platte allesamt aus einem zusammengesetzten Substantiv bestehen? "Questionmark" bürstet sich mit Lust gegen den Strich, um explodierend im Refrain zum ultimativen Ohrwurm zu mutieren. "Get behind your lies, get behind, get behind your lies." Wer seit 252 Jahren auf einen Nachfolger für die "Holy Night Of Rosemarie" wartet und noch lebt, darf hier ohne Bedenken zupacken. Alle anderen auch. Ihr werdet überrascht sein ob der magnetischen Anziehungskraft ohne große Studiotechnik und Schnickschnack.
1 Kommentar
hat der typ zwischenzeitlich englische aussprache geübt oder klingt er immer noch so wie in dem video hier?