laut.de-Kritik

Coveralbum mit Untoten vom Ballermann.

Review von

Die Spanish Classics-Verwurstung "Favoritas" von Marquess erweckt auf musikalischem Weg die einst im Buch "Es" von Grusel-Großmeister Stephen King geschürte Furcht vor Clowns: Die Songs des Albums sind von derart angestrengtem Party-Dauergrinsen durchsetzt, dass einem beim Zuhören Angst und Bange wird. Dass das Ganze dank deutscher Gründlichkeit wie Italo-Disco auf Spanisch klingt, lässt den Gänsehautpegel nur noch höher ausschlagen.

Hinein also in die künstlerische Geisterbahn des Trios aus Hannover. In der Song-Auswahl finden sich einige schon stark müffelnde Leichen. Die als spanisch gefärbter Klischee-Songs vergangener Jahrzehnte ("Besame Mucho", "El Porompompero") bereits bis zum Überdruss kastagnettenbewehrt durch die Popkultur umher polterten.

Musikalische Zombies, die einfach nicht dahinscheiden wollen, sondern immer wieder wie Untote wiederauferstehen. Bittschön: Verhuscht-verstohlen streift also der inzwischen faltig gewordene Jungmädchenpop "Por Que Te Vas" vorüber, Mitte der Siebziger ein Nr. 1-Hit in Deutschland. Damals interpretiert von einer längst vergessenen Jeanette (in diesem Falle nicht die Biedermann).

"Guantanamera" holpert unentschlossen zwischen Akustikeinlagen, Schunkelbeat und altbackenen Synthie-Einlagen im Kreis umher. Fehlt eigentlich bloß noch "La Paloma". Womöglich hat aber der grundgütige Geist von Hans Albers das gerade noch verhindern können (nicht retten konnte sich die Nummer bereits vor den feindlichen Übernahmen eines Roberto Blanco und Karl Dall).

Der einzige richtige Loona-Hit "Hijo De La Luna" riss trotz guter Chartsplatzierung bereits 1998 keinen gutgeschmäcklerischen Musikfreund vom Hocker. In der 2014-Version ändert sich an dieser Einschätzung nichts. Für die seelenlose Dudelfunk-Umsetzung von "Que Sera" wünscht man sich Alt-Interpretin Doris Day als Rächerin an die Seite der Hannoveraner, mit einer ordentlichen Tüte Backpfeifen im Gepäck.

Über den Nährwert von Julio Iglesias-Songs mag man streiten dürfen. Doch dessen "Amor, Amor, Amor" atmet in der Originalversion immerhin einen lässigen Achtziger-Verführercharme. In den Klauen von Marquess stürzt die Nummer in einen schaurigen Abgrund gefräßiger Eurodance-Beats, aus dem bereits Cascada lüstern winkt.

Handwerklich ist das Ganze durchaus solide in Szene gesetzt. Aber es fehlen die Leidenschaft, die Seele: die Bühnenbildner von Marquess haben nur Attrappen aufgebaut. Zwischen all dem künstlichen Pappmaché-Blendwerk kommt das echte Leben einfach zu kurz. Wenn Jogis Jungs so spielen, wie Marquess spanische Klänge verhunzen, langts nicht mal für die Vorrunde. Nur am Ballermann dröhnen danach weiterhin die "Favoritas".

Trackliste

  1. 1. El Porompompero
  2. 2. Por Que Te Vas
  3. 3. Guantanamera
  4. 4. Besame Mucho
  5. 5. Suerte
  6. 6. Que Sera
  7. 7. Cancion Del Mariachi
  8. 8. Entre Dos Tierras
  9. 9. La Vida Es Un Carnaval
  10. 10. Obsesion
  11. 11. Livin' La Vida Loca
  12. 12. Amor, Amor, Amor
  13. 13. Hijo De La Luna
  14. 14. Me Va, Me Va

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6 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    *hüstel*
    "Porque te vas" bitte, weil - es geht um die Sachen, die passieren, *weil* du gehst, und nicht um die Frage, *warum* du gehst.
    "Hijo De La Luna" riß in der Loona-Version niemanden vom Hocker, das lag aber auch daran, daß die Einspielung zu nah am '86er Original von Mecano lag.
    "Que sera" war '71 ein Hit für José Feliciano und ist nicht identisch mit der Lala von Doris Day.
    Gruß
    Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Ja, man sollte schon erwarten können, dass jemand, der sich anmaßt, Sterne für ein Album zu vergeben, musikalisch genügend Ahnung hat und weiß, dass das gecoverte Lied nicht von Doris Day, sondern das von Jose Feliciano ist.

    • Vor 10 Jahren

      Die Fassung Felicianos stammt aus dem Jahr 1971. Das ORIGINAL sang allerdings Miss Day im Jahr 1956, als Soundtrack für Hitchcocks "Der Mann, Der Zuviel Wusste". Welche Fassung (von ja noch unzähligen) da nun die Beste ist ... die von Feliciano mag ich allerdings auch sehr.

