laut.de-Kritik

Brücken schlagend vom Babylon Berlin in die Jetztzeit.

Review von

"Es ist Bogy der Pate, man zeigt Respekt, wenn er kommt. Report von der Straße, live und direkt von der Front." Nach King Orgasmus Ones "Welcome To The Hood" begeht auch MC Bogy den 20. Geburtstag von Bassboxxx mit einem Album. Mit "100%" wagt sich der Atzenkeeper zwar minimal aus seiner Komfortzone, doch im Zentrum steht nach wie vor seine knöcherne Authentizität, die seinen militärischen Dienstgrad im Schützengraben der Hauptstadt rechtfertigt: "Nichts kann mich brechen, ich bleibe Soldat."

"Dicke Eier in der Hose, Narben unter'm Bandana." Da sich hinter der meist selbstbewussten Fassade in Wahrheit ein unruhiger Charakter verbirgt, weisen die Erstgenannten einen erhöhten Gefährdungsstatus auf: "Pistole am Sack und der Finger nervös." Wenn sich Bogy derart unruhig fühlt, sollte er die Wumme wohl lieber in weniger riskanten Regionen positionieren. Vielleicht findet sich unter dem Kopfkissen noch ein Plätzchen.

"Willkommen in Krankwitz, das Mekka der Freaks!" Gemeinsam mit Rako und Rikon widmet Bogy seinem Heimatbezirk einen klassischen Representer. Dass es in der Hauptstadt abseits von Lankwitz mittlerweile gemütlicher zugeht, veranschaulicht "Underdog", der die altehrwürdige Tradition des Berliner Posse-Tracks hochhält. Zusammen mit B-Tight, Blokkmonsta, Basstard und Co. entwickelt der Song weder die Durchschlagskraft noch die Kontroverse vergleichbarer Beiträge vergangener Tage.

Zu den Stärken des Rap-Veteranen gehört seit jeher die aufrichtige Strenge, die der "Atzenkeeper zum Verlieben" mit minimalen humoristischen Einsprengseln auflockert ("Pennywise hat Angst, unter'm Bett könnte Bogy liegen"). Abgesehen davon verfügt der Berliner über das emotionale Spektrum eines Stück Holzes. Um die fehlenden Gefühle auszugleichen, schart er Gastsänger um sich, die eine Extraportion Pathos in den Refrain gießen. Während der trotz namhafter Fürsprecher leider nie selbst durchgestartete Shizoe "Mein Baby" zum Lovesong aufwertet, ruft Aslis cheesy Hook in "Werden Wir Uns Wiedersehen" Assoziationen zu den 90ern hervor.

Gänzlich anders fallen die autotune-getränkten Gesangseinlagen aus, die B-Lash zu "Fickt Euch Alle" und "Bam Bam Killa" zum Besten gibt. Mit welchen Mitteln er Bogy zu überzeugen wusste, derlei Spielereien auf seinem Album zu tolerieren, wäre durchaus interessant zu wissen. Fakt ist jedoch, dass der stets unter dem Wahlslogan "Oldschool wie Hubba Bubba" operierende Rapper noch ein gutes Stück weiter geht, indem er sich mit "Lost Boys" und "Punisher" wahrhaftig an Trap versucht. Doch während die Veysel-Kollabo zunehmend ins Überladene abdriftet, verknüpft "Punisher" auf charmante Weise das moderne Instrumental mit Theremin-Klängen, womit es die Brücke vom alten Babylon Berlin in die Jetztzeit schlägt.

Mit Ausnahme dieser Ausreißer orientiert sich Produzent B-Lash aber am althergebrachten BC-Sound, dessen synthetische Klänge sich aus Einflüssen der 80er speisen ("Es Gibt Keine Rettung", "Schockwelle", "Krankwitz"). "In Der Gegenwart Eines Gs" überzeugt mit den auch von Bushidos Alben bekannten bedrohlichen Bläsern. Überhaupt harmoniert das Instrumental mit Abstand am besten mit Bogys nüchternem Slow Flow.

"Medien dissen mein' Rap, denn sie zähl'n nur die Reime." MC Bogy lässt sich nach gängigen Kriterien tatsächlich kaum final bewerten. Musikalisch genießt er nach 20 Jahren ohnehin eine gewisse Narrenfreiheit. Enge Weggefährten betonen seine Glaubwürdigkeit, schreiben ihm aber auch keine überragenden technischen Fähigkeiten zu. Wer sich mit dem Rapper und seiner Position im Rap-Sammelsurium der Hauptstadt auseinandersetzen möchte, kann bedenkenlos die Dokumentation von TV Strassensound, in der der Berliner sensibel und reflektiert auftritt, dem Album vorziehen.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Punisher
  3. 3. In Der Gegenwart Eines Gs
  4. 4. Mein Baby (mit Shizoe)
  5. 5. Krankwitz (mit Rako und Rikon)
  6. 6. Fickt Euch Alle (mit B-Lash)
  7. 7. Bam Bam Killa (mit B-Lash und Frauenarzt)
  8. 8. Schockwelle (mit Kool Savas)
  9. 9. Lost Boys (mit Veysel)
  10. 10. Schiefe Bahn (mit Ozan)
  11. 11. Werden Wir Uns Wiedersehen (mit B-Lash und Asli)
  12. 12. Underdog (mit B-Lash, Baba Kaan, Big Baba, B-Tight, Blokkmonsta und MC Basstard)
  13. 13. Es Gibt Keine Rettung
  14. 14. Scarecrow

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