      Zu "Por Que Te Vas" oder "Porque Te Vas": Für die Albenbesprechnung gilt die Schreibweise
      des vorliegenden Albums. Marquess haben sich da anscheinend für Version 1 entschieden. Ähnlich verhält es sich mit dem Iglesias-Cover: Bei Marquess ist es zu "Amor, Amor, Amor" mutiert. Das Original ist schlicht mit "Amor" betitelt.

    • Vor 10 Jahren

      @Herr Andrack:
      "Por que te vas" - gute Begründung - akzeptiert.
      "Que sera" - schlechte Begründung - abgelehnt. Das, was die gute Doris sang, war "Que sera sera, whatever will be, will be", im dezenten Walzertakt gehalten, handelte von den ernsten Themen des Lebens wie etwa Zukunftsangst bei Minderjährigen, und stammte vom Schreiberduo Evans/Livingston.
      Das, was der gute José da sang ("Que sera, que sera, que seraa-ha-ha-a, que sera de mi vida, que se-ra-haaaa"), war anschleimender Gitarrenpop über den Abschied von Heimat, Freunden und Vertrautem, stammte von Jimmy Fontana und Franco Migliacci, wurde kurz darauf auf Italienisch noch von Reichen und Armen ... ähm .. von Ricchi e poveri interpretiert und wurde von Doris Day nie in den Mund genommen ;-)
      Gruß
      Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Immer diese Klugscheisser hier!! ;)

      Wusste btw gar nicht, dass Marquess aus Schland/Hannover kommen, aber ist ja meistens so...die Las Ketchup-Tussis kommen bestimmt auch aus Buxtehude oder so :D

      Und besser als Wyclef kann man Guantanamera nicht covern, finde ich!
      (Macht der eigentlich noch was? The Ecleftic fand ich richtig geil damals)

    • Vor 10 Jahren

      @Django77:
      Wyclef? Ich hab' irgendwas vor ein paar Wochen läuten hören, daß der bei der WM-Abschlußfeier mal wieder sein Gesicht in die Kamera halten darf, gemeinsam mit Carlos Santana und noch wem ...
      Wahrscheinlich war er in letzter Zeit zu sehr auf Haiti eingebunden wegen Präsidentschaftskampf und Knatsch wegen seiner Hilfsorganisation.
      Gruß
      Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Oh shit...den WM-Song habe ich bereits verdrängt *kotz*

      Ach ja, dieses Mixtape gabs da noch...hoffe auf ein richtiges (gutes) Album.

  • Vor 10 Jahren

    Echter Dreck... Ein Ekelprodukt des Mainstreams

  • Vor 10 Jahren

    @Skywise. Vielen Dank für den deinen Kommentar, den ich ansonsten selbst mit den gleichen Anmerkungen geschrieben hätte.

  • Vor 10 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 10 Jahren

    Die einzige - ich wiederhole - EINZIGE Version, die sich man von Marquess antun kann, ist die Interpretation von "Entre dos Tierras", denn die ist zwar keineswegs innovativ interpretiert, aber wenigstens ins Ska-Gewand gepackt und Ska geht fast immer. Selbst bei Marquess.
    Mir ist beim Durchlesen mal wieder aufgefallen, wieso Marquess so extrem gehasst werden und auch so wenig künstlerischen Respekt verdienen. Weil sie ihre potenzielles Publikum einfach für dümmer und einfältiger halten, als es vermutlich ist. Sie machen es sich so verdammt leicht, das zeigt allein wieder die Zusammenstellung der Songs auf diesem Album! "Hijo de la Luna" zu covern kann ja angesichts der schon nicht übermäßigen Credibility von Loona ja schon fast wieder als cool durchgehen.
    Die anderen Stücke können aber einfach nicht deren Ernst sein, das ist eine Auswahl für Leute, die NULL musikalischen Background haben und spanische Lieder nur aus der Radio-Dauerschleife kennen. Und so ein Klientel möchte Marquess bedienen und findet das auch noch geil?!?!
    Die einzelnen Songs haben ja alle durchaus ihre Vorzüge, aber so glattgebügelt und seelenlos interpretiert, möchte man einfach nur den Kopf schütteln, weil sie so offensichtlich kalkuliert nur nach vermeintlichem Erfolg nach Baukastenart schielen.
    Hat das Missvergnügen einen von denen mal kennenlernen zu dürfen und er war genauso wie die Musik. Und fand sich leider auch relativ geil.

    • Vor 10 Jahren

      Noch mal: "Hijo De La Luna" ist nicht im Original von Loona, sondern von Mecano! Das Covern ist also auch nicht coll, weil es von Loona ist.
      Und Marquess sind Musik-Huren, leben davon aber auch nicht soo schlecht. Und solange es jemand kauft und sie in den Fernsehgarten eingeladen werden...:-